Beim Bahnhof Zürich-Oerlikon steht heute die grösste Zügelaktion an, die es in der Schweiz je gegeben hat. Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) wird entlang den Gleisen um 60 Meter an einen neuen Standort verschoben.
Nach monatelangen Vorbereitungen werden Spezialisten das markante Backsteingebäude um 11 Uhr auf sechs Stahlschienen auf die Reise schicken. Am späten Mittwochnachmittag soll der 80 Meter lange, 12 Meter breite und 6200 Tonnen schwere Koloss am neuen Standort ankommen. Ein solch grosses Gebäude wurde in der Schweiz noch nie verschoben.
Vorangetrieben wird das auf Stahlträgern abgestützte Gebäude von zwei Hydraulikpressen. Zwei weitere stehen für allfällige Richtungskorrekturen bereit. Gleiten wird das Gebäude auf 500 Stahlrollen mit durchschnittlich 4 Metern pro Stunde.
Nach jeweils 60 Zentimetern müssen die Hydraulikpumpen neu platziert werden. Verläuft alles planmässig, soll die Aktion innerhalb von 15 Stunden abgeschlossen sein.
Spezialfirma aus Morgarten
Verantwortlich für die Verschiebung zeichnet die Iten AG, eine kleine Spezialfirma aus dem zugerischen Morgarten, die auf diesem Gebiet grosse Erfahrungen hat. Das Unternehmen von Ingenieur Peter Iten hat in den vergangenen 60 Jahren rund 400 Häuser, Brücken und andere Objekte verschoben.
Das grösste bisher verschobene Gebäude war die Kirche St. Blaise am Neuenburgersee mit einer Länge von 40 Metern. Das MFO-Gebäude ist doppelt so lang. Die Verschiebung in Längsrichtung berge bei einem solch langen Gebäude Risiken bezüglich allfälliger Senkungen, sagte Iten. Es sei aber «alles Erdenkliche» vorgekehrt worden, dass das Gebäude heil am neuen Standort ankommen werde.
Die spektakuläre Verschiebung hat einen riesigen Rummel ausgelöst. Das Schweizer Fernsehen überträgt die Aktion auf SF zwei live. Neben zehn Kameras wird auch eine Drohne eingesetzt, die Bilder aus der Luft in die Stuben bringt. Auch im Internet kann die Verschiebung in einem Live-Stream jederzeit mitverfolgt werden.
Platz für neue Gleise
Das Direktionsgebäude der MFO gilt als letzter Zeuge der Industrie des 19. Jahrhunderts in Oerlikon. Es wurde 1889 als Verwaltungssitz der MFO gebaut. Das Unternehmen produzierte ab 1876 vor allem Werkzeuge, Maschinen, Waffen und Elektrolokomotiven. 1967 wurde die MFO von der BBC, der heutigen ABB, übernommen.
Platz machen muss das 123-jährige Gebäude zwei neuen Gleisen der Zürcher Durchmesserlinie. Lange Zeit sah es nach einem Abbruch aus. Erst als sich die Bevölkerung zur Wehr setzte, konnten sich nach langem Hin und Her SBB, ABB und Swiss Prime Site (SPS), die neue Besitzerin des Gebäudes, auf eine Verschiebung einigen. Den grössten Teil der Kosten von rund 11 Millionen Franken trägt die SPS.
(tno/sda)