Um Punkt 20.49 Uhr kommt die erlösende Nachricht. Das Display blinkt auf: «Kannst Du mich mal dringend anrufen?» Jetzt wäre also die Gelegenheit, mich aus der Runde im Restaurant zu verabschieden, zu sagen, dass eine Freundin eine kleine Krise hat und ich leider zu ihr fahren muss. Gut, in diesem Fall sitzt die Freundin neben mir und Essen und Gesellschaft geben keinen Grund zur Flucht.
Aber sollte das mal anders sein, übernimmt «New Message» das, was sonst gute Freunde übernehmen, wenn man auf dem Weg zu einem Date oder einem unangenehmen Abendessen ist: Eine kurze Nachricht, nur so, zur Sicherheit, um zu schauen, ob man vielleicht eine gute Entschuldigung für den schnellen Abgang braucht.
«Ruf mich bitte dringend an»
Anti-Soziale Apps wie New Message sind so etwas wie die schlecht gelaunte kleine Schwester von Facebook, Twitter und Instagram. Denn schliesslich sollen wir uns ständig vernetzen, kommunizieren, uns der Öffentlichkeit stellen. Aber manchmal braucht man eben das genaue Gegenteil von ständigem Socializing.
«New Message» gibt für diese Momente die Möglichkeit, im Vorfeld kleine Not-Nachrichten zu programmieren. «Ruf mich mal bitte dringend an» oder «Es tut mir leid, aber Du müsstest heute für mich einspringen» - was immer man am glaubwürdigsten findet, lässt sich schicken. Uhrzeit und Absender lassen sich nach Wunsch einstellen.
Anschliessend muss man das iPhone nur noch gut sichtbar auf dem Tisch platzieren und warten. Einziger Haken: Wer genau hinschaut, der sieht, dass die kleine Sprechblase auf dem Sperrbildschirm zwei fiese Hörner hat - ein deutliches Zeichen, dass es sich nicht um eine echte Nachricht handelt.
Eine Sprachnachricht vom wütenden Vermieter
Wer es noch etwas penetranter will, für den gibt es Fake Conversation. Die App schickt keine Nachricht, sondern ruft direkt an. Geht man dran, gibt das Programm den Text vor, den man dann einfach nachsprechen muss - falls sich gerade jemand in Hörweite befindet.
Auch Fake Conversation lässt sich auf die gewünschte soziale Situation zuschneiden. Man kann Gespräche mit einem Redakteur oder einem Piloten führen, einem Anwalt oder Designer - und der eigenen wütenden Mutter. Die App ermöglicht es sogar, sich eine Voicemail aufsprechen zu lassen, von einem verzweifelten Freund oder dem eigenen Vermieter - auf die man dann natürlich dringend reagieren muss.
Die Charaktere sind nahezu endlos, lassen sich aber leider nur gegen Extra-Dollar oder nach ein paar Werbevideos freischalten. Bislang sind sie ausserdem ausschliesslich in Englisch zu haben. Mitten in Deutschland könnte das Manöver deshalb an Glaubwürdigkeit verlieren.
Facebook benutzen, um Freunde nicht zu treffen
Wer gar nicht erst in die unangenehme Situation kommen will, sich mit Hilfe einer App zu entziehen, für den gibt es Time to Split. Das Programm arbeitet sozusagen diametral zu dem, was Facebook und Co. bezwecken. Denn anstatt die Netzwerke zu nutzen, um sich mit Freunden und Bekannten zusammenzufinden, zweckentfremdet Time to Split die Netzwerke, um sie zu vermeiden.
Das Programm verknüpft sich mit Instagram, Twitter und Foursquare und warnt einen, bevor man um die Ecke biegt, falls dort jemand wartet, dem man lieber nicht begegnen will.
Einen Haken gibt es aber auch hier: Die «Avoidees», wie die App sie charmanterweise nennt, müssen das Programm selbst installiert haben. Mit anderen Worten: Die Chance, dass man eine der anderen Apps griffbereit haben muss, ist verhältnismässig gross.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Bold Economy – das umfassende Nachrichtenportal zur digitalen Revolution.