In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres war der Schweizer Markt gefangen in einem Zusammenspiel der Hoffnung, dass die Inflation und die Zinsen allmählich den Höhepunkt erreicht oder überschritten haben - und der Befürchtung, dass die hohen Kreditkosten die Wirtschaft in den USA und Europa in eine Rezession zwingen.
Doch wirklich prägend war die Bankenkrise, wie Raiffeisen-Anlagechef Matthias Geissbühler auf Anfrage von cash.ch sagt. «Ausgehend vom Kollaps der Silicon Valley Bank sind die Wogen bis nach Europa übergeschwappt und haben zum überraschenden Ende der Credit Suisse geführt», führt Geissbühler aus. Diese Entwicklung habe den Anlegerinnen und Anlegern drastisch vor Augen geführt, dass die abrupte und massive Zinswende nicht ohne Kollateralschäden vonstattengehen kann - und wird.
Fakt ist aber auch, dass die schwelende Bankenkrise die Schweizer Börse Anfang März nach einem äusserst positiven Jahresstart (bisher) nicht nachhaltig in die Tiefe ziehen konnte. Vielmehr befeuert die wieder aufkeimende Hoffnung auf bald sinkende Zinsen den Kaufwillen in den letzten zwei Wochen, so dass der als defensiv geltende Swiss Market Index (SMI) 2023 knapp 3 Prozent höher steht.
Im SMI stehen vierzehn Gewinner sechs Verlierern gegenüber. Die Rendite reicht von minus 71 Prozent bei der aufgekauften Grossbank Credit Suisse bis plus 22 Prozent beim Zementhersteller Holcim. Die Aktie des zunehmend führenden Anbieters von Baustofflösungen ist wieder auf das Kursniveau vom April 2021 vorgestossen.
«Bei Holcim ist die positive Kursentwicklung unternehmensspezifisch. Unter dem CEO Jan Jenisch hat der Konzern einen fulminanten Wandel vollzogen und liefert seit Quartalen sehr solide Zahlen ab», kommentiert Geissbühler die Entwicklung beim Zementkonzern. Zudem war (und ist) die Aktie laut dem Raiffeisen-Anlagechef unterbewertet.
Kein einheitliches Sektoren-Bild im SMI
Die übrigen Gewinneraktien stammen aus verschiedenen Sektoren: Der Luxusgüterhersteller Richemont (+21 Prozent) profitiert an der Börse von der China-Öffnung und der Abkehr von der restriktiven Covid-Politik im «Reich der Mitte». Dieser Ausblick treibt die Fantasie an, obwohl sich das Wachstum in China zuletzt abgeschwächt hat. Mit Swiss Life (+18 Prozent) weist auch ein Versicherer eine überdurchschnittliche Kursentwicklung im SMI auf. Der Finanzkonzern ist 2022 weiter gewachsen und will zur Freude der Anlegerinnen und Anleger auch mehr Dividende zahlen.
Der Telekommunikationskonzern Swisscom (+13 Prozent) steht neben Zyklikern wie Geberit (+16 Prozent) oder Sika (+14 Prozent) in der Anlegergunst, was sicherlich auch hier an der trotz Kursanstieg hohen Dividendenrendite von 3,8 Prozent liegen dürfte. Doch langfristig ist fraglich, ob die defensive Aktie weiter in die Höhe gehen wird, da der als Bondersatz geltende Titel in der Kurshistorie jeweils zu einem Durchschnittswert zurückkehrte.
Die Krisen-Grossbank Credit Suisse (-71 Prozent) führt wie letztes Jahr die Verliererliste an, da abfliessende Kundengelder, sinkendes Marktvertrauen und schlussendlich der «Zwangsverkauf» an die UBS den Aktienkurs in die Tiefe gezwungen haben. Die Aktie der UBS hat ihrerseits im ersten Quartal 9 Prozent zugelegt. Auch der Computerzubehörhersteller Logitech (-9 Prozent) setzt den letztjährigen Abwärtstrend fort, nachdem dieser Mitte Januar einen enttäuschenden Ausblick bekanntgegeben und von einer begrenzten Visibilität gesprochen hatte.
