Die Schweizer Wirtschaft wird in diesem und im nächsten Jahr unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden. Der Shutdown lässt die Wertschöpfung einbrechen. Die Frage ist, wie tief der Einbruch ausfallen wird. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hatte noch Mitte März eine Prognose gezeichnet, die für die zweite Jahreshälfte wieder ein halbwegs günstiges Bild zeichnete.

Dann aber trat am gestrigen Mittwoch Bundesrat und Wirtschaftsminister Guy Parmelin vor die Medien und verriet, dass die Seco-Experten weitere Szenarien vorlegen. Und die sind deutlich düsterer. Man befürchtet «ökonomische Zweitrundeneffekte» – etwa Entlassungswellen und zahlreiche Insolvenzen, man müsse mit ausserordentlichen Wertschöpfungs-Einbussen rechnen.

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Wie sehen die Szenarien des Seco konkret aus?

1. Erholung in der zweiten Jahreshälfte: «V-Rezession»

In einem weniger schweren Szenario erwarten die Bundes-Konjunkturauguren eine rasche Erholung. Dies sei aber nur denkbar, wenn die Massnahmen gegen die Pandemie Ende Mai aufgehoben werden können. Auch dann würde die Schweizer Wirtschaft im laufenden Jahr um rund 7 Prozent schrumpfen, die Arbeitslosigkeit auf etwa 4 Prozent ansteigen, und Firmen würden pleitegehen. 

Denn die Produktion bricht um ein Viertel ein. Besonders hart, so die Prognose, trifft es die Industrie, unternehmensnahe Dienstleistungen, den Handel und die Bauwirtschaft. 

90 Milliarden verloren

Die Massnahmen des Bundes zur Stützung der Wirtschaft federn aber Nebenwirkungen, – sogenannte Sekundäreffekte – deutlich ab. Das heisst, es wird nicht zu einer Massenarbeitslosigkeit und nur begrenzt zu Firmenpleiten und Kreditausfällen kommen. Gleichzeitig steigt aber die Verschuldung der Unternehmen, die in Zukunft weniger investieren dürften. 

Bereits in der zweiten Jahreshälfte würde sich in diesem Szenario die Konjunktur wieder erholen – eine sogenannte V-Rezession. Im kommenden Jahr würde die Wirtschaft wieder um 8 Prozent zulegen. 

Dennoch gehen in diesem milderen Szenario der Volkswirtschaft in diesem und nächstem Jahr 90 Milliarden Franken an Wirtschaftsleistung verloren.

2. Erholung erst 2021: «L-Rezession»

Dauert der Shutdown hingegen über den Mai hinaus an – und zwar nicht nur in der Schweiz, sondern auch bei den wichtigsten Handelspartnern wie Deutschland –, so hätte das zusätzliche Folgen: Mehr Jobs gingen verloren, mehr Firmen gingen pleite. 

Wenn die Massnahmen erst ab Juni schrittweise gelockert werden, wird sich die Wirtschaft nicht bereits wieder im zweiten Halbjahr erholen. Die Rezession dauert dann länger an – es würde eine sogenannte L-Rezession –, und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpft um 10 Prozent. Erst im kommenden Jahr würde die Wirtschaft wieder um 3 Prozent wachsen. 

7 Prozent Arbeitslosigkeit

In diesem Szenario erwarten die Seco-Ökonomen immer noch keine Bankenkrise. Aber: Die Stabilität des Finanzmarkts sei aber zunehmend gefährdet – ebenso der Immobilienmarkt

Die Arbeitslosigkeit könnte in diesem Worst-Case-Szenario auf 7 Prozent ansteigen. Der BIP-Verlust wäre mit rund 170 Milliarden Franken enorm und führt laut Seco zu «sehr grossen permanenten Wohlstandsverlusten».

Da die Unsicherheit angesichts der Dauer des Shutdowns derzeit gross ist, werden die Experten des Bundes in der zweiten Aprilhälfte ihre Konjunkturprognose anpassen. Vieles hängt auch von der Entwicklung in anderen Ländern ab.

Die Konjunkturerwartungen in den Nachbarländern sind ebenso düster: Die französische Wirtschaft erleidet den grössten Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg. In Deutschland bricht die Konjunktur in diesem Quartal mehr als doppelt so stark ein wie während der Weltfinanzkrise. 

(mlo)