Das Verhältnis des Westens zu Muammar al-Gaddafi war lange durch dessen Verstrickungen in den internationalen Terrorismus belastet. Doch nachdem sich Tripolis 2003 zum Anschlag von Lockerbie bekannte und kurz darauf den Verzicht auf Massenvernichtungswaffen erklärte, wurde der Diktator zum wichtigen Handelspartner.
Sehen Sie hier, wie sich das Verhältnis zwischen verschiedenen Staaten und Gaddafi entwickelt hat:
Frankreich: 2007 vereinbarte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eine militärische und atomtechnische Kooperation mit Gaddafi. Bei einem Besuch des schillernden Herrschers in Paris wenige Monate später wurden Verträge im Umfang von mehr als zehn Milliarden Euro unterzeichnet. Damals wurde Gaddafi an der Seine mit grossem Pomp empfangen. Dann kam die Wende: Sarkozy erkannte als erster europäischer Staatschef den Übergangsrat der Rebellen an.
Italien: Eine besondere Partnerrolle in Europa hat Libyens einstige Kolonialmacht. 2009 unterzeichneten Gaddafi und Ministerpräsident Silvio Berlusconi ein Freundschaftsabkommen. Nachdem Rom 2008 Tripolis mit 3,4 Milliarden Euro für die Kolonialzeit entschädigte, wurden Berlusconi und Gaddafi Männerfreunde, die sich gern gemeinsam vor Kameras zeigten - etwa 2009 bei Gaddafis Besuch in Rom. Mit Beginn des Aufstandes in Libyen wollte Berlusconi diese Bilder schnell vergessen machen. Das Freundschaftsabkommen wurde auf Eis gelegt und von Sizilien aus nahmen auch italienische Tornados Militäreinrichtungen Gaddafis unter Beschuss.
Deutschland: Der Libyen-Besuch des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder 2004 markierte den Ausbau der Beziehungen zwischen Deutschland und dem ölreichen Wüstenstaat. Die deutschen Exporte nach Libyen brachten es in den folgenden Jahren auf Zuwachsraten von 20 Prozent und mehr. Bis zum Bürgerkrieg stand die Bundesrepublik als Abnehmer für libysches Öl mit 12,8 Prozent an zweiter Stelle hinter Italien (40 Prozent). Noch vor einem halben Jahr reichte Aussenminister Guido Westerwelle Gaddafi während des EU-Afrika-Gipfels in Tripolis die Hand. Am 13. Juni landete der Minister dann mit einem Flugzeug voller medizinischer Hilfsgüter in der Rebellenhochburg Bengasi.
Schweiz: Auch die Schweiz versuchte im Frühjahr 2004 von der Öffnung Libyens zu profitieren. Eine Wirtschaftsdelegation mit rund 20 Firmen bereitete das Terrain für neue lukrative Geschäfte vor. «Die Liberalisierung Libyens kommt», sagte der damalige Chef der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Jörg Reding.
Die Euphorie war von kurzer Dauer. Im Juli 2008 wurde Hannibal, einer der Söhne Gaddafis wegen des Verdachts der Misshandlung von Hausangestellten in Genf verhaftet. Es folgte eine schwere diplomatische Krise, in deren Folge die Wirtschaftsbeziehungen beider Länder einbrachen. Mehr als fünf Milliarden Franken zog der Gaddafi-Clan aus der Schweiz ab. Gaddafi drohte auch mit der Einstellung der Öllieferungen. Die Geschäfte der libyschen Ölgesellschaft Tamoil mit eigenem Tankstellennetz in der Schweiz liefen aber wie gewohnt weiter.
China: Peking hat seit dem Machtantritt Gaddafis 1969 gute Beziehungen zu Libyen unterhalten. Die westliche Isolierung des Landes «unter dem Vorwand der Bekämpfung des Terrorismus» wurde von China kritisch gesehen. Im libyschen Bürgerkrieg äusserte sich Aussenminister Yang Jiechi «sehr besorgt» über die westlichen Luftschläge gegen Gaddafis Truppen. Peking suchte seit Anfang Juni aber auch Kontakte zu libyschen Rebellen. Am Montag sagte ein Sprecher des Aussenministeriums in Peking schliesslich, China respektiere die Entscheidung der Bevölkerung, Gaddafi vertreiben zu wollen. Auch im «neuen Libyen» will Peking wieder in der ersten Reihe stehen und sicherte bereits Hilfe beim Wiederaufbau zu.
Venezuela: Zumindest ein Freund ist Gaddafi geblieben: Venezuelas populistischer Staatschef Hugo Chávez. Wie zuvor auch in einigen europäischen Metropolen hatte Gaddafi 2009 bei einem Besuch in Venezuela dort sein Beduinenzelt aufgeschlagen. Während andere wieder von Gaddafi abrückten und einen Machtverzicht forderten, stärkte Chávez ihm demonstrativ den Rücken. Venezuela kritisierte die internationale Militärintervention in Libyen wiederholt scharf. Chávez bedauerte, dass er während der Kämpfe gegen die Rebellen nicht mehr mit seinem Freund telefonieren konnte, weil «sie ihn dann lokalisieren und eine Rakete schicken».
(tno/laf/sda)