Das Edelmetall Palladium hat sich im 2019 massiv aufgewertet. Wird der Preis des Rohstoffs weiter in die Höhe schiessen – und können Anleger von dieser Rally profitieren?
Aus fundamentaler Sicht bleibt Palladium spannend. Das Edelmetall befindet sich in einem strukturellen Defizit, da es von der Autoindustrie für Benzinkatalysatoren stark nachgefragt wird.

Eine Substitution von Palladium durch Platin in Benzinkatalysatoren ist trotz des 50 Prozent günstigeren Platins im Jahr 2020 nicht absehbar.

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Eine derartige Umstellung erfordert noch mehr Entwicklungszeit. Nach dem starken Anstieg des Palladiumpreises sind Korrekturen jederzeit möglich und Anleger sollten sich über die Schwankungsanfälligkeit des Edelmetalls bewusst sein.

Christoph_Schenk_ZKB_Börseninterview

Christoph Schenk ist Anlagechef (Chief Investment Officer) der Zürcher Kantonalbank.

Quelle: ZVG

2020 werden viele neue E-Autos auf den Markt kommen. Bieten sich durch die Elektrifizierung des Automarkts Chancen für Anleger?
Schaut man auf die Zulassungsstatistik in Deutschland, sehen wir allein in den letzten drei Jahren starke Wachstumsraten von 33 Prozent, 58 Prozent und 67 Prozent. Auch wenn sich Wachstum von tiefem Niveau aus immer beeindruckend präsentiert (Catch-up Effekt), dürfte sich dieser Trend besonders in den entwickelten Ländern fortführen.

Jede Basisinnovation lässt neue Cluster entstehen, die sich individuell weiterentwickeln. Bei der E-Mobilität sind das neben den Antriebssträngen in besonderem Masse intelligente Batterien, flächendeckende Ladestationen auf öffentlichem und privatem Grund sowie die umfassende Digitalisierung. In diesen Bereichen werden sich neue Anlagemöglichkeiten bieten.

2020 werden die USA die neue Regierung bestimmen. Wie stark werden die Präsidentschaftswahlen die Märkte bewegen – und welche wirtschaftlichen Auswirkungen würde eine weitere Amtszeit von Donald Trump haben?
Die US-Präsidentschaftswahlen dürften 2020 die Wirtschaft in den USA spürbar beeinflussen und so eine neue Quelle der Unsicherheit darstellen. Bereits die Nominierung des demokratischen Herausforderers wird für Volatilität sorgen.

Weil mit Blick auf den demokratischen Auswahlprozess bereits Anfang April eine Vorentscheidung fallen könnte, bis dann werden gut zwei Drittel der Delegiertenstimmen für die Kandidatenkür vergeben, werden sich die Märkte bereits zu Beginn des Jahres verstärkt mit dem US-Wahlkampf auseinandersetzen.

Gewinnen bei den Demokraten die progressiven Kräfte die Oberhand (Sanders, Warren), wird dies die Marktstimmung belasten, zumindest so lange ihnen eine realistische Siegchance eingeräumt wird. Ihr politisches Programm ist geprägt von mehr Regulierung und höheren Steuern für Unternehmen und wohlhabende Haushalte.

Setzt sich dagegen ein Kandidat mit mehr gemässigten politischen Ideen durch (Biden, Buttigieg, Bloomberg), ist von einer eher freundlichen Marktreaktion auszugehen. Bei der Wiederwahl von Trump wird sich dagegen vorerst nicht viel an der US-Politik ändern.Die Märkte dürften in einem ersten Schritt positiv darauf reagieren, da die Steuerreform und Deregulierungen der Trump-Administration weitere vier Jahre Bestand hätten. Andererseits könnten bei Trump in einer zweiten Amtszeit die Hemmungen fallen, eine noch radikalere Handels- und Aussenpolitik einzuschlagen.   

Democratic presidential candidate Elizabeth Warren speaks during an interview with The Associated Press on Sunday, Dec. 8, 2019, in Charleston, S.C. (AP Photo/Sarah Blake Morgan)

Elizabeth Warren: Die US-Präsidentschaftskandidatin steht für eine klar linke Politik.

Quelle: Keystone

Der britische Premier Boris Johnson hat den Wählern einen raschen Austritt aus der EU versprochen. Wie stark werden die Verhandlungen über den Brexit an den Märkten Wellen schlagen?
Wir erwarten, dass das britische Parlament dem Austrittsabkommen rasch zustimmen wird und der Brexit formell spätestens Ende Januar 2020 vollzogen wird.

Weil Grossbritannien aber vor schwierigen Verhandlungen mit der EU steht und die britische Regierung an der Übergangsfrist von Ende 2020 festhält, wird das Thema die Finanzmärkte auch im kommenden Jahr immer wieder beschäftigen.

Die politische Unsicherheit, welche die Wirtschaft in den vergangenen dreieinhalb Jahren zunehmend gelähmt hat, bleibt somit weitgehend bestehen. Wir sehen den ambitionierten Zeitplan aber vor allem als Verhandlungsstrategie und weniger als erneutes Risiko eines ungeordneten Austritts. Die Regierung Johnson wird sich opportunistisch verhalten und bei Bedarf auch einer weiteren Fristverlängerung zustimmen.

Und was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte sonst noch?
Ein für die Finanzmärkte sehr gutes Jahr neigt sich dem Ende zu. In den vergangenen Wochen haben sich die globalen Konjunkturindikatoren überwiegend leicht aufgellt und auch von geopolitischer Seite kamen Entspannungssignale.

Die Zuversicht steigt, dass die USA und China in Kürze ein erstes Abkommen zur Beilegung der Handelsstreitigkeiten unterzeichnen und auch der Brexit wird konkreter. Insofern liegt der Fokus jetzt auf Weihnachten.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Zwar waren die finanzmarkrelevanten Nachrichten zuletzt weitgehend unterstützender Natur. Die jüngste Vergangenheit zeigt allerdings auch, dass sich das sehr schnell ändern kann.

Alle Themen, die uns in diesem Jahr beschäftigt haben – Konjunkturentwicklung, Handelskonflikt USA-China und Brexit – werden uns auch in den kommenden Wochen begleiten. Kurzfristig stehen die Chancen aber gut, dass die positiven Nachrichten überwiegen und den Schweizer Aktienmarkt beflügeln.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass sich das globale Wirtschaftswachstum auf niedrigem Niveau stabilisieren wird, eine Rezession steht also nicht bevor.

Die gedämpfte Inflationsentwicklung liefert den Zentralbanken Spielraum, die Leitzinsen niedrig und die Liquidität an den Märkten hoch zu halten. In einem solchen Umfeld sollten die Unternehmensgewinne weiter steigen und ordentliche Dividenden gezahlt werden können. Das spricht für höhere Kurse in zwölf Monaten, auch wenn Handelskonflikt, Brexit, US-Präsidentschaftswahlkampf und alle Risiken, die sonst noch lauern, immer wieder für Volatilität sorgen dürften.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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