Wenn prominente Ökonomen etwas sagen, hören Anleger und Händler in der Regel genau hin. Nicht selten können deren Meinungen und Äusserungen sogar die Kurse an den Börsen ins Schwanken bringen. So sind Top-Shots wie die Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman, Robert Shiller oder Joseph Stiglitz grosse Stimmen im öffentlichen Diskurs.
Zu den einflussreichsten Ökonomen rund um den Globus gehört auch der Vorarlberger Spitzenökonom Ernst Fehr, Professor und Leiter des Instituts für Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich. Das zeigt ein Ranking der einflussreichsten Ökonomen, das die Zeitschrift «Economist» in Auftrag gegeben hat. Fehr nimmt dabei den vierten Platz in der Rangliste ein und ist damit der wichtigste Ökonom ausserhalb der USA. Selbst der neue Star-Ökonom Thomas Piketty landet im Ranking hinter Fehr.
Bild des «Homo oeconomicus» auf den Kopf gestellt
Fehr ist seit 1994 als ordentlicher Professor für Mikroökonomik und Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Zürich tätig. Mit seinen wissenschaftlichen Beiträgen gehört Fehr zu den renommiertesten und anerkanntesten Ökonomen weltweit. Er forscht in den Gebieten der Neuroökonomie und Experimentalökonomie und beschäftigt sich dabei mit den Grundlagen des menschlichen Sozialverhaltens.
Seine Theorie über den Menschen als Wirtschaftssubjekt stellte die klassische Lehre des «Homo oeconomicus» auf den Kopf und sorgte für Aufsehen. Der Mensch sei nicht nur egoistisch und rational, so wie es seit Hunderten von Jahren in den Wirtschaftsbüchern steht, so Fehr. Er wies nach, dass neben dem Eigennutz auch Fairness, Vertrauen, Solidarität und Altruismus wichtige Rollen spielen. Fehr verlangt daher, dass in den Wirtschafts-Theorien das Menschenbild revidiert werden müsse.
Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Preise, darunter den Gottlieb-Duttweiler-Preis, oder den Vorarlberger Wissenschaftspreis. 2012 erhielt er das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. Auch wird Fehr immer wieder als Anwärter auf den Wirtschafts-Nobelpreis gehandelt. Erhalten hat ihn der 58-Jährige aber bis jetzt noch nicht.
«Welche Stimme zählt am meisten»
Für das Ranking hat der «Economist» das Internet-Startup Appinions damit beauftragt, die Online-Präsenz in kommerziellen Medien, Blogs und sozialen Netzwerken von insgesamt 500 Ökonomen zu untersuchen. Gemessen wurde während 90 Tagen bis zum 11. Dezember des letzten Jahres. «Wir wollten sehen, wessen Stimme in der Öffentlichkeit am meisten zählt», schreibt der «Economist» zu seinem Ranking.
Zu den Untersuchten gehörten 450 Wissenschaftler, die laut der Plattform «Research Papers in Economics» (Repec) weltweit am meisten wissenschaftliche Arbeiten publiziert haben. Hinzu kommen 50 weitere renommierte Volkswirte, die der «Economist» ausgesucht hatte. Weggelassen hat die Zeitschrift bewusst die Chefs der Zentralbanken und deren Vertreter. Diese würden nicht nur ihre eigene Meinung, sondern auch jene der jeweiligen Notenbank vertreten, so die Begründung.
Befürworter von Obamacare auf Platz 1
Die Rangliste des «Economist» zeigt vor allem: Jene Ökonomen, die am meisten publizieren, sind nicht jene, die auch im Netz die grösste Aufmerksamkeit erhalten. So ist laut der «Economist»-Liste Jonathan Gruber, Professor am MIT in Boston und bissiger Befürworter der umstrittenen Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama, der einflussreichste Ökonom im Internet. In der Repec-Liste kommt Gruber dagegen nur auf den 244. Platz.
Auf dem zweiten Platz folgt Paul Krugman, Nobelpreisträger und Professor an der Universität Princeton. Neben Ernst Fehr ist Thomas Piketty der einzige Europäer unter den ersten zehn einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler. Der Franzose belegt den fünften Platz und ist Professor an der École d’Économie de Paris.
Welche Star-Ökonomen sich sonst noch in den Top-10 tummeln, sehen Sie in der Bildergalerie.