In vielen armen Staaten drohen wegen des Ukraine-Kriegs Nahrungsmittel knapp zu werden. Die Ukraine, eine Art Getreidekammer für die Welt, kann die Produktion nicht ungehindert exportieren.
Nachdem die Ukraine und Russland sich auf ein Getreideabkommen geeinigt haben, ist die Hoffnung aufgekommen, dass die Krise abgewendet werden kann. Doch vielleicht waren die Erwartungen zu hochgesteckt. Denn nach einem russischen Raketenangriff auf die ukrainische Hafenstadt Odessa sind die Weizenpreise am Montag wieder in die Höhe geschnellt.
Der europäische Future stieg um 2,6 Prozent auf 320,50 Euro je Tonne. Sein US-Pendant gewann gut 4 Prozent auf 7,90 Dollar je Scheffel hinzu.
«Der Markt wird nervös bleiben»
Der russische Angriff führe das Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine ad absurdum, sagte Analyst Tobin Gorey von der Commonwealth Bank.
«Der Angriff auf Odessa am vergangenen Samstag lässt Zweifel an der Wiederaufnahme der Hafenaktivitäten unter angemessenen Bedingungen aufkommen», schrieb der Analyst Agritel in einer Notiz. «Der Markt wird zwangsläufig sehr nervös bleiben, wenn es zu neuen Bombenanschlägen kommt oder Zweifel an der konkreten Umsetzung der Wiederaufnahme der Exporttätigkeit aufkommen.»
Löst das Abkommen die Krise?
Das am Freitag unterzeichnete Abkommen zielt darauf ab, die Verschiffung von drei ukrainischen Schwarzmeerhäfen, darunter Odessa, zu erleichtern, und wurde als wichtiger Schritt zur Linderung der weltweiten Nahrungsmittelkrise gefeiert. Viele Analysten und westliche Beamte waren jedoch schon bei der Unterzeichnung des Abkommens skeptisch.
Die Ukraine erklärte am Wochenende, die Raketen hätten die Getreidelager im Hafen nicht getroffen. Ein Sprecher des russischen Aussenministeriums sagte, die Raketen hätten eine ukrainische «militärische Infrastruktureinrichtung» zerstört. «Die Raketenangriffe stehen in keinerlei Zusammenhang mit der Infrastruktur, die für den Getreideexport genutzt wird. Dies wird den Beginn der Verschiffungen nicht beeinträchtigen», sagte ein Sprecher der russischen Regierung.
Die Ukraine ist auf Exporteinnahmen angewiesen
Die Ukraine macht vorerst mit den Vorbereitungen für eine Wiederaufnahme der Exporte weiter – die Regierung steht unter grossem Druck, die Getreideexporte wieder zu starten, um die durch den Krieg zerstörte Wirtschaft zu stützen.
Sobald die Exporte wieder aufgenommen werden, werden die Händler darauf achten, wie schnell die Mengen wieder ansteigen können. Normalerweise gehört die Ukraine zu den weltweit führenden Verladern von Mais, Weizen und Pflanzenöl, doch seit der russischen Invasion Anfang des Jahres, die die wichtigsten Häfen blockiert hat, sind Millionen Tonnen Getreide an den Grenzen des Landes zwischengelagert.
Zwar konnte ein kleiner Teil der Lieferungen über Strassen, Flüsse und Schienen umgeleitet werden, doch waren die Grossabnehmer gezwungen, sich anderweitig zu versorgen, was die Preise in die Höhe trieb und die Ernährungsunsicherheit weltweit verschärfte. UNO-Generalsekretär António Guterres sagte, die Wiederaufnahme des Seehandels würde diese Lücken schliessen, und forderte die vollständige Umsetzung des Abkommens.
(bloomberg/reuters/mbü)