Die Nervosität an den internationalen Finanzmärkten ist in den letzten Tagen nochmals deutlich gestiegen. Auslöser dafür war eine sogenannte «inverse Zinskurve» in den USA - ein eher seltenes Phänomen. Ob sie der Vorbote einer Rezession ist, bleibt umstritten.

Zur Wochenmitte ist das passiert, was im Fachjargon als «inverse Zinskurve» bezeichnet wird. In einem solchen Fall erhalten Investoren für kurzfristige Anleihen, hier also US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zwei Jahren, höhere Zinsen als für längerfristige Anleihen. Zuletzt war dies 2007 zu beobachten. Zudem ist in den USA zuletzt auch die Rendite der 30-jährigen Staatsanleihen unter zwei Prozent und damit erstmals unter den offiziellen Leitzins der US-Notenbank gefallen.

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Verkehrte Welt

Normalerweise ist es genau umgekehrt. Zehn Jahre oder noch weiter in die Zukunft zu schauen ist schwieriger, als die kurzfristige wirtschaftliche Entwicklung vorherzusagen. Daher werfen Staatsanleihen mit einer langen Laufzeit in der Regel mehr Rendite ab als die mit kürzeren Laufzeiten. Denn ein höheres Risiko muss eben angemessen honoriert werden.

Bei einer inversen Zinskurve steht dieses Gefüge Kopf. Dann schätzen die Märkte die kurzfristigen Risiken höher ein und steuern sichere Häfen an. Also den Schweizer Franken, den japanischen Yen und Gold und natürlich auch sichere Staatsanleihen.

Gründe für Anleger, sich in Deckung zu begeben, sind reichlich vorhanden. Es ist aber vor allem die Furcht, dass der mittlerweile schon mehr als ein Jahr dauernde Handelskonflikt zwischen den USA und China die Weltwirtschaft deutlich bremsen wird, oder eben gar eine Rezession auslöst.

 

 

Hinzu kommen die politische Lage in Italien, der unsichere Ausgang des Brexit und zuletzt auch die Unruhen in Hongkong. Und nicht zuletzt die schwer vorhersehbaren Tweets von US-Präsident Donald Trump, der sich bereits wieder für seinen nächsten Wahlkampf rüstet.

Dass es zu einer «Verdrehung» des Zinsgefüges kommt, liegt an folgendem Mechanismus: Die Anleger stellen sich in Erwartung einer Rezession darauf ein, dass die Notenbanken der Wirtschaft schon bald unter die Arme greifen müssen. Das drückt die Zinserwartungen vor allem auch in der längeren Frist nach unten.

Kommt eine Rezession?

Ob die inverse Zinskurse auch wirklich - wie befürchtet - zu einer weltweiten Rezession führen wird, muss sich aber zeigen. Die Chancen sind aber gross, wenn man die Vergangenheit anschaut. So ging in den letzten 50 Jahren jeder Rezession in den USA eine Inversion der Zinskurve voraus.

«Dieses Kurven-Phänomen ist bisher jeder US-Rezession vorangegangen und hat somit eine vielbeachtete Prognosekraft», meinte denn auch Sandrine Perret, Anlagestrategin bei der Bank Vontobel. Nicht ganz so eindeutig sieht dies dagegen Anastassios Frangulidis von Pictet. Die inverse Zinskurve habe frühere Rezessionen mit einem Vorlauf vor über einem Jahr zwar gut prognostiziert. «Das heisst aber nicht, dass jede Inversion zu einer Rezession führen muss», so der Chefstratege der Schweizer Privatbank.

Ganze Renditekurve rot

Für Erstaunen bei Marktteilnehmern hat zuletzt aber nicht nur die inverse Zinskurse, sondern vor allem auch die massive Verschiebung der ganzen Zinskurve nach unten gesorgt. Staatsanleihen mit negativer Rendite sind zwar kein völlig neues Phänomen, in der Schweiz wurden etwa wurde kurz nach Aufhebung des Euromindestkurses durch die Nationalbank für zehnjährige Schweizer Staatspapiere erstmals negative Zinsen bezahlt.

Seit letzter Woche hat die Rendite 10-jähriger Papiere aber die Marke von -1 Prozent unterschritten. Und es hat dazu geführt, dass hierzulande mittlerweile auch die am längsten laufenden Staatsanleihen eine negative Rendite abwerfen. Oder anders ausgedrückt: Aktuell zahlt man dem hierzulande dem Bund pro Jahr etwa ein halbes Prozent, damit man ihm bis 2064 Kredit geben darf.

(awp/mlo)

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