Selten haben einzelne Rohstoffe so stark im Rampenlicht gestanden wie 2022. Seien es Weizen, Gas oder Gold - sie alle spürten die verschiedenen Einflussfaktoren, die die Rohstoffmärkte in diesem Jahr auf Achterbahnfahrt schickten.

«Russlands Angriff auf die Ukraine Ende Februar und der seitdem wütende Krieg haben die Rohstoffmärkte durchgerüttelt», erklärt Thu Lan Nguyen, Rohstoffexpertin der Commerzbank, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Der Krieg und seine Folgen seien dann auch der massgebliche direkte Treiber für verschiedene Rohstoffpreise gewesen. Dabei hätten primär Angebotssorgen die Preise hoch getrieben.

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Tatsächlich erreichten verschiedene Rohstoffpreise gleich nach der Eskalation des Krieges Anfang März ihre bisherigen Jahreshöchststände. Erkennen lässt sich das beispielsweise am S&P GSCI-Index. Der Rohstoffindex gehört zu den anerkanntesten Benchmarks der Branche. Zwischen seinem Tief zu Beginn des Jahres bis zu seinem bisherigen Höhepunkt im Juni liegt ein Kurssprung von mehr als 50 Prozent.

Doch ist die Jahresbilanz für den Benchmark mittlerweile auf ein Plus von 21 Prozent abgeschmolzen. Das hat mit dem zu tun, was ab Mitte des Jahres einsetzte. «Die Angebotssorgen sind immer mehr Nachfrageunsicherheiten gewichen», begründet die Commerzbank-Expertin die Preisrückgänge vieler Rohstoffe.

Notenbanken kämpfen gegen Inflation

Auslöser waren einerseits die wichtigsten Notenbanken weltweit, die angesichts der galoppierenden Inflation auf einen Zinserhöhungszyklus einschwenkten. Diese rasant steigenden Zinsen waren andererseits gekoppelt mit einer strikten Null-Toleranz-Politik der chinesischen Regierung in ihrem Kampf gegen das Coronavirus. Beide Faktoren heizten die Sorgen der Anleger vor einer möglichen Rezession an.

Tatsächlich gehen die meisten Experten mittlerweile davon aus, dass es in den ersten Monaten des kommenden Jahres in verschiedenen Regionen der Welt wie etwa den USA oder auch Europa zu Rezessionen kommen dürfte. Auch die chinesische Wirtschaft könnte sich dank einer Abkehr von der Null-Covid-Strategie eher holprig erholen.

Nicht nur diese kommenden Rezessionen machen es schwierig, Prognosen für den Rohstoffmarkt abzugeben. Auch dass der Markt in viele Komponenten gesplittet ist, erschwert den Blick nach vorne. Neben Öl und Gas gehören auch Gold, Diamanten und Platin dazu oder seltene Erden und Agrarrohstoffe.

Fragt man bei den Experten trotzdem nach, so erfährt man, dass es erst ab Mitte des nächsten Jahres für die globale Konjunktur wie auch die Rohstoffpreise sichtbar aufwärtsgehen dürfte. Bis dann könnten auch die Notenbanken ihren Zinszyklus abgeschlossen haben und die ersten Spekulationen über mögliche Zinssenkungen dürften die Märkte zusätzlich befeuern. Trotz der erwarteten Rezession sollten sich Anleger aber darauf einstellen, dass die Preise für zahlreiche Rohstoffe nicht auf alte Niveaus zurückkommen werden.

Palladiumpreis zurückgekommen

Schaut man sich einzelne Rohstoffe an, so stand dieses Jahr etwa Palladium im Fokus. Laut Henrik Marx, Leiter Edelmetallhandel beim Händler Heraeus, gehört das Edelmetall zu jenen Rohstoffen, bei denen der Ukraine-Krieg massgeblich zu einem Preissprung beigetragen hatte.

40 Prozent der weltweiten Primärförderung stammt aus Russland. Die Sorge, dass auch Palladium in den Sanktionen inbegriffen sein könnte, habe ausgereicht, dass sich der Preis nahezu verdoppelt habe. Nachdem sich die Sorgen dann aber als nicht begründet erwiesen hätten, habe sich der Preis je Unze mittlerweile seinem Vor-Ukraine-Niveau wieder angenähert.

Während Palladium für den Ökonomen Santosh Brivio von der Migros Bank zu jenen Rohstoffen gehört, die durch externe Störfeuer beeinflusst wurden, sei Lithium eher durch einen strukturellen Wandel immer teurer geworden. «Dass sich der Preis für Lithium mehr als verdoppelt hat im Jahresverlauf ist mit Stichworten wie Solarzellen oder auch E-Mobility zu erklären.» Im Zuge der Energiewende sei Lithium einer der wichtigen Rohstoffe, für den die Nachfrage damit auch mit Blick nach vorne hoch bleiben dürfte.

Einig sind sich Rohstoffexperten auch in puncto Gaspreis. Dieser dürfte ebenfalls hoch bleiben. Auch hier war der Ausbruch des Ukraine-Krieges das massgebliche Störfeuer von aussen, das für einen sprunghaften Preisanstieg sorgte. Dabei kommt Europa eine Schlüsselrolle zu, da es vor allem russisches Gas importiert hat. Die Versorgung ist stark gestört. Europa sucht fieberhaft nach alternativen Versorgungsmöglichkeiten wie etwa Flüssiggas LNG.

Sollte jedoch China im Laufe des kommenden Jahres tatsächlich seinen Konjunkturmotor wieder stärker zum Laufen bringen, würde dies den Wettstreit um LNG möglicherweise anheizen, warnen die Experten von Capital Economics.

Fokus auf China

Für den UBS-Rohstoffexperten Giovanni Staunovo stellt die wirtschaftliche Entwicklung Chinas im kommenden Jahr ohnehin einen der wichtigsten Einflussfaktoren für die Rohstoffmärkte dar. «Sobald China sich von seinen Covid-Restriktionen befreit, dürfte sich das auf die komplette umliegende Region und zyklische Rohstoffe positiv auswirken.»

Doch wie viel Geld kann mit Rohstoffen 2023 verdient werden? Beim US-Haus Goldman Sachs etwa ist man sehr zuversichtlich für das kommende Jahr. Die Experten gehen davon aus, dass erneut Renditen von mehr als 40 Prozent erzielt werden könnten - kurzfristig erhöhte Volatilitäten eingeschlossen.

(awp/mth)