Griechenland hat die Krise nicht überwunden – im Gegenteil: Einmal mehr braucht Athen derzeit dringend zusätzliche Hilfsgelder, um den Staatsbankrott abzuwenden. Seit Jahren ist das hochverschuldete Land von der finanziellen Unterstützung der EU, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds abhängig. Doch es ist nicht sicher, ob die Geldgeber den Griechen erneut beistehen. Verschiedene EU-Länder fordern zusätzliche Reformen von Athen.
Griechenland hat auf dem Weg aus der Krise in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht. Doch viele Probleme sind nicht verschwunden. Beispielsweise gelingt es dem Staat immer noch nicht, alle Steuern bei Firmen und Privatpersonen einzutreiben – sei es aus Ineffizienz, wegen der Korruption oder des fehlenden Vertrauens der Bürger in den Staat.
Griechen verschieben Vermögen im Ausland
Und hier kommt die Schweiz ins Spiel: Denn seit Beginn der Krise haben Griechen riesige Summen ins Ausland verschoben – auch aus Angst, Geld zu verlieren, sollte Griechenland statt des Euro wieder eine eigene Währung einführen.
Ein Teil des Gelds floss in die Schweiz. Wie viele griechische Vermögen bei hiesigen Banken liegen, ist unklar. Die griechischen Kundenguthaben bei den Schweizer Banken betragen nach letzten Zahlen der Schweizerischen Nationalbank 7,7 Milliarden Franken. Nicht erfasst wird allerdings, wie viel Geld in den Kundendepots lagert – die Gesamtsumme dürfte also weit grösser sein.
Schulz vermutet viel Schwarzgeld in der Schweiz
Bleibt die Frage, wie viel von diesem griechischen Vermögen in der Heimat versteuert wurde. Vermutlich befindet sich immer noch viel Schwarzgeld darunter. Das hält auch Georgia Fotiou für wahrscheinlich, Rechtsberaterin bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. «Ich denke nicht, dass die grosse Mehrheit der Griechen ihre unversteuerten Gelder legalisiert haben», sagte Fotiou zu handelszeitung.ch.
Zum Höhepunkt der Krise war das griechische Schwarzgeld in der Schweiz international ein Thema – es wurden riesige Beträge genannt. Am weitesten ging Martin Schulz, der heutige Kanzlerkandidat der deutschen SPD, der Angela Merkel im Herbst ablösen will. Mindestens 200 Milliarden Euro Schwarzgeld (aktuell 213 Milliarden Franken) aus Griechenland befänden sich in der Schweiz, behauptete er als Politiker im EU-Parlament 2010 – eine Zahl, welche der damalige Chef der Schweizerischen Bankiervereinigung als «unseriös» zurückwies.
Der Schwarzgeld-Experte Friedrich Schneider von der Universität Linz schätzte vor zwei Jahren die griechischen Vermögen in der Schweiz auf 80 Milliarden Euro, etwa zwei Drittel davon seien unversteuert.
Jagd auf Steuersünder
In jedem Fall hat sich der Umfang des Schwarzgelds seit 2010 verringert. Die griechischen Behörden haben ihre Ermittlungen gegen Steuersünder verstärkt. Seit 2012 bietet die Schweiz zudem Amtshilfe bei Steuerhinterziehung.
Auch von einer etwas anderen Form von ausländischer Unterstützung profitiert Griechenland: Das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen lieferte CDs mit gestohlenen Schweizer Bankdaten an Griechenland. Diese Datenträger sind wohl auch der Grund, wieso Steuerfahnder Büros der Bank UBS in Athen durchsuchten.
Schweizer Regierung zeigt sich willig
Der griechische Staat hat es seit Jahren in der Hand, das Schwarzgeld aus der Schweiz zurück ins Land zu holen. Schon im Herbst 2012 beschloss der Bundesrat, mit Griechenland über ein Steuerabkommen zu verhandeln. Die Gespräche versandeten. Einen erneuten Versuch gab es im Jahr 2015, Vertreter der Schweiz reisten mehrere Male nach Athen. Die griechische Regierung sprach damals davon, eine Steueramnestie durchzuführen – Steuerpflichtige sollten ihr Schwarzgeld legalisieren können, indem sie eine Strafsteuer zahlten.
Doch auch diese Verhandlungen blieben ergebnislos. Zwar besteht aktuell für Steuersünder in Griechenland die Möglichkeit, sich selbst anzuzeigen und eine Busse zu leisten. Dieses Programm läuft noch bis Ende Mai. Allerdings machten bisher nur wenige Griechen davon Gebrauch, so KPMG-Spezialistin Georgia Fotiou. Das Programm lasse viele Fragen offen und biete wenig Rechtssicherheit für Steuerdelikte. «Viele Griechen warten lieber ab, in der Hoffnung, mehr Klarheit zu erhalten.»
Die Uhr tickt
Die Steuersünder stehen unter Druck. Denn bald gilt der Automatische Informationsaustausch (AIA). Ab 2018 werden die Schweizer Steuerbehörden Bankdaten an Griechenland liefern – Steuervergehen kommen dann einfach ans Licht. Zeitdruck hat aber auch der griechische Staat. Viele Vergehen liegen mittlerweile Jahre zurück. Wenn die Delikte verjähren, könnte das Geld für den Fiskus verloren gehen.