Während in Grossbritannien der Brexit-Krimi weitergeht, nachdem die Parlamentarier nun alle Alternativen zum weiteren Verlauf abgelehnt haben, wird die Frage nach den Auswirkungen immer ungewisser. Obwohl die Schweiz sich für den Fall eines No Deals teilweise gewappnet hat, wird der Brexit auch hierzulande spürbar sein.
So haben beide Länder in den vergangen Monaten fünf bilaterale Abkommen geschlossen, die nach dem Brexit in Kraft treten sollen. Darin werden die Bürgerrechte von über 34'000 Schweizern geregelt, die in Grossbritannien leben – respektive von 41'000 Briten hierzulande.
Die anderen Abkommen betreffen Versicherungen, den Strassenverkehr und den Luftverkehr – 160 Flüge gibt es täglich zwischen beiden Ländern. Im Februar wurde ein bilaterales Handelsabkommen unterzeichnet.
Brexit-Folgen: 5 Prozent tieferes BIP…
Grossbritannien und die Schweiz haben enge Handelsbeziehungen: Im vergangenen Jahr verkaufte die Schweiz Waren für 8,8 Milliarden Franken in Grossbritannien – und importierte von dort für 7,8 Milliarden. Schweizer Unternehmen hatten zuletzt 51 Milliarden Franken im Vereinigten Königreich investiert.
Welches Szenario auch immer eintritt und wie die künftige Beziehungen zur EU aussehen werden, fest steht: Der Brexit wird sich langfristig negativ auf die britische Wirtschaft auswirken.
…oder sogar mehr als 10 Prozent
Die Prognosen weichen zwar teilweise stark voneinander ab. Doch sollte Grossbritannien im Jahr 2030 tatsächlich weder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sein noch ein Freihandelsabkommen mit der EU haben, so könnte das Bruttoinlandsprodukt 5 Prozent niedriger sein als beim Verbleib in der EU. Das ist die durchschnittliche Schätzung zahlreicher Brexit-Studien.
Eine der dramatischsten Prognosen zeigte die Bank of England auf: Die Notenbank schätzt, dass im schlimmsten Fall – das heisst bei einem ungeordneten No Deal – die Wirtschaft kurzfristig um über 10 Prozent einbrechen könnte. Das wären gravierendere Folgen als nach der Finanzkrise 2008.
Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft
Auf die Schweiz würde sich vor allem auch eine Abschwächung der Wirtschaft in der EU negativ auswirken. Die Folgen für die EU sind zwar wesentlich geringer, schlimmstenfalls könnte der Brexit die EU-Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren fast ein Prozent des BIP kosten – sofern es keine enge Anbindung Grossbritanniens etwa im Rahmen des EWR gibt.
Laut der ETH-Konjunkturforschungsstelle KOF drückte ein um 1 Prozent geringeres EU-BIP in der Vergangenheit das Schweizer Wirtschaftswachstum um 0,2 bis 0,3 Prozent. Die KOF-Ökonomen rechnen kurzfristig nur mit geringen direkten Folgen – auf lange Sicht könnten die Folgen aber durchaus gravierender sein.
Gleichzeitig könnten diese aber auch wieder aufgewogen werden durch positive Effekte durch das Handelsabkommen mit Grossbritannien: Zum Beispiel könnte sich der bilaterale Handel verstärken. Eine weitere Unsicherheit ist allerdings das künftige Verhältnis der Schweiz zur EU, von dem mögliche wirtschaftliche Folgen abhängen, so die KOF-Experten.
Sollten die britischen Parlamentarier in diesen Tagen keinen Ausweg finden, könnte es am 12. April zu einem ungeordneten Brexit kommen – mit verheerenden Folgen, falls die Bank of England die Lage richtig einschätzt.