Roche (-10 Prozent) befindet sich trotz steigender Konzernumsätze hingegen in einer Übergangsphase mit grösseren Unsicherheiten bezüglich der Pipeline. «Roche leidet weiterhin unter den Patentabläufen der wichtigen Krebsmedikamenten Avastin, Herceptin und Rituxan. Zudem fallen auch in diesem Jahr 'Corona-Einnahmen' weg. Hinzu kamen Enttäuschungen in der Medikamentenentwicklung», sagt Geissbühler. Die Aktie werde mit einem deutlichen Discount zum Gesamtmarkt bewertet. Für langfristig orientierte Anleger sei der Titel auf diesen Niveaus ein Kauf.
Pennystocks als grosse Verlierer und Gewinner
Der eher zyklische Swiss Performance Index (SPI) hat seit Anfang Januar gut 5 Prozent dazugewonnen. Eine annähernd schlechte Kursentwicklung wie bei der Credit Suisse findet sich am breiten Markt bei Talenthouse (-57 Prozent) oder Santhera (-55 Prozent). Nach dem Dezember-Höhenrausch - dank einer Studie, die man selbst in Auftrag gegeben hatte - ist die Kursfantasie beim Biotech-Titel schnell entwichen.
Schon seit längerem auf dem absteigenden Ast sind der Vermögensverwalter GAM (-42 Prozent) - er soll anscheinend dringend einen Käufer suchen - und Swiss Steel (-38 Prozent). Der Stahlhersteller erwartet dieses Jahr einen Umsatz- und Margenrückgang. Mit Achiko (-43 Prozent) oder Relief Therapeutics (-34 Prozent) finden sich zwei weitere Pennystocks bei den SPI-Flops wieder, die in der Corona-Pandemie teils gewaltige Zuwächse verzeichnet hatten.
Tops und Flops im SPI
Bei den Gewinnern führen mit Newron Pharmaceuticals (+281 Prozent) und Addex Therapeutics (+79 Prozent) zwei eher spekulative Biotech-Titel das Feld an. Auf dem dritten Platz befindet sich die Versandapotheke Zur Rose, deren Aktien vom Verkauf des Schweizer Geschäfts an die Migros beflügelt wurden. Die gestärkte Kapitalbasis stösst bei den Investoren auf Gegenliebe und erwischte vor allem die Leerverkäufer auf dem falschen Fuss. Zu den Gewinnern gehören der Präzisionsmaschinenhersteller Mikron (+35 Prozent), der Lagerlogistiker Interroll (+34 Prozent) oder der Automobilzulieferer Autoneum (+31 Prozent).
Gerade die Entwicklung bei Autoneum erstaunt auf den ersten Blick, lässt das Unternehmen nach dem Gewinneinbruch doch die Dividende ausfallen. Positiv stimmt die Investoren vielmehr, dass die Borges-Akquisition den Umsatz bereits in diesem Jahr deutlich ausdehnen dürfte. Ein schönes Comeback legt auch der Backwarenkonerzn Aryzta (+39 Prozent) hin, der im letzten Halbjahr den Umsatz deutlich gesteigert hat und den Transformationsprozess schneller als erwartet vorantreibt.
Zinshoffnungen sind verfrüht
Die trotz Bankenkrise positive Entwicklung am Schweizer Aktienmarkt ist den Zinshoffnungen geschuldet. Doch gerade hier warnt der Raiffeisen-Anlagechef Geissbühler davor, dass die Kerninflation und damit auch die Leitzinsen hochbleiben dürften.
Er rechnet zudem damit, dass im kommenden Quartal eine spürbare Verlangsamung der Konjunkturdynamik stattfinden wird. Die Öffnung in China und das Ausbleiben einer echten Strommangellage in Europa habe zwar die befürchtete Rezession im Winter verhindert. Aufgeschoben sei aber nicht aufgehoben.
«Wir gehen davon aus, dass die meisten europäischen Staaten im Jahresverlauf eine technische Rezession durchlaufen werden. Dies dürfte sich auch in der Gewinnentwicklung vieler Zykliker negativ niederschlagen,» fügt Geissbühler an. Aus diesem Grund erachtet er auch die Erholung bei den Zyklikern als verfrüht und setzt auf eine defensive Ausrichtung mit einem Fokus auf Qualitätstitel.