Die «Handelszeitung» stellt die Immobilienwirtschaft ins Schaufenster: Jeden Freitag kommt eine spannende Persönlichkeit aus der Branche zu Wort und schildert ihre Sicht auf den Markt. Diese Woche lesen Sie die Einschätzungen von Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff.

Portrait of Martin Neff, chief economist of Swiss bank Raiffeisen Bank, taken in Zuerich, Switzerland, on February 27, 2014. (KEYSTONE/Gaetan Bally)Martin Neff, Chefoekonom der Raiffeisen Bank, portraitiert am 27. Februar 2014 in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Martin Neff ist Chefökonom der Bank Raiffeisen.

Quelle: Keystone

Wie werden sich die Preise für Wohnimmobilien, Büroräumlichkeiten und Detailhandelsflächen entwickeln?

Trotz dem Zinsanstiege bei Hypotheken mit längeren Laufzeiten bleibt Wohneigentum attraktiv. Noch immer finden sich Finanzierungslösungen, welche einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber dem Wohnen zur Miete ermöglichen. Zudem kaufen die Schweizerinnen und Schweizer ihre eignen vier Wände nicht nur aus rein finanziellen Gründen.

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Die Nachfrage nach Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen bleibt damit sehr stark. Da diese Nachfrage durch das völlig ausgetrocknete Angebot auch künftig nicht befriedigt werden kann, dürften die Preise weiter steigen.

Im Büromarkt ist die Preisentwicklung schon länger flach. Und da die Nachwehen der Pandemie noch gar nicht richtig auf den Markt durchgeschlagen haben, dürfte der Trend eher nach unten denn nach oben weisen. Denn es steht ausser Frage, dass der Markt nach den ersten Erfahrungen mit Homeoffice erst am Beginn eines eventuellen längeren Umbruchs steht.

Für Detailhandelsflächen gilt dasselbe. Auch wenn die Post-Corona-Welle derzeit rege Umsätze generiert, ist das sogenannte Lädelisterben noch nicht abgeschlossen, was immer wieder Flächen freisetzt.

Sie warnen vor einer Wohnungsnot. Wie lässt sich ein Engpass im Wohnungsmarkt verhindern – und für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass das geschieht?

Es steht für mich ausser Frage: Wir haben einen Baulandengpass in der Schweiz und die vielzitierte Verdichtung funktioniert nicht annähernd, um diesen Engpass zu beseitigen. Der grösste Feind der Verdichtung sind oft die Nachbarn, die am liebsten so leben wollen, wie sie es sich gewohnt sind, und bloss kein neues Gebäude mit höherer Dichte vor die Nase gesetzt bekommen wollen.

Will die Schweiz sich weiter dem Wachstum verschreiben, werden wir nicht umhinkommen, für die wachsende Zahl der Zuwanderer und Haushaltsgründungen neues Bauland einzuzonen.

Das muss nicht zwingend heissen, auf der grünen Wiese, aber zumindest an den Speckgürteln der grossen Agglomerationen, wo noch immer Reserven verfügbar sind, aber nicht eingezont werden, weil noch immer jede Gemeinde für sich plant.

Könnte der Wohnungsmarkt durch eine rasche Zinswende in Schieflage geraten?

Diese rasche Zinswende ist bereits Realität, doch der Markt bleibt relativ heiss, weil die Überschussnachfrage nicht über Nacht verschwindet und die Knappheit – und weniger die Finanzierungsbedingungen – das Marktgeschehen unverändert dominiert. Die Engpässe beschränken sich längst nicht nur auf den Eigenheimmarkt, sondern haben bereits auch den Mietwohnungsmarkt (wieder) erreicht.

Denn auch da wird heute zu wenig investiert, um die grosse Nachfrage befriedigen zu können. Es gibt zwar noch immer Leerstände, doch meist an Lagen oder in Objekten, die generell weniger nachgefragt werden. Im ersten Quartal haben wohl auch daher die Angebotsmieten wieder nach oben gedreht.

Wo findet eine Familie mit einem Haushaltseinkommen von maximal 200’000 Franken heute noch Wohneigentum?

