Die Zinssitzungen von EZB und Fed in dieser Woche stehen ganz im Zeichen der Virus-Krise. Wegen des beispiellosen Wirtschaftseinbruchs infolge der Pandemie könnten die Dollar-Wächter in den USA am Mittwoch und die Währungshüter der Euro-Zone am Donnerstag erneut als Feuerlöscher gefordert sein. Volkswirte erwarten, dass die Wirtschaft des Euro-Raums im ersten Quartal um 3,4 Prozent geschrumpft ist.

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Die Wirtschaft in den USA war allerdings vor dem Einsetzen des Corona-Schocks in einer deutlich besseren Verfassung als in der Euro-Zone, weshalb der Rückgang im Auftaktquartal nicht so drastisch ausfallen dürfte. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Virus-Pandemie weltweit die tiefste Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte auslösen wird.

«Die EZB muss sich auf eine länger andauernde Abwehrschlacht einstellen», meint Volkswirt Ulf Krauss vom Bankhaus Helaba. Trotz der bereits auf den Weg gebrachten geldpolitischen Stützungsmassnahmen sei nicht von einer ruhigen Zinssitzung am Donnerstag auszugehen: «Wir glauben, dass die EZB bereits eine Menge getan hat, aber es wird mehr nötig sein», meinen auch die Volkswirte der US-Investmentbank Morgan Stanley.

Das Institut rechnet damit, dass die Wirtschaft im Euro-Raum 2020 um zehn Prozent einbrechen wird. Um gegenzusteuern, werde die EZB in den kommenden Monaten ihr neues Pandemie-Anleihen-Kaufprogramm wohl um eine Billion Euro aufstocken und dies in zwei Tranchen von jeweils 500 Milliarden Euro - «eine im Juni und die andere zum Jahresende für 2021», sagen die Experten voraus.

Furcht vor einer neuen Staatsschuldenkrise

Aus Sicht von Christian Lips, Chefvolkswirt der NordLB, hat die EZB zwar bereits umfangreiche Liquiditätsspritzen beschlossen und ihre für 2020 anvisierten Anleihenkäufe auf inzwischen 1,1 Billionen Euro aufgestockt. Dazu habe sie die Sicherheiten-Vorschriften für Banken gelockert. Dennoch seien die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen zuletzt deutlich gestiegen.

An den Börsen nährt dies laut Händlern die Furcht vor einer neuen Staatsschuldenkrise in Europa. «Daher gehen wir davon aus, dass die EZB noch einmal nachlegen wird», meint Lips. «Dazu gehören dann sicher noch mehr Anleihenkäufe, aber wohl auch eine Zinssenkung beim Einlagesatz». Dabei werde dann ein grösserer Teil der Gelder als bisher von den Strafzinsen ausgenommen. Seit September 2019 verlangt die EZB Strafzinsen in Höhe von 0,5 Prozent auf Gelder, die Geschäftsbanken über Nacht bei ihr parken.

Viele Volkswirte gehen allerdings davon aus, dass EZB-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag noch einmal abwarten will. Der Grund: Die Notenbank will prüfen, wie sich die bereits beschlossenen Hilfsmassnahmen ausgewirkt haben. Dabei dürften aus Sicht von Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert auch taktische Überlegungen eine Rolle spielen.

Die EZB habe sich immer sehr für ein starkes gemeinsames Vorgehen der Finanzpolitik im Euro-Raum ausgesprochen. «Sollte sie nun mit weiteren Massnahmen in Vorleistung treten, würde dies den Anreiz für die Regierungen der Euro-Länder verringern, auf europäischer Ebene weitere Hilfsmassnahmen zu beschliessen.»

Fed kann auf Erfolge verweisen

Auch für die US-Währungshüter gilt derzeit die Devise: auf Sicht fahren. Fed-Beobachter Bernd Weidensteiner von der Commerzbank rechnet vorerst nicht mit weiteren Massnahmen, nachdem die Notenbank Fed bereits billionenschwere Notprogramme aufgelegt und den Leitzins auf nahe null gesetzt hat.

Die Fed könne als Krisenhelferin durchaus auf Erfolge verweisen. So hätten sich die Liquiditätsprobleme in wichtigen Märkten verringert – darunter auch dem Markt für US-Staatsanleihen. Auf diese Erfolge werde Fed-Chef Jerome Powell auf der Pressekonferenz nach der Sitzung am Mittwoch auch hinweisen: «Vor allem wird er unterstreichen, dass die Fed bei Bedarf erneut tätig werden wird», meint der Commerzbank-Ökonom.

Dies erscheint mit Blick auf die verheerenden Folgen der Virus-Pandemie auf den US-Arbeitsmarkt und die Wirtschaft nicht unrealistisch. Binnen weniger Wochen machte die Krise den Stellenaufbau aus dem vorangegangenen Boom-Jahrzehnt zunichte. Damit steigen auch die Gefahren, dass die von der Fed angestrebte Vollbeschäftigung abrupt in Massenarbeitslosigkeit umschlägt. Auch die Konjunktur steht vor einer ähnlich krassen Entwicklung: Nach langen Aufschwungsjahren droht jäh eine schwere Rezession.

Klare Rückgänge beim BIP im Startquartal erwartet

Wenige Stunden vor der Fed-Sitzung am Mittwochabend (MESZ) stehen die Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal an: Ökonomen erwarten auf das Jahr hochgerechnet ein Minus von 4,0 Prozent nach einem Plus von 2,1 Prozent im vierten Quartal 2019. «Ich rechne insbesondere in Europa, aber auch bereits in den USA, bei den Wirtschaftswachstumszahlen für das Startquartal 2020 mit klaren Rückgängen, denen im laufenden zweiten Quartal zweistellige Negativraten folgen dürften», befürchtet Robert Greil, der Chefstratege von Merck Finck.

Die Konjunktureinbrüche liessen weder den Regierungen noch den Notenbanken eine andere Wahl, als weitere Massnahmen zur Stützung und Erholung der Konjunktur zu ergreifen.

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Die Corona-Pandemie stürzt die Schweiz in eine Rezession. Die UBS rechnet mit einer Erholung gegen Ende des Jahres – unter einer Bedingung. Mehr hier.

(reuters/gku)