Am Sonntag veröffentlichte das Regime in Saudi-Arabien eine Erfolgsmeldung: 44 internationale Konzerne werden in den nächsten Jahren ihren Sitz für den Nahen Osten in die Hauptstadt Riad verlagern. Auf der Liste, die das Investitionsministerium herausgab, finden sich reihenweise klingende Namen – Pepsi, Unilever, Siemens, Samsung, Eli Lilly, KPMG, PwC, Deloitte; mit dabei ist, als Schweizer Vertreterin, auch Novartis.
Laut Angaben von Fahd al-Rasheed, dem für die Hauptstadt zuständigen Standortentwickler, sollten dadurch bis zum Jahr 2030 rund 18 Milliarden Dollar an Wertschöpfung und 30'000 Stellen in die Wüstenmetropole verschoben werden.
Boomtown Riad? Die Meldung kam zum Abschluss der «Future Investment Initiative Conference», die letzte Woche in Riad stattfand. Die Veranstaltung war früher oft als «Davos in der Wüste» bezeichnet worden, weil sie mächtige Politiker und schwerreiche Wirtschaftsführer in Scharen anzog.
Die Ausstrahlung verblasste allerdings weitgehend, nachdem der Dissident Jamal Kashoggi durch Schergen des Regimes ermordet worden war, und auch der schmutzige Krieg in Jemen verleidete vielen die Saudi-Reise. In der Folge sagten die Topmanager ihren Besuch 2018 reihenweise ab – darunter Blackrock-Chef Lawrence Fink oder der damalige CS-Konzernchef Tidjane Thiam –, um im Jahr darauf dann doch wieder zurückzukehren.
Standing Ovation
In der Ausgabe 2021 machten sich die internationalen Spitzenpolitiker zwar weiterhin rar. Doch bei der jüngsten Schaufenster-Aktion der Saudis im Ritz-Carlton von Riad fehlte es nicht an prominenten Firmenchefs und insbesondere an Finanzmagnaten wie Stephen Schwarzman (Blackstone), Larry Fink (Blackrock) oder Ray Dalio (Bridgewater). Als Kronprinz Mohammed bin Salman – der höchstrangige Verdächtige im Mordfall Kashoggi – einen kurzen Auftritt gab, wurde er von einer Standing Ovation empfangen, wie die Vertreterin der «New York Times» feststellte.
Kein Wunder: Offizieller Gastgeber der Veranstaltung ist der Saudische Staatsfonds, und der hat immerhin 450 Milliarden Dollar an Vermögenswerten zu verwalten. Doch auch politisch erhöhten die Saudis in letzter Zeit den Druck auf ausländische Unternehmen. Im Februar setzten sie eine Deadline: Wer nicht bis 2023 einen Standort im Land errichtet hat, werde Regierungsaufträge verlieren.
Lukrativ, aber peinlich
Die meisten westlichen Konzerne haben ihre Regional-Headquarters in einem der Golfemirate errichtet, insbesondere in Abu Dhabi oder in Dubai, wo es sich angenehmer lebt als unter der Sharia-Herrschaft der Saudis.
Doch andererseits ist Saudi-Arabien die mit Abstand grösste Volkswirtschaft des Nahen Ostens – sein BIP ist ziemlich genau doppelt so gross wie jenes aller Golfemirate –, und dieses Gewicht bringen die Machthaber zunehmend entschlossen ins Spiel. So hoben sie jüngst auch allerlei Erleichterungen auf, die für Importe aus der Golfregion oder aus den dortigen Freihandelszonen gegolten hatten. «Saudi-Arabien spannt seine ökonomischen Muskeln» – so der Kommentar der «Financial Times».
Novartis: abwarten
Aber verlagern die 44 genannten Konzerne dann tatsächlich umfassende Regionalzentralen in den Erdölstaat, der einen Ausweg aus der Fossilwirtschaft sucht? Es wird sich noch weisen müssen. Der CEO von Nomura Asset Management in Dubai versuchte beispielsweise die Bedeutung der Triumph-Meldung aus Riad etwas herunterzuspielen: «Die Golfregion wächst schnell genug, um Standorte in verschiedenen Jurisdiktionen zu erlauben», so Tarek Fadlallah gegenüber der japanischen Wirtschaftsagentur Nikkei.
Und auch Novartis – das seinen Middle-East-Sitz in Dubai hat und in der Region rund 1,5 Milliarden Dollar umsetzt – stellt die Sache nicht ganz so durchschlagend dar: Im Mai 2021 habe man ein Memorandum of Understanding unterzeichnet «mit dem Ziel, verschiedene vom saudi-arabischen Investitionsministerium (MISA) vorgeschlagene Optionen zu prüfen und besser zu verstehen, bevor eine Verpflichtung eingegangen wird», so ein Sprecher. Bislang sei jedoch noch keine Entscheidung getroffen worden.
Womit die Frohbotschaft aus Riad eben auch eine alte Weisheit zu bestätigen scheint: Standortpolitik ist immer auch Politpropaganda.
(rap)