Aufgrund der strikten Tragbarkeitsanforderungen kann ein Haushalt mit einem für die Verhältnisse hierzulande recht hohen Einkommen von 200’000 Franken das durchschnittliche Schweizer Einfamilienhaus nicht mehr finanzieren. Potenzielle Einfamilienhauskäufer in dieser Einkommensklasse müssen mittlerweile grosse Kompromisse bei der Lage, der Grösse oder dem Zustand des Objektes eingehen.

Es finden sich zwar nach wie vor günstige Einfamilienhäuser in der Schweiz. Diese liegen aber meist in eher abgelegenen, strukturschwachen Gemeinden der ländlichen Kantone und der Bergregionen.

Die mittlere Eigentumswohnung ist hingegen mit diesem Einkommen noch problemlos finanzierbar. Wer nicht gerade in den grössten Hotspots der Grossstädte sucht, sollte also noch ein finanzierbares Objekt finden, doch auch da muss man zu gewissen Kompromissen bereit sein.

Die Zinsen steigen. Werden Buy-to-let-Investitionen dadurch unattraktiv?

Bereits vor dem aktuellen Zinsanstieg haben sich aufgrund der stark gestiegenen Preise nicht mehr alle Buy-to-let-Investitionen gerechnet. Mit den gestiegenen Langfristzinsen haben solche Investitionen jetzt zudem an relativer Attraktivität gegenüber anderen Anlageformen eingebüsst. Mit längerfristigen Hypotheken dürften sich aktuell viele Buy-to-let-Objekte nicht mehr wirklich lohnen.

Allerdings kann mit einer Geldmarkthypothek eine zu vermietende Wohnung nach wie vor rekordgünstig finanziert werden. Wichtig ist im aktuellen Marktumfeld daher umso mehr, eine ganz genaue Kosten-Nutzen-Analyse vorzunehmen und sich der objektspezifischen Klumpenrisiken bewusst zu sein. 

Wohneigentum an zentralen Lagen ist für viele Menschen unerschwinglich. Sehen Sie darin ein gesellschaftliches Problem?

An den beliebtesten Lagen zu wohnen, hat in einer Marktwirtschaft immer seinen Preis. Das trifft sowohl auf den Eigentums- als auch den Mietwohnungsmarkt zu. Wer zentral leben will, muss zahlungskräftig und -willig sein.

Dass Kompromisse bei weniger wohlhabenden Haushalten nötig sind, ist daher nicht wirklich ein neues Phänomen. Problematisch ist heute vielmehr die Tatsache, dass selbst bei grosser Kompromissbereitschaft die Mehrheit der Schweizer Haushalte sich auch an deutlich weniger attraktiven Lagen kein Eigenheim mehr leisten kann. 

Auf der grünen Wiese zu bauen, wird zunehmend schwierig, die Politik ruft die Immobilienwirtschaft zu Verdichtung auf. Wird genügend und auf intelligente Weise verdichtet?

Tatsächlich ist Bauland in der Schweiz ein sehr knappes Gut. Um unter den geltenden raumplanerischen Regeln genügend Wohnraum für die wachsende Schweizer Bevölkerung herstellen zu können, muss gezwungenermassen immer stärker verdichtet werden. Dafür müssen allerdings auch die Anreize stimmen und die Hürden tief sein.

Auch wenn in den letzten Jahrzehnten deutliche Verdichtungstendenzen auszumachen sind, genügen die heutigen Anstrengungen wohl kaum, damit auch künftig genügend verdichteter Wohnraum in der Schweiz erstellt werden kann. Bauliche Verdichtung ist bereits teuer und aufwendig.

Bei anstehenden Umbau- und Ersatzneubauprojekten stehen dem Eigentümer leider viel zu oft hohe Hürden im Weg. Strenge, unflexible und uneinheitliche, zum Teil auch wirklich unsinnige Bau- und Zonenordnungen sowie die herrschende, sehr liberale Einsprachenpraxis verzögern, verteuern oder verhindern immer wieder den Bau von eigentlich sinnvollen Projekten.

Martin Neff beantwortete die Fragen schriftlich.