Die Schweizer Industrie boomt trotz Franken-Stärke. Auf Linkedin sorgt eine Grafik gerade für mächtig Aufsehen, die der Chief Investment Officer der Genfer Privatbank Syz postete. Sie zeigt, dass die Schweizer Industrieproduktion seit 2011 um rund 40 Prozent stieg, während sie in Deutschland um 5 Prozent zurückging und in der EU ungefähr gleich blieb. Grundlage dafür sind Zahlen der weltgrössten Finanzagentur Bloomberg.

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Wie erklärt sich die gewaltige Differenz? Zumal der Schweizer Franken zum Euro im gleichen Zeitraum um 25 Prozent zulegte, was eigentlich die Exporte ausbremsen sollte. Für Charles-Henry Monchau (51) gibt es eine «einfache Erklärung», wie er gegenüber Blick sagt.

Während die Industrieproduktion in der EU seit 2011 stagnierte und in Deutschland sank, stieg sie in der Schweiz um 40 Prozent.

Während die Industrieproduktion in der EU seit 2011 stagnierte und in Deutschland sank, stieg sie in der Schweiz um 40 Prozent.

Quelle: Syz research

Drei Sektoren lassen Kassen klingeln

«In der Schweiz gibt es einige wichtige Sektoren mit sehr hoher Wertschöpfung, die sich immer noch von der Konkurrenz aus den Schwellenländern abheben. Dies sind Pharma, Uhren und Chemie», so Monchau. Obwohl auch die Schweizer Industrie in vielen Bereichen Marktanteile an Länder wie China verlor, konnten die drei Sektoren die Verluste mehr als ausgleichen.

So verloren die Sektoren Textilien (–27 Prozent), elektrische Ausrüstungen (–11 Prozent), Metallerzeugnisse (–12 Prozent) und Maschinen (–16 Prozent) seit 2011 deutlich. Pharma (+189 Prozent), Chemie (+67 Prozent) und Uhren (+37 Prozent) legten dafür massiv zu.

«Deutschland deindustrialisiert sich»

Die Schweizer Industrie wird von diesen drei Sektoren angetrieben. In der Eurozone mangelt es dagegen an solchen Bereichen mit hoher Wertschöpfung und wenig Billigkonkurrenz. Das betrifft ganz besonders Deutschland. Auch in einem breiteren Vergleich mit weiteren wirtschaftlich wichtigen Ländern schneiden unsere nördlichen Nachbarn besonders schlecht ab und stehen nur knapp vor Japan, wo die Industrieproduktion sogar um 10 Prozent zurückging.

«Deutschland deindustrialisiert und entreichert sich», kommentierte Christoph Keese (60), ehemaliger Journalist und Manager bei Axel Springer. Heute liege das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz fast doppelt so hoch wie in Deutschland. In Zahlen: Laut IWF betrug das BIP pro Kopf in der Schweiz 2022 93'700 Dollar und in Deutschland 48'800 Dollar.

China bleibt die Werkbank der Welt

Generell ist der Trend zur Deindustrialisierung in allen Industrieländern sichtbar. Mit einem Plus von 20 Prozent schneidet von diesen neben der Schweiz nur Südkorea gut ab. Das ist aber kein Vergleich zum Plus von 140 Prozent, das die chinesische Industrie seit 2011 verzeichnet. Indien legte im gleichen Zeitraum um rund 50 Prozent zu.

China bleibt also trotz allen Unkenrufen die Werkbank der Welt. Etwa 30 Prozent der weltweiten Industrieproduktion findet in China statt. Eine «Reindustrialisierung» in Hochpreisländern, wie es Donald Trump (78) und Kamala Harris (59) für die USA anstreben, werde hingegen sehr schwierig, sagt Monchau.

Erfolgsgeheimnis ist die Spezialisierung

«Die Schweiz bildet eine bemerkenswerte Ausnahme», so Monchau. Obwohl Produkte mit geringer Wertschöpfung auch hierzulande unter der wachsenden Konkurrenz der Schwellenländer leiden, kann sie ihre industrielle Basis bewahren. Denn die Schweizer Industrie ist stark in hoch spezialisierten Bereichen, in denen hohe Gewinne erzielt werden. Daran ändert auch die aktuelle Schwäche der Uhrenindustrie in diesem Jahr nichts.