Das Unvorstellbare ist passiert: Russland führt Krieg gegen die Ukraine. Seit dem 24. Februar beschiessen russische Soldaten ukrainische Dörfer und Städte, Hunderttausende sind auf der Flucht in westliche Nachbarländer. Der Überfall auf ein souveränes Land, das nichts anderes wollte, als in Frieden und Freiheit zu leben und über sein eigenes Schicksal zu entscheiden, ist ein Tabubruch, wie ihn Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hat. Der Westen, nach Jahrzehnten des Friedens träge geworden, muss sich über Nacht neu sortieren. Europa verständigt sich nach kurzen Anlaufschwierigkeiten auf beispiellose Sanktionen, die auch direkt auf Wladimir Putin und seine Entourage zielen. Die Nato aktiviert ihre Verteidigungspläne und verlegt ihre 40’000 Männer und Frauen zählende schnelle Eingreiftruppe gen Osten. Auch das hat es, wie so vieles andere in diesen Tagen, noch nie gegeben. Der Krieg in der Ukraine ist eine Zäsur. Was aber wird sie bringen? Die Redaktion der «Handelszeitung» hat sich auf die Suche nach Antworten gemacht:
► 1. Rüstung: Aufrüsten und Abschrecken
Am augenfälligsten ist der Schnitt bei der Verteidigung. Der Wandel ist radikal. Die Einsicht, dass Freiheit und Frieden nicht umsonst zu haben sind, ist zurück. Deutschland, unter Angela Merkel notorisch unter Soll bei seinen Verpflichtungen gegenüber der Nato, möbelt seine abgewirtschaftete Bundeswehr mit einem Sonderetat von 100 Milliarden Euro auf. Die Erkenntnis, dass Diplomatie gegenüber einem brutalen Aggressor wie Wladimir Putin nur dann eine Chance hat, wenn sie mit militärischer Stärke drohen kann, gewinnt wieder an Boden. Der Westen geht in sich: «Ich bin so wütend auf uns, weil wir historisch versagt haben», schreibt die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf Twitter. Und: «Wir haben die Lehre von Schmidt und Kohl vergessen, dass Verhandlungen immer den Vorrang haben, aber man militärisch so stark sein muss, dass Nichtverhandeln für die andere Seite keine Option sein kann.»
Doch auch andere Länder gehen über die Bücher. Nato-Mitglieder rüsten auf und kaufen und produzieren alles, was es für eine moderne Kriegsführung braucht: Lenk- und Präzisionswaffen, Überschallraketen, Weltraumlaser und fliegende Kampfcomputer in Form von Drohnen und Flugzeugen sowie Cybersoldaten. Aufrüsten und Abschrecken heisst das Gebot der Stunde – auch in der Schweiz. Verteidigungsministerin Viola Amherd spricht von einer «verteidigungspolitischen Zeitenwende». FDP und SVP fordern eine Aufstockung der Schweizer Armee von 100’000 auf 120’000 Mann und einen Verteidigungsetat von 7 Milliarden Franken. Zudem dürfte hierzulande wohl manche und mancher, der Nein gestimmt hat, froh sein, dass die Schweiz der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge zugestimmt hat.
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