Seien wir mal ehrlich. Unsere Smartphones sind längst zu einer Verlängerung unseres Körpers geworden. Nähert sich der Batterie-Balken gefährlichem Terrain, werden wir nervös und suchen die Umgebung hastig nach Steckdosen ab. Vergessen wir das Telefon zu Hause, fahren wir im Zweifel lieber nochmal zurück, als den ganzen Tag ohne Kontakt zur virtuellen Aussenwelt unterwegs zu sein. Ohne unser Smartphone fühlen wir uns ähnlich verloren wie ohne unseren Arm.
Seit ich eines meiner Ladekabel verlegt habe, fällt mir regelmässig erst im Büro ein, dass ich dort keines mehr habe. Spätestens nach der Mittagspause zwinge ich mich deshalb, das iPhone nur noch für absolute Notfälle zu benutzen und die Batterie zu schonen, um am Ende des Tages noch genug Saft zu haben, um auf dem Weg nach Hause Musik zu hören und ein paar Texte zu lesen.
Sharing-Community soll aufs Handy kommen
Für die absoluten Notfälle gibt es jetzt einen Ausweg. «Hotel my Phone» heisst er. Die App soll die Sharing-Community auf das Mobiltelefon bringen. Denn wer sagt, dass wir nur Wohnungen, Autos und Musik teilen können? Mit Hotel My Phone können wir uns einfach das Smartphone eines Freundes leihen, falls unseres schlapp macht oder zuhause auf dem Nachttisch liegt.
Das konnte man natürlich rein theoretisch auch in der Vergangenheit. Allerdings hatte man in den seltensten Fällen die Nummer des Bekannten zur Hand, dem man gerade schreiben möchte. Und selbst wenn man sie hatte, musste man umständlich erklären, warum bei ihm eine völlig fremde Nummer aufpoppt. Ruft man an, geht der Gegenüber schliesslich in vielen Fällen gar nicht ran, wenn er den Anrufer nicht kennt.
Android-Geräte lassen sich in iPhones verwandeln - und umgekehrt
«Hotel My Phone» löst das Problem, indem es eine Art virtuelle Kopie des eigenen Smartphones herstellt. Sofern beide die App installiert haben und zum erwählten Freundeskreis gehören (auch wer nicht dazu gehört, kann gegen eine Extra-Gebühr als Telefon-Vermieter genutzt werden), kann man sich so ganz einfach auf dem Gerät eines Freundes einloggen und dessen Telefon kurzerhand zum eigenen machen. Anrufe und Textnachrichten (zumindest unter bestimmten Bedingungen) sehen für den Empfänger aus, als kämen sie vom eigenen Gerät - und die Kontakte lassen sich einfach abrufen.
Hinter der App steckt das kanadische Startup PplConnect, das im vergangenen Jahr mit der gleichnamigen App Android-Nutzern eine Möglichkeit gab, Anrufe und Textnachrichten auf ihrem Rechner zu empfangen. Hotel My Phone, heisst es von der Firma, sei eine Art «Airbnb für Telefone». Mit dem Programm lassen sich sogar Android-Geräte in iPhones «verwandeln» - und umgekehrt. Loggt man sich anschliessend wieder aus, sind alle Daten von dem Gast-Gerät verschwunden.
Nicht alles läuft rund
Ein paar grössere Haken gibt es allerdings. Hotel My Phone funktioniert besser auf Android als auf iOS. Textnachrichten auf dem iPhone kommen von einer künstlichen Nummer, nicht von der eigenen. Der einzige Vorteil ist, dass man Zugriff auf die Kontakte hat. Ausserdem lassen sich unter iOS nicht die zuletzt gewählten Nummern anzeigen. Hat also in der Zwischenzeit jemand versucht, anzurufen, bleibt das verborgen. Laut PplConnect liegt das daran, dass Apple Drittanbietern weniger Zugriffsrechte auf die Tiefen des Betriebssystems gewährt.
Allerdings wird auch bei Android eine generische Nummer verwendet, sobald das Original-Smartphone ganz den Geist aufgegeben hat. Und noch einen Nachteil gibt es. Denn mit Hotel My Phone lassen sich tatsächlich nur Sms schreiben und Anrufe tätigen, andere Apps sind in dem virtuellen Hotel nicht zugänglich. Will man also per Whatsapp Kontakt aufnehmen, bleibt nur, die Nummer herauszusuchen - und die Nachricht vom Whatsapp-Account des Bekannten zu schicken.
Hotel «my Phone» gibt es kostenlos für iOS und Android - bei der Nutzung fallen weitere Gebühren an.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Bold Economy – das umfassende Nachrichtenportal zur digitalen Revolution.