Die Europäische Zentralbank (EZB) hält laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde im Kampf gegen Inflation alle Türen für Zinserhöhungen offen. Wie viel weiter die EZB noch gehen und wie schnell sie dahin kommen müsse, hänge von den verschiedensten Faktoren ab, sagte Lagarde am Montag in einer Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des EU-Parlaments in Brüssel.
Zu diesen gehörten unter anderem die Wirtschaftsprognosen der EZB-Volkswirte, die Tiefe der wirtschaftlichen Krise, die Entwicklung der Löhne sowie die Inflationserwartungen. Die nächste Zinssitzung der EZB findet am 15. Dezember statt. Zu dieser werden den Euro-Wächtern neue Prognosen der EZB-Ökonomen zu Inflation und Wachstum vorliegen.
«Wir sind entschlossen, die Inflation auf unser mittelfristiges Ziel zu senken», sagte Lagarde. Die EZB strebt zwei Prozent Inflation als Optimalwert an. Im Oktober lag die Teuerung aber angefacht durch den Energiepreisschub infolge des Ukraine-Kriegs bei 10,6 Prozent. Das ist die höchste Rate seit Einführung des Euro.
DIe EZB-Chefin äusserte sich skeptisch zu Erwägungen, dass bereits der Gipfelpunkt der Inflation erreicht ist. «Das würde mich überraschen.» Top-Volkswirte der EZB würden aktuell eher das Risiko sehen, dass die Teuerung noch zunehme.
Jumbo-Zinsschritte im September und Oktober
Die EZB hat seit Juli die Schlüsselzinsen in rascher Abfolge drei Mal angehoben um zusammen 2,0 Prozentpunkte. Der an den Finanzmärkten massgebliceh Einlagensatz, den Banken erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder horten, liegt aktuell bei 1,5 Prozent. Im September und Oktober griffen die Währungshüter dabei zu jeweils ungewöhnlichen Jumbo-Zinsschritten von jeweils 0,75 Prozentpunkte.
«Die Zinssätze sind und bleiben das wichtigste Instrument zur Bekämpfung der Inflation», sagte Lagarde. «Wir sind mit der Inflation noch nicht fertig, wir haben noch Arbeit vor uns.» Die Zinsen müssten weiter erhöht werden. Möglicherweise werde sie mit ihrem Anhebungskurs dabei in den restriktiven Bereich vordringen.
Darunter verstehen Volkswirte ein Zinsniveau, mit dem eine Volkswirtschaft gebremst wird. Aktuell siedeln Ökonomen diesen restriktiven Bereich beim Einlagensatz bei Niveaus oberhalb von zwei Prozent an.
Bilanzabbau steht bald an
Im Dezember wird die EZB Lagarde zufolge die Grundsätze für den Abbau ihrer Anleihenbestände aus dem APP-Programm darlegen. Mit dem billionenschweren APP-Programm hatte die Euro-Notenbank ab 2015 versucht, die Konjunktur anzuschieben. Aktuell werden auslaufenden Anleihen aus diesem Programm noch vollständig wieder ersetzt. «Es ist angemessen, dass die Bilanz im Laufe der Zeit auf angemessene und vorhersehbare Weise normalisiert wird», sagte die Notenbankchefin.
Es könnte der Fall sein, wenn die Zeit dafür komme, dass die EZB dann einige Hinweise dazu geben werde. "Das wird Teil der Prinzipien sein, die wir beschliessen und debattieren werden auf der Ratssitzung, die im Dezember ansteht", sagte die EZB-Chefin.
Der deutsche Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte unlängst gefordert, dass die Euro-Wächter mit dem Abbau ihrer massiven Anleihenbestände bereits im ersten Quartal 2023 beginnen sollten. Durch die umfangreichen Bondkäufe der vergangenen Jahre ist die Notenbankbilanz inzwischen auf fast neun Billionen Euro angeschwollen.
Allein die Bestände aus dem APP-Programm haben ein Volumen von rund 3,3 Billionen Euro, die Bestände aus dem Pandemie-Anleihenkaufprogramm PEPP liegen bei rund 1,7 Billionen Euro. Beim PEPP-Programm will die EZB noch bis mindestens Ende 2024 ablaufende Anleihen wieder vollständig ersetzen. Dies hatte sie in der Oktober-Zinssitzung bekräftigt.
(reuters/mth)
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"Es könnte der Fall sein, wenn die Zeit dafür komme, dass die EZB dann einige Hinweise dazu geben werde."
Christine Madeleine Odette Lagarde (* 1. Januar 1956 in Paris als Christine Madeleine Odette Lallouette) ist eine französische Politikerin (LR) und Juristin. Seit dem 1. November 2019 ist sie die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) und die erste Frau, die dieses Amt ausübt.
"Ich glaube, ich muss Sie warnen, wenn ich mich als besonders deutlich
herausstelle, haben Sie wahrscheinlich das, was ich gesagt habe, falsch
interpretiert."
Alan Greenspan (* 6. März 1926 in New York) ist ein US-amerikanischer
Wirtschaftswissenschaftler. Er war vom 11. August 1987 bis zum 31. Januar 2006
Vorsitzender der US-Notenbank (Federal Reserve System).
PAUL ADOLPH VOLCKER ON FED’S 2% INFLATION TARGET:
“A remarkable consensus has developed among modern central bankers ... that there’s a
new ‘red line’ for policy: a 2 percent rate of increase in some carefully designed
consumer price index is acceptable, even desirable, and at the same time provides a
limit. I puzzle at the rationale. A 2 percent target, or limit, was not in my textbooks year
ago. I know of no theoretical justification.” (“Keeping At It: The Quest for Sound Money
and Good Government,” by Paul Volcker and Christine Harper, 2018)