Der Franken sei heute 10 Prozent gegenüber dem Euro überbewertet: Dies sagen die Ökonomen der Credit Suisse im «Monitor Schweiz» für das zweite Quartal 2019. Und dieser Zustand, so sagen sie weiter, wird anhalten: Er könnte sich sogar noch verschärfen. In fünf bis zehn Jahren sei sogar die Parität zwischen Euro und Franken wahrscheinlich. Mehr noch: Es sei nur eine Frage der Zeit, und die Schweizer Industrie müsse sich darauf einstellen, denn einzelne Branchen sind unterschiedlich gut darauf vorbereitet.
Gewiss: Eine allzu abrupte Währungsaufwertung werde die Schweizerische Nationalbank (SNB) zu verhindern versuchen, sie werde am Devisenmarkt intervenieren – so wie sie es auch in den vergangenen Jahren massiv getan hat.
Doch weshalb dieser Dauerdruck? Die überbewertete Schweizer Währung hat laut der CS-Analyse vor allem mit der tieferen Teuerung hierzulande zu tun, ferner mit dem Aussenhandelsüberschuss. Gleichzeitig steigen die Preise in der Eurozone seit Jahren viel stärker.
Gesucht: Der «faire Wert» des Franken
Auf der anderen Seite sei es ein Mythos, dass der Franken notorisch überbewertet sei. Man habe es mit einem neueren Phänomen zu tun: Zwischen 2003 und 2010 war die Schweizer Währung eher unterbewertet. Der Euro-Franken-Kurs war deutlich höher als angemessen gewesen wäre, so die CS-Experten.
Sie haben den sogenannten «Fair Value» berechnet, also einen theoretisch korrekten Wert des Franken, gemessen an der Kaufkraftparität.
Dieser «Fair Value» liegt zum Euro derzeit bei 1,24 Franken. Und so ist die helvetische Devise mit ihrem heutigen Wechselkurs von 1,12 also um fast 10 Prozent überbewertet.
Je niedriger die Inflation in der Schweiz im Vergleich zur Eurozone, desto tiefer auch der «faire Wert». Nach Einschätzung der CS-Ökonomen wird er weiter sinken und in etwa fünf Jahren dem Wechselkurs entsprechen.
«Die Frage ist nicht, ob die Euro-Franken-Parität kommt, sondern wann», sagt Claude Maurer, der die Konjunkturanalyse Schweiz bei der Grossbank leitet.
Für die meisten Branchen ist der Franken überbewertet
Die Schweizer Wirtschaft profitierte jahrelang von den günstigen Währungsbedingungen und baute Kapazitäten auf. Aufgrund des überbewerteten Frankens mussten diese dann wieder abgebaut werden, viele Unternehmen gerieten unter Druck. Laut CS war dabei aber vor allem der abrupte Wechsel von der Unterbewertung Frankens zur Überbewertung schmerzhaft.
Obwohl sich viele Unternehmen an den zu schwachen Euro seither angepasst haben, sei selbst der heutige Wechselkurs für die meisten Industriebranchen zu teuer. Die Pharmaindustrie steht am besten da, gefolgt von der Uhrenindustrie. Für die Schweizer Maschinenbauer hingegen ist die Überbewertung ein grösseres Problem.
Der Preis der Hochpreisinsel
Wie passen sich die Unternehmen an, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Etwa durch Auslagerungen in die Eurozone, um die Löhne in Euro zahlen zu können. So rechnen die CS-Experten rechnen vor allem in der Textil-, Fahrzeug- und Lebensmittelindustrie mit einer weiteren Verlagerung der Tätigkeit ins Ausland.
Davon betroffen werden insbesondere Arbeitsplätze in der Produktion, die in der Schweiz schlicht zu teuer seien, um im preislichen Wettbewerb standzuhalten. Vor allem in Krisenzeiten könnten Arbeitsplätze schnell verschoben werden. Das sei der Preis der Hochpreisinsel Schweiz.
So lautet auch das Fazit von Oliver Adler, CS-Chefökonom für die Schweiz: «Der Franken ist höchst ungeeignet für die Schweizer Industrie.»