Immer mehr Länder erhöhen das Rentenalter. In der Schweiz wird seit Jahren über eine Anhebung auf 67 Jahre diskutiert. Nun will der Bundesrat die AHV reformieren und vorerst das Rentenalter von Frauen auf 65 Jahre anheben.
Doch bei all den Bemühungen, die Rentensysteme langfristig finanzierbar zu machen, gibt es ein Problem: Für ältere Arbeitnehmende muss es auch genügend Jobs geben. Daran erinnert nun die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) in ihrem jüngsten Bericht «Working Better With Age».
Die Menschen werden heute älter als je zuvor. Doch Arbeitswelt und Rentensysteme sind dem längeren Lebensalter bisher nicht ausreichend angepasst worden. Für die Gesellschaft wird dies zunehmend zur Belastung. In den OECD-Ländern dürfte das Durchschnittsalter bis 2050 von 40 auf 45 Jahre steigen – und die Zahl der Rentner auf 40 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung, prognostiziert die Organisation.
In der Schweiz altert die Bevölkerung dabei überdurchschnittlich: In den nächsten 30 Jahren wird ein Durchschnittsalter von knapp 47 Jahren erwartet – heute liegt es noch bei 42.
Die Folge: Jüngere Generationen, welche die Sozialsysteme finanzieren, geraten in Zukunft enorm unter Druck; der Wohlstand stagniert, so die OECD. Daher brauche es neben einem höheren Rentenalter dringend bessere Beschäftigungsaussichten für ältere Arbeitnehmende.
Doch wie können mehr und passende Stellen für ältere Menschen geschaffen werden? Die OECD macht konkrete Vorschläge und zeigt, in welchen Ländern es eine bessere Beschäftigungsrate und Arbeitsmarktnachfrage älterer Menschen gibt, und wo es überhaupt Arbeitsanreize für sie gibt.
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Erwerbslücke zwischen Frauen und Männern schliessen
Die Beschäftigungslücke zwischen Männern und Frauen müsse geschlossen werden. Während im OECD-Durchschnitt in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen 18 Prozent weniger Frauen arbeiten als Männer, sind es in der Schweiz rund 14 Prozent.
Hierzulande liesse sich der zunehmende Fachkräftemangel durch bessere Möglichkeiten für Frauen, am Arbeitsmarkt teilzunehmen, abmildern. Die Credit Suisse hat die sogenannten «stillen Reserven» – Frauen und Senioren, deren Potenzial brachliegt – auf 270'000 Personen beziffert.
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Bessere Chancen für ältere Arbeitnehmende
Arbeitnehmende zwischen 55 bis 64 Jahren müssen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden, so die Industriestaaten-Organisation. Zudem sollte es für über 65-Jährige einfacher sein, zu arbeiten.
Die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmender ist in Island, Neuseeland und Schweden am höchsten; in Luxemburg, Griechenland und der Türkei am niedrigsten. Die Schweiz schneidet recht gut ab und liegt im internationalen Vergleich an fünfter Stelle.
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Frühzeitige Weiterbildung
Damit ältere Arbeitnehmende attraktiv auf dem Jobmarkt bleiben, müssen sie sich frühzeitig weiterbilden. Doch auch hier sieht die OECD teilweise noch grossen Nachholbedarf: Beispielsweise habe immer noch nur ein Drittel der 55- bis 65-Jährigen Computer-Kenntnisse.
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Flexible Pensionierung
Damit Rentner im Alter von ihrer Pension leben können, schlägt die OECD etwa flexible Rentenmodelle vor: Demnach sollten Menschen – zumindest in Teilzeit – noch arbeiten können, während sie ihre Pension bereits teilweise beziehen.
Dies ist zwar in einigen der untersuchten Ländern bereits möglich, doch die Bedingungen seien sehr unterschiedlich und meist fehle es an entsprechenden Anreizen. Zudem sei es schwieriger geworden, ohne finanzielle Abstriche früher in Pension zu gehen. Statt Frühpensionäre zu bestrafen, sollte ein späteres Pensionsalter belohnt werden und ein flexibler Übergang von Arbeit in die Rente möglich sein.
Allerdings ist die flexible Pensionierung noch wenig verbreitet: In Europa nutzen nur 10 Prozent der 60-bis 69-Jährigen derartige Modelle. Zudem sind sie sehr unterschiedlich von Land zu Land. In der Schweiz gibt es laut OECD überhaupt keine Möglichkeiten der flexiblen Pensionierung – weder vor dem Renteneintrittsalter noch danach.
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Mehr Jobs für ältere Arbeitnehmende
Doch Anreize für ältere Arbeitnehmende, länger zu arbeiten, reichen nicht aus. Es bedarf auch besserer Möglichkeiten – diesen Appell richtet die OECD vor allem an Arbeitgeber. Die Politik könne lediglich die entsprechenden gesetzlichen Bedingungen schaffen, etwa um Altersdiskriminierung zu verhindern.
Arbeitgeber müssten sich mehr tun, um einerseits den Arbeitsplatz älterer Arbeitnehmer zu erhalten und diese auch einstellen. Die OECD stellt fest, dass es trotz einiger Fortschritte weiterhin schwierig sei, ab einem gewissen Alter einen neuen Job zu finden.
In der Schweiz ist die Zahl der über 55-jährigen Arbeitslosen mit fast 15 Prozent an der gesamten Arbeitslosigkeit besonders hoch und in den vergangenen 10 Jahren noch weiter angestiegen.
Ein weiteres Problem: Von Arbeitslosigkeit sind OECD-weit vor allem ältere Arbeitnehmende mit geringer Qualifikation betroffen. So auch hierzulande: Unter den 55- bis 64-Jährigen sind nur 56 Prozent der Geringqualifizierten beschäftigt, etwa 70 Prozent derjenigen mit mittlerer Qualifikation – aber mehr als 82 Prozent der Hochqualifizierten.