Sie haben im Gespräch mit dem «Spiegel» das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz als «Ablasshandel für Steuerhinterzieher» bezeichnet. Warum?

Norbert Walter-Borjans: Weil das Abkommen eine Amnestie ist für jedwede Form des Steuerbetrugs - für einen Betrag, der weit unter dem liegt, was ein ehrlicher Steuerzahler in vergleichbarer Situation bezahlt hätte. Und davor gibt es noch eine zweimonatige Frist, in der Anleger ihre Schäfchen gänzlich sanktionsfrei ins Trockene bringen können. So billig sind früher die Sünder beim Ablasshandel nicht davon gekommen.

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Und wie sieht Ihre Alternative aus?

Die Besteuerung von Zinseinkünften nach dem auch in Deutschland geltenden Steuersatz ist in Ordnung, wenn sie sicher gestellt ist. Auch da sind mir die geplanten Regelungen noch zu löchrig. Für die Behandlung der Vergangenheit muss gelten: Wer ehrlich war, muss billiger davonkommen als derjenige, der jetzt Amnestie erhält.

Warum sollte sich die Schweiz auf einen anderen Deal einlassen?

Weil man sich im Leben immer zweimal begegnet und hin und wieder auch auf den anderen angewiesen ist. Zum Beispiel beim Marktzugang für Schweizer Banken.

Sie fordern einen härteren Umgang mit der Schweiz in dieser Angelegenheit. Wie würde der unter einem Bundesfinanzminister Walter-Borjans aussehen?

Hart verhandeln und freundlich miteinander umgehen ist kein Widerspruch. In einer guten Nachbarschaft sollten beide Seiten Interesse daran haben, dass die geltenden Gesetze des jeweils anderen nicht ausgehebelt werden. Man kann nicht die Voraussetzungen für den Wohlstand bei dem einen nutzen, und sich dann beim anderen den Pflichten entziehen.

Die USA haben selbst nicht die besten Erfahrungen mit Bankenpleiten und deren Auswirkungen gemacht. Glauben Sie wirklich, sie lassen es auf die Pleite einer Schweizer Grossbank ankommen?

Das müssen Sie die Amerikaner fragen. Zimperlich sind sie nicht.

Sitzen die Steinewerfer nicht im Glashaus? Die USA haben Delaware als Steuerparadies, Europa Malta - und auch deutsche Banken in Grenznähe laden Schweizer zu Steuervergehen praktisch ein.

Mir geht es nicht darum, das Verhalten der USA zum Vorbild zu erheben. Wir sollten als Nachbarn, die auch ohne Steuerflucht viel voneinander profitieren, einen fairen eigenen Weg gehen.

Sie haben nach eigenen Angaben noch viele unverwendete Steuer-CD-Daten von der Credit Suisse und Julius Bär. Reden wir dabei über Hunderte oder Tausende Datensätze?

Datensätze, also individuelle Fälle? Das ist eher eine vierstellige Zahl - ohne gleich alle vorzuverurteilen, die draufstehen.

Wie werden Sie diese Daten verwenden? Wollen Sie damit auch Druck auf die Schweiz ausüben?

Es geht doch nicht um Land und Leute. Es geht um Steuerhinterzieher und die, die dabei helfen. Wer abschleicht, soll sich nicht darauf verlassen können, dass ihm niemand auf die Schliche kommt. Das erzeugt Druck auf diejenigen, die sich ihrer Pflichten hierzulande entledigen, zugleich aber gern auf die Einhaltung von Recht und Gesetz pochen und hohe Ansprüche an Infrastruktur und Bildung für ihre Kinder anmelden. Dieser Druck ist auch gewollt.

 

Zur Person:
Norbert Walter-Borjans (SPD) ist Finanzminister des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Der promovierte Ökonom hat angekündigt, das Steuerabkommen mit der Schweiz in der deutschen Länderkammer, dem Bundesrat, zu blockieren.