Eine entscheidende Frage in der Griechenland-Krise ist, wann das Land eigentlich als zahlungsunfähig eingestuft wird - denn dies würde eine Reihe von Folgewirkungen haben.
Bisher gilt der 30. Juni als Fixdatum. Denn dann muss Griechenland dem Internationalen Währungsfonds (IWF) rund 1,6 Milliarden Euro zahlen. Dann läuft auch das zweite Hilfspaket der europäischen Geldgeber aus, aus dem Griechenland Milliardenhilfen für die Bedienung der im Sommer anstehenden Kredit-Rückzahlungen etwa an die Europäische Zentralbank (EZB) leisten könnte.
Aber der 30. Juni scheint nicht unbedingt das Fixdatum zu sein. Ein Überblick, wie sich wichtige Akteure verhalten dürften, wenn Griechenland die Tranche nicht leisten würde:
Rating-Agenturen
Die grossen Rating-Agenturen wie S&P und Moody's haben bereits erklärt, dass sie einen Zahlungsausfall gegenüber dem IWF nicht als «Default» Griechenlands einstufen würden. Der Grund: Die Ratingagenturen schauen eher auf die Fälligkeiten gegenüber privaten Gläubigern - diese stehen aber im Falle Griechenlands erst in ferner Zukunft an.
IWF
IWF-Chefin Christine Lagarde hat zwar am Donnerstag betont, dass es keinen weiteren Zahlungsverzug für Griechenland geben werde. Aber ein «Default»-Urteil des IWF erwartet niemand - eher zunächst einen Mahnbrief der Organisation an Athen, doch bitte endlich zu zahlen - der aber zunächst keine rechtlichen Konsequenzen haben wird.
Euro-Rettungsfonds EFSF
Fallen die Rückzahlungen an den IWF aus, kommt auch beim EFSF ein Verzugs-Verfahren in Gang, obwohl die Griechen die Milliarden-Kredite des EFSF erst ab 2023 zurückzahlen müssen. Der EFSF könnte dann zwar theoretisch eine sofortige Rückzahlung der Darlehen von 130,9 Milliarden Euro verlangen - wird dies aller Erwartungen nach aber nicht tun.
Wahrscheinlicher ist, dass ein Rechtsvorbehalt (reservation of rights) eingelegt wird, mit dem der EFSF zunächst deutlich macht, dass er nicht auf die Rückzahlung der Kredite verzichtet.
EZB
Als entscheidende Schaltstelle für eine völlige Zahlungsunfähigkeit gilt die EZB. Griechenland muss am 20. Juli aus früheren Anleihen rund 3,6 Milliarden Euro zurückzahlen. Erst wenn diese nicht bedient werden, so erwarten Experten, muss die EZB zwangsläufig ihre derzeit noch laufenden Liquiditätshilfen stoppen.
Nach einer fehlenden Zahlung Griechenlands an den IWF könnte die EZB dagegen zunächst in einer schwierigen Grauzone verharren: Denn ohne einen festgestellten «default» müsste sie nicht zwangsläufig alle griechischen Anleihen neu bewerten - die in eigenem Besitz und die bei griechischen Banken. Das schafft einen gewissen Spielraum für die Bankenaufseher, die griechischen Banken zunächst weiter als liquide einzustufen. Dies wiederum wäre Voraussetzung dafür, dass die EZB weiter die sogenannte ELA als Liquiditätshilfe an griechische Banken zahlten dürfte. Nach einem Zahlungsausfall am 20. Juli wäre das rechtlich nicht mehr möglich.
Bank Run könnte vorentscheidend sein
Möglicherweise bewirken aber ganz andere Faktoren, dass der 30. Juni nicht das entscheidende Datum im Griechenland-Drama sein wird - denn ein Bankenansturm könnte den griechischen Finanzsektor und damit dann auch die griechische Regierung schon vorher in die Enge treiben. Entsprechende Ängste gab es bereits am Freitag.
(sda/dbe)