Die USA und China läuten eine neue Runde in ihrem Handelsstreit ein. Der Konflikt bremst bereits die Weltkonjunktur. Jetzt gibt es neue Strafzölle. Eine Einigung der beiden grössten Volkswirtschaften ist noch nicht in Sicht.
US-Präsident Donald Trump will mit seinem Handelskrieg mit China die globale Wirtschaft neu ordnen - auch wenn sich die Zeichen mehren, dass er damit einen Konjunktureinbruch riskiert.
Kein «Diener» Chinas mehr sein
«Es gibt keinen Grund, alles aus China zu kaufen», schrieb Trump am Sonntag im Kurznachrichtendienst Twitter. Amerika dürfe nicht mehr «Diener» Chinas sein, zitierte er einen Ökonomen. Im Weissen Haus sagte er wenig später: «Wir können China nicht mehr erlauben, uns abzuzocken.» Trump wiederholte auch sein von den meisten Experten als absurd angesehenes Mantra, wonach alle Kosten des Handelskriegs allein von China getragen würden.
Am Sonntag trat im Ringen der beiden grössten Volkswirtschaften die nächste Eskalationsstufe ein: Auf beiden Seiten traten wie angekündigt neue Strafzölle in Kraft.
Die USA erheben erstmals zusätzliche Importgebühren auf in China hergestellte Konsumgüter wie Fernseher, Bücher, Windeln und Turnschuhe. Die Zölle dürften daher nach Ansicht von Experten mittelfristig zu Preiserhöhungen für US-Konsumenten führen. Die neuen Sonderabgaben in Höhe von 15 Prozent betreffen Waren im Wert von mehr als 100 Milliarden US-Dollar.
Verlangsamung des Wirtschaftswachstums
Als unmittelbare Reaktion verhängte China von Sonntag an Gegenzölle in Höhe von fünf und zehn Prozent auf Importe aus den USA. Zehn Prozent werden zusätzlich auf Importe von Fleisch, Gemüse wie Mais und Kartoffeln, Obst, Kleidung und Lederwaren erhoben. Fünf Prozent entfallen auf Sojabohnen, Milchprodukte, Pilze und Chemikalien.
Die USA und China liefern sich nunmehr seit gut einem Jahr einen Handelskrieg, der in beiden Ländern zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums geführt hat und die Weltkonjunktur bremst. Auch die Aktienmärkte sind nervös.
Mehrere Risiken könnten bis 2020 eine Rezession auslösen – und zu einem kompletten Zusammenbruch des offenen Welthandelssystems führen. Den Kommentar von Nouriel Roubini lesen Sie hier.
US-Präsident Trump will China mit den Strafzöllen zum Abschluss eines umfassenden Handelsabkommens bewegen. «Die Zölle haben uns eine unglaubliche Verhandlungsposition verschafft», zeigte Trump sich am Freitag zuversichtlich. «Ich glaube wirklich, dass China ein Abkommen will.»
Weitere Eskalationsstufen programmiert
Die Verhandlungen sind seit Monaten festgefahren, sollen Trump zufolge diesen Monat wieder aufgenommen werden. In Peking gab es dafür aber zunächst keine Anzeichen.
Die nächsten Eskalationsstufen sind jedoch schon programmiert: Vom 15. Dezember an wollen die USA Strafzölle von 15 Prozent auf weitere Konsumgüter aus China im Wert von rund 160 Milliarden US-Dollar in Kraft setzen. Dann werden auch Produkte wie Smartphones, Laptops und Kleidung erfasst werden.
Die im August angekündigten Strafzölle sollten ursprünglich ebenfalls von Sonntag an gelten. Doch liess Trump die zweite Tranche verschieben, um das Weihnachtsgeschäft nicht zu belasten. Von Dezember an gelten dann auf fast alle Warenimporte aus China - 2018 waren das rund 540 Milliarden US-Dollar - Strafzölle.
Die Signale wirken zunehmend alarmierend. Auf drei Hinweise sollte man jetzt achten. Die Analyse des «Economist» lesen Sie hier.
Bislang hatte Trump nur Strafzölle auf chinesische Waren wie Industriegüter und Maschinen im Wert von rund 250 Milliarden US-Dollar verhängt. Diese führten zu Mehrkosten bei Unternehmen, aber nicht direkt bei Konsumenten. Diese bestehenden Strafzölle sollen von Oktober an nochmals um fünf Prozentpunkte auf 30 Prozent steigen.
Auch Peking hat bereits weitere Strafzölle angekündigt. China plant, weitere Importgebühren in Höhe von fünf und zehn Prozent vom 15. Dezember an zu erheben, wenn die weiteren US-Abgaben in Kraft treten.
Zehn Prozent werden dann zusätzlich auf Waren aus den USA wie Kaffee, Obstsäfte, Wein und Bier, Medikamente, Holz und auch Autos erhoben. Fünf Prozent kommen auf Zigaretten, Kleidung, Autoteile, Elektrogeräte und Flugzeugmotoren drauf. Die neuen Strafzölle Chinas sollen dann Einfuhren aus den USA mit einem Volumen von insgesamt 75 Milliarden US-Dollar erfassen.
Trump braucht die Hilfe der Fed
Das Wachstum in den USA hat sich bereits verlangsamt. Für den Fall, dass der Handelskonflikt einen Wirtschaftseinbruch auslösen würde, hat Trump bereits einen Schuldigen ausgemacht: Die US-Notenbank Fed. Sie müsse den Leitzins drastisch senken, um die Konjunktur anzukurbeln, fordert er. Doch eine Wachstumsdelle oder gar Rezession wäre für Trump gut ein Jahr vor der Präsidentenwahl verheerend.
Auch die Konjunktur in China ist betroffen. So verschlechterte sich die Stimmung der Einkaufsmanager in Chinas Industriebetrieben im August: Der entsprechende Index sank von 49,7 auf 49,5 Punkte, wie die chinesische Statistikbehörde am Wochenende bekanntgab. Werte unterhalb von 50 Punkten deuten ein Schrumpfen der Industrie der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt an.
Der Handelsstreit ist seit mehr als einem Jahr im Gange. Auslöser war ursprünglich die Verärgerung Trumps darüber, dass China weit mehr in die USA exportiert als umgekehrt. Er fordert eine Beseitigung von Marktschranken, kritisiert die Verletzung von Urheberrechten und den zwangsweisen Technologietransfer bei in China tätigen US-Unternehmen sowie staatliche Subventionen.
Später forderte der US-Präsident auch strukturelle Veränderungen in China, die der Führung in Peking aber zu weit gehen. Auch Trumps Unberechenbarkeit in den Gesprächen verärgerte die chinesische Führung.
(sda/gku)