Während die deutschen Haushalte unter einer Rekordinflation leiden und die Versorgung mit allem Möglichen - von Erdgas bis Bauteilen - gefährdet ist, verschlechtern sich die wirtschaftlichen Aussichten des Landes von Tag zu Tag.
Das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft wird in diesem Jahr das schwächste unter den G7-Ländern sein, wie der Internationale Währungsfonds am Dienstag prognostizierte. Für 2023 sieht der Fonds einen weitere Abschwächung.
Die Ukraine-Krieg hat den Abbau der Geldschwemme nicht gebremst. Im Gegenteil: Die Zentralbanken erhöhen das Tempo der Straffung.
Die CS prognostiziert eine Rezession
Obwohl deutlich pessimistischer als die Prognosen der Europäischen Kommission von vor zwei Wochen, ist der IWF optimistischer als Ökonomen der Credit Suisse und der Deutschen Bank. Die sagen, dass eine Rezession, die mindestens bis zum nächsten Frühjahr andauern wird, bereits jetzt beginnt.
Die düsteren Aussichten bestätigen die wochenlangen Warnungen aus den Reihen deutscher Unternehmen: Industriekonzerne wie BASF und Thyssenkrupp sind durch verringerte russische Energielieferungen in Bedrängnis geraten, während Kunden aufgrund steigender Preise bei Einzelhändlern wie Zalando SE weniger sorglos zugreifen und die Chip-Krise, die die Autohersteller seit 2019 belastet, immer noch andauert.
«Ein gutes Jahrzehnt ist für Deutschland zu Ende gegangen»
«Ein gutes Jahrzehnt ist für Deutschland zu Ende gegangen – von nun an werden wir eine ganze Weile zu kämpfen haben», sagt Andreas Scheuerle von der Dekabank, der eine Rezession im Winter kommen sieht.
«Deutschland ist in vielerlei Hinsicht das Sorgenkind Europas», sagte er. «Nirgendwo sonst schaden Versorgungsengpässe der Wirtschaft mehr, der Fachkräftemangel hat sich verschärft, und dann ist da natürlich noch unsere extrem hohe Abhängigkeit von russischem Gas.»
Die Immobilienpreise könnten aufgrund der vielen Unsicherheiten ins Schleudern geraten. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Verkauf?
Höchstens ein Mini-Wachstum im zweiten Quartal
Am Freitag anstehende Daten werden zeigen, wie sich die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal entwickelt hat. Die Schätzungen in einer Bloomberg-Umfrage reichen von einem Wachstum von 0,5 Prozent bis zu einem Rückgang in derselben Grössenordnung, was die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine verdeutlicht. Der Median der Prognosen liegt bei einem Wachstum von 0,1 Prozent.
Starke Rückgänge in Umfragen zum Geschäftsklima deuten darauf hin, dass Unternehmen und Verbraucher auf dem Rückzug sind, und die Indikatoren für Erwartungen und Auftragseingänge deuten auf weitere Schwierigkeiten in der Zukunft hin.
Die Gaspreise haben sich seit Anfang Juni mehr als verdoppelt und sind in dieser Woche um mehr als 10 Prozent gestiegen, nachdem Russland eine weitere Kürzung der Lieferungen via Nord Stream angekündigt hatte.
Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages drosselt jeder sechste Industriebetrieb seine Produktion oder stellt den Betrieb teilweise ein. Bei energieintensiven Unternehmen ist der Anteil doppelt so hoch wie anderswo.
Uniper: Das erste Opfer der Krise
Während die Bundesnetzagentur die Unternehmen auffordert, den Gasverbrauch zu reduzieren, um die Versorgung aufrecht zu erhalten, ist Uniper das erste grosse Opfer der Krise.
Der Versorger, der gezwungen war, fehlende russische Lieferungen zu höheren Preisen am Spotmarkt auszugleichen, sicherte sich letzte Woche ein 17 Milliarden Euro schweres Rettungspaket.
Unterdessen glauben mehr als 70 Prozent der Deutschen, dass sich die wirtschaftliche Lage in den nächsten fünf Jahren verschlechtern wird, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für den Spiegel ergab. Nur 11 Prozent sehen einen längerfristigen Aufschwung.
Die Meinungen der Prognostiker gehen auseinander
Die Deutsche Bank, Credit Suisse und der IWF prognostizieren für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent. Die Meinungen darüber, wie es weitergehen wird, gehen auseinander: Die Ökonomen der beiden Banken rechnen für 2023 mit einem Rückgang von 1 Prozent respektive 0,7 Prozent, während der Fonds Wachstum von 0,8 Prozent voraussagt.
(bloomberg/mbü)