«Ich bin hungrig» - «Ich auch, mein Mitbewohner hat Pizza mitgebracht, aber ich hatte heute schon Pizza» - «Man kann nie genug Pizza haben» - «Doch, kann man» - «Habt Ihr schon mal schonmal Pizza Cones gegessen?» - «Das klingt nicht gut.»
Das Gespräch verläuft eher schleppend. Für einen Moment wird die Verbindung schlechter, als sie wieder da ist, sind die fünf Teilnehmer zu anderen Themen weitergewandert. Jeder wirft ab und zu ein paar Gedankenfetzen ein, es werden schlechte Witze erzählt. Worum sich die Unterhaltung genau dreht, ist wohl keinem der Beteiligten klar, aber das scheint hier nicht zu stören.
Selbst zur NSA werden
Es klingt ein bisschen, als befinde man sich im Wohnzimmer eines Studentenwohnheims und ein Joint würde herumgereicht. Ich sitze zwar nicht mit im Wohnzimmer, aber ich höre trotzdem zu. Ganz legal, denn sie wissen, dass ich da bin: Wir alle befinden uns auf Unmute.
Hier können wir selbst zur NSA werden und uns in die Telefonate wildfremder Menschen einklinken. Auf Unmute finden sich Live-Gespräche, die von anderen Nutzern belauscht werden sollen - eine Art wilde Konferenzschaltung, die die Zuhörer mit Text, Fotos oder Emojis kommentieren können. Wer grünes Licht bekommt, der darf sich selbst in ein laufendes Gespräch einmischen.
Unmute will der Chatroom der Smartphone-Generation werden
(Die Unterhaltung im Hintergrund wird tiefgründiger. «Wissenschaftler werden bald anfangen, Menschen mit Tieren zu kreuzen.»- «Welches Tier würdet Ihr sein wollen?» - «Ich wäre eine Mischung aus Windhund und Schäferhund»)
Das Programm, schrieb der Boston Globe, verbinde das Neue von Streaming-Apps wie Periscope, das voyeuristische der guten alten AOL-Chatgruppen und das themenspezifische (naja) von Podcasts. 18 Minuten darf ein Gespräch maximal dauern, dann macht die App dicht. «Telefonate» können beliebig oft wieder abgespielt, gespeichert und per Social Media verschickt werden. «Überleg dir gut, was Du sagen willst», warnt ein Nutzer einen Neuling in einem anderen Gespräch, in das ich kurz hineinhöre.
Gezwitscher hält sich in Grenzen
(«Ganz ehrlich, meine Mutter wollte nicht schwanger werden.» - «Ich bin auch ein Unfall.» - «Meine Mutter hat mir erzählt, sie wollte ein Kind, um meinen Vater verlassen zu können. Dann hat sie zwei weitere bekommen und ist geblieben.»)
Im Moment allerdings ist Unmute noch so neu, dass sich das Gezwitscher in Grenzen hält. Jedes Mal, wenn ich mich einlogge, werden mir nur Unterhaltungen aus der Konserve angeboten. In Zukunft, so die Hoffnung der Macher, soll Unmute aber nie wieder schweigen - und so nicht nur der Chatroom der Smartphone-Generation werden, sondern auch die go-to-App für Live-Interviews und Q&As. Bellamy Young, Schauspielerin aus der Serie «Scandal», gab darauf zu PR-zwecken einen Vorgeschmack.
Meine Studenten werden müde, die Gesprächspausen länger. «Kann man im Auge Glucoma bekommen? Und lässt sich das Auge dann retten?» Jemand liest sich die Kommentare unter der Konversation durch, ein anderer gähnt. Sechs Leute sind dabei, als noch ein paar Minuten verbleiben. Dann verabschieden sich die ersten - und ich bin einer von ihnen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Bold Economy – das umfassende Nachrichtenportal zur digitalen Revolution.