Die Corona-Pandemie hat die Welt seit einem Jahr im Griff, dabei gibt es Länder, welche die Krise besser meistern als andere. In Europa zählen dazu die skandinavischen Staaten. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) bezeichnet sie aufgrund ihres Gesellschaftsmodells als die «vielversprechendste» Region, um einen nachhaltigen Weg aus der Krise zu finden. 

Der Grund für diese Überlegenheit sind laut der britischen Grossbank HSBC grosszügige soziale Sicherheitsnetze und ein hoher Digitalisierungsgrad. Bereits jetzt ist klar, dass Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland während der Covid-Krise einen geringeren wirtschaftlichen Rückschlag erlitten haben als etwa die Länder der Eurozone oder Grossbritannien.

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Auch wenn ihr Umgang mit Covid-19 alles andere als perfekt ist – Schwedens Anti-Lockdown-Strategie und die hohe Sterblichkeitsrate wurden sogar von König Carl Gustaf kritisiert, während Dänemarks Kampf gegen eine Coronavirus-Mutation in einer verpfuschten Keulung von Nerzen gipfelte – bleibt unter dem Strich ein Bild der wirtschaftlichen Stärke.

Laut dem WEF-Bericht vom Dezember über globale Wettbewerbsfähigkeit ist die nordeuropäische Region derzeit am besten aufgestellt, ein «produktives, nachhaltiges und integratives Wirtschaftssystem» zu erreichen. Nach Kontroversen über die Vorzüge des nordischen Modells – einschliesslich des Vorwurfs von Trump-Beratern, die Region beweise, wie «Sozialismus den Lebensstandard senkt» und in den gleichen Korb wie Venezuela gehöre – fällt es heute positiv auf.

Nordisches Modell

Die kleinen und exportorientierten Nordeuropäer haben lange Zeit hohe Steuern, die in die Ausgaben des öffentlichen Sektors fliessen, mit wirtschaftlicher Effizienz und technologischer Innovation kombiniert.

«Gefüllte Staatskassen, ein dichtes soziales Sicherheitsnetz und eine grössere Abhängigkeit von Sektoren, die von zu Hause aus arbeiten und online verkaufen können, haben den skandinavischen Ländern während der Covid-19-Krise geholfen», sagt die «Bloomberg»-Ökonomin Johanna Jeansson.

Die Skandinavier zahlen weltweit mit die höchsten Steuern, und die Bürger erkennen dies als notwendig an, um eine stabile Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Das wiederum schafft eine stabile Steuerbasis, was bedeutet, dass die nordische Staatsverschuldung eine der niedrigsten in der Europäischen Union ist.

Diese niedrige Verschuldung ermöglichte es der Region, die regelmässig die weltweiten Glücksrankings anführt, mit dem natürlichen Vorteil in die Krise zu gehen: bereits reich zu sein und mehr Geld ausgeben zu können.

Auch bei der Gleichstellung der Geschlechter rangieren die nordischen Länder weit oben. Die Tatsache, dass schwedische Schulen und Kindergärten geöffnet blieben, könnte erklären, warum die Arbeitslosigkeit unter Frauen auf dem Höhepunkt der Pandemie weniger stark anstieg als die Arbeitslosigkeit unter Männern, verglichen mit dem EU-Durchschnitt, sagt Johanna Jeansson.

In Norwegen ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern bei der Erwerbsbeteiligung in diesem Jahr sogar zurückgegangen, nachdem die Regierung die bezahlte Freistellung für die Betreuung von Kleinkindern erweitert hat.

Warum die nordische Region so gut aufgestellt ist, um mit weniger Narben aus der Krise hervorzugehen als andere Länder, erklären wir hier im Detail:

Das soziale Sicherheitsnetz

Die skandinavischen Länder bieten alle eine universelle Wohlfahrtsunterstützung, einschliesslich Gesundheitsversorgung und grosszügiger Arbeitslosenunterstützung. Das führt dazu, dass die Menschen sich weniger Sorgen um verlorene Arbeitsplätze und Einkommen machen als anderswo, was den Weg für eine schnellere Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivität ebnet, wenn die Beschränkungen schliesslich aufgehoben werden, so HSBC-Ökonom James Pomeroy.

«Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass es sich in der Pandemie im Wesentlichen als der beste Weg erwiesen hat, die Dinge am Laufen zu halten, wenn man den Menschen Geld in die Taschen steckt», sagte Pomeroy.

Laut einer Studie der EU-Agentur Eurofound lagen Dänen und Schweden bei der Einschätzung ihrer finanziellen Situation im Juli im Vergleich zu den drei Vormonaten an der Spitze der 27 Länder der Europäischen Union, während die Finnen auf Platz 7 lagen.

Die «genügsamen Vier»

Die Erfahrungen der Region mit Bankenkrisen in den 1990er Jahren sowie die globale Finanzkrise 2008 haben die Skandinavier vorsichtig werden lassen, was die Aufnahme von öffentlichen Schulden angeht. Aufgrund jahrelanger Vorsicht haben die Regierungen jetzt den Spielraum, mehr auszugeben, um die Wirtschaft in der aktuellen Notlage zu unterstützen.

Norwegen, das den grössten Staatsfonds der Welt hat, ist eine Klasse für sich, wenn es um fiskalischen Handlungsspielraum geht. Schweden und Dänemark haben eine Verschuldung von etwa 40 Prozent des BIP, während Finnland mit fast 70 Prozent die höchste Schuldenquote in der Region aufweist. Es ist jedoch immer noch weniger als die Hälfte der Quote in Italien, im EU-Durchschnitt liegt sie bei rund 90 Prozent.

Schwedens starke öffentliche Finanzen erlauben es dem Land, eine expansive Fiskalpolitik in Kombination mit Strukturreformen umzusetzen, sagte die schwedische Zentralbank Riksbank im November und nannte Investitionen in Humankapital und Infrastruktur sowie eine «umfassende» Steuerreform als mögliche Optionen.

In Dänemark sagte Zentralbankchef Lars Rohde, dass «die Ausgangsposition mit niedriger Staatsverschuldung und Haushalten und Unternehmen mit vernünftigen Finanzen bedeutet, dass wir besser durchkommen können.»

Die Digitalisierung

Als die Pandemie die Welt dazu zwang, soziale Distanzierungsmassnahmen, Heimarbeit und digitalen Schulunterricht einzuführen, waren nur wenige Regionen so gut vorbereitet wie die nordischen Länder. Die jahrelangen Investitionen in Computertechnologie, Internetverbindungen und die Vermittlung digitaler Fähigkeiten zahlen sich nun aus.

Laut Eurostat-Daten meldeten Finnland und Schweden für das zweite Quartal 2020 den geringsten Rückgang der Arbeitsstunden in der EU: im Vergleich zu den letzten drei Monaten des Jahres 2019 wurde auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle nur knapp 5 Prozent weniger gearbeitet. Norwegen, das kein EU-Mitglied ist, lag auf einem ähnlichen Niveau. Dänemark belegte den sechsten Platz im EU-Vergleich.

«Die Teile der Welt, die am meisten unter der Pandemie gelitten haben, sind diejenigen, die nicht in der Lage sind, auf Knopfdruck digital zu werden», sagte Pomeroy von HSBC. «Wenn man eine sehr digital-affine Bevölkerung hat, ist man in Bezug auf die Produktivität für die Zukunft sehr gut aufgestellt.»

(bloomberg/mlo)