Auf den ersten Blick bestätigt die Meldung zum Wachstum der US-Wirtschaft im ersten Quartal alle bereits vorhandenen Sorgen um einen Absturz der dortigen Konjunktur. Auf ein Jahr hochgerechnet (annualisiert) ist das Bruttoinlandprodukt (BIP) um 1,4 Prozent eingebrochen, während es noch im Quartal zuvor, dem letzten von 2021, um 6,9 Prozent gewachsen ist.
Schaut man sich die Zahlen genauer an, sieht das Bild sehr viel weniger drastisch aus. Die wichtigsten Gründe:
- Sorgen um die US-Wirtschaft sind dann angesagt, wenn die Nachfrage der Amerikanerinnen und Amerikaner und der US-Unternehmen in den USA selbst einbricht. Und das wäre auch beunruhigend für die Wirtschaft von Exportnationen wie der Schweiz. Doch das ist nicht geschehen. Im Gegenteil: Die Konsumausgaben stiegen im ersten Quartal annualisiert um 2,7 Prozent, die Unternehmen gaben 9,2 Prozent mehr aus für Ausrüstung und Forschung und Entwicklung. Alle Zahlen stehen für ein Realwachstum. Das heisst, sie sind bereits um Preisänderungen korrigiert.
- Der Einbruch des Wachstums liegt vor allem an einem Rückgang der Nettoexporte um 3,2 Prozent und einem Abbau von Lagern. Der Rückgang der Nettoexporte resultiert aus geringeren Exporten und höheren Importen, beides drückt die Nettoexporte ins Minus und erhöht das Aussenhandelsdefizit. Die wachsenden Importe stehen ebenfalls für den zunehmenden Konsum in den USA, genauso wie der Lagerabbau, auch wenn Letzterer auf den Produktionsoutput im ersten Quartal gedrückt hat. Dass die Arbeitsmärkte davon kaum belastet wurden, zeigt sich allein am Umstand, dass die Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung sich bei einem historischen Tiefstand befinden.
- Die neuen annualisierten Quartals-Wachstumszahlen müssen weiter relativiert werden, weil sie sehr volatil ausfallen und keineswegs für ein Jahreswachstum stehen. Faktisch wird das aktuelle Wachstum im Vergleich zum Vorquartal in etwa mit vier multipliziert. Zudem sind die jüngsten Daten erst vorläufige Schätzungen, die noch korrigiert werden können.
Fazit:
Die jüngsten Zahlen sind noch kein Hinweis auf eine einbrechende US-Wirtschaft. Das hat aber für die Zukunft nur eine beschränkte Aussagekraft. Vor allem der erwartete deutliche Zinsanstieg durch die US-Notenbank Fed droht die Wirtschaft in naher Zukunft stark zu belasten.
Grund für ein solches Vorgehen ist die anhaltend sehr hohe Inflation in den USA, die auch für sich die Nachfrage zu belasten droht. Im März ist sie auf 8,5 Prozent angestiegen. Getrieben wird sie durch eine starke Nachfrage, aber auch durch steigende Rohstoff- und Produktpreise als Folge der russischen Invasion in die Ukraine, Lockdowns in China und weiteren anhaltenden Schwierigkeiten in den internationalen Wertschöpfungsketten.