Die wirtschaftliche Erholung Chinas hat sich im Juli unerwartet abgeschwächt. Neue Covid-Ausbrüche im ganzen Land belasteten die Ausgaben von Konsumenten und Unternehmen, was die Wachstumsaussichten weiter eintrübte und die Zentralbank zu einer überraschenden Zinssenkung veranlasste.
Wie das Nationale Statistikamt am Montag mitteilte, stieg die Industrieproduktion im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent und lag damit unter den 3,9 Prozent vom Juni und unter den Prognosen der Ökonomen, die einen Anstieg von 4,3 Prozent erwartet hatten.
Die Einzelhandelsumsätze stiegen langsamer als erwartet um 2,7 Prozent, während die Anlageinvestitionen in den ersten sieben Monaten des Jahres um 5,7 Prozent stiegen, was ebenfalls unter den prognostizierten 6,2 Prozent lag. Die Arbeitslosenquote sank von 5,5 Prozent auf 5,4 Prozent.
Lockdown auf Hainan
Die Zero-Covid-Politik hat es schwer gemacht, die zuvor erkämpften wirtschaftlichen Fortschritte zu erhalten, da die Bedrohung durch wiederholte Lockdowns weiter besteht. Während die Zahl der Fälle in Schanghai und den umliegenden Provinzen im vergangenen Monat gering war, stieg sie in Orten wie der östlichen Provinz Anhui, Xi'an und dem Produktionszentrum Wuxi an.
Auch auf der Ferieninsel Hainan kam es im August zu einem sprunghaften Anstieg der Fälle. Die Behörden haben Feriengäste eingesperrt, Flüge gestrichen und Geschäfte geschlossen, um die Ausbreitung einzudämmen.
Kein offizielles Wachstumsziel mehr
Unabhängige Daten deuten darauf hin, dass die Erholung der Wirtschaft noch lange nicht gesichert ist. Der Lastwagen-Verkehr – ein Indikator für die Wirtschaftsleistung – war im Juli deutlich niedriger als zur gleichen Zeit des Vorjahres, und die Verkäufe von Eigenheimen sind im letzten Monat gegenüber dem Vorjahr stark zurückgegangen.
Peking hat den Ton in Bezug auf das für das Gesamtjahr angestrebte Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von rund 5,5 Prozent abgeschwächt. Auf einer hochrangigen Sitzung des Politbüros im Juli kam man zu dem Schluss, dass das Land «das bestmögliche Ergebnis» für das Wirtschaftswachstum erzielen sollte, ohne jedoch spezifische nationale Wirtschaftsziele zu nennen.
Düstere Aussichten für die nächsten Monate
Die Regierung kündigte auf dieser Sitzung keine grossen Konjunkturmassnahmen an, sondern betonten stattdessen die bessere Umsetzung der bestehenden Politik. Auch die Zentralbank wiederholte vor kurzem ihr Versprechen, massive Konjunkturmassnahmen und übermässiges Gelddrucken zur Ankurbelung des Wachstums zu vermeiden.
Am Montag senkte die chinesische Zentralbank überraschend zum ersten Mal seit Januar den Leitzins und reduzierte den Zinssatz für einjährige Kredite um 10 Basispunkte auf 2,75 Prozent. Gleichzeitig entzog sie dem Bankensystem Liquidität, indem sie die in dieser Woche fällig werdenden Kredite in Höhe von 600 Milliarden Yuan nur teilweise verlängerte.
Ohne kräftige Konjunkturimpulse scheint ein schneller Aufschwung im Stil von 2020 angesichts der durch Covid verursachten Schäden, des sich verschärfenden Immobilienabschwungs, des zunehmenden Inflationsdrucks, der nachlassenden Auslandsnachfrage und der düsteren Beschäftigungslage unwahrscheinlich.
(bloomberg/gku)