Exakt 22 Tage ist Jean-Jacques van Oosten im Amt. Und schon lässt der neue Digitalchef bei Richemont eine Bombe platzen. Der Genfer Luxusgüter-Gigant will für rund 3,3 Milliarden Dollar die Online-Plattformen von Yoox Net-a-Porter (YNAP) vollständig übernehmen. Van Oosten und Richemont-Patron Johann Rupert unterstreichen damit zwei Dinge: Erstens, dass online von überragender strategische Bedeutung ist. Zweitens, dass sich die Konkurrenz sputen muss, wenn sie den Vorsprung von Richemont im E-Commerce noch verkleinern will.

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Wie bei allen Konsumgütern ausserhalb des Lebenmittel-Geschäfts geht die Post auch im gehobenen Segment – Designerkleider, Luxusuhren, Lederwaren, Accessoires – vor allem im Netz ab. YNAP hat den Umsatz 2017 um 17 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro gesteigert – obwohl sich der Markt für Luxusgüter bis weit in den Sommer hinein eher verhalten entwickelt hat.

JJ van Oosten: Der neue Digitalchef von Richemont gibt Gas.

JJ van Oosten: Der neue Digitalchef von Richemont gibt Gas.

Quelle: ZVG

Auf Wechat, nicht im Laden

Zudem ist die asiatische Kundschaft, die wichtigste Zielgruppe der europäischen Luxus-Labels, ausgesprochen online-affin. Will eine vermögende Chinesin eine neue Handtasche von Gucci, Fendi und Co., sucht sie mit dem Handy auf Wechat danach, allenfalls noch auf der App einer grossen E-Commerce-Plattform wie YNAP – aber sicher nicht in einem Laden.

Alle Luxusmarken-Edel-Retailer rüsten deshalb auf. Investoren stecken Milliarden in YNAP-ähnliche Online-Händler wie Farfech, Mytheresa oder Matches Fashion. Und der grosse Richemont-Rivale LVMH ist seit Herbst mit dem Multi-Marken-E-Tailer 24sèvres auf dem Markt. Alle haben nur ein Ziel: YNAP das grosse Stück vom Luxusmarkt abzuringen, das die Richemont-Tochter dank ihrer zeitlichen Pionierrolle für sich erobert hat.

Doch unabhängig davon, dass Richemont seine Pole Position natürlich für den Sieg im Luxus-E-Tailing nutzen will, ist die Komplett-Übernahme von YNAP aus zwei weiteren Gründen strategisch clever. Der erste und wohl wichtigste Grund: Daten.

Der Wert der Datenspur von 850 Millionen Konsumenten

Wir sprechen von detaillierten Daten über Millionen von Luxus-Konsumenten. 850 Millionen Besucher haben letztes Jahr einen Shop von YNAP besucht – und Spuren hinterlassen. Wonach suchen sie? Was kaufen sie? Was nicht? Wann, wo und wie kaufen sie? Wie können sie zum Kauf animiert werden? Und vor allem: Was kaufen sie als Nächstes? Ziel von Richemont muss es sein, aus den Datenspuren seiner Kunden und Besucher die nächste It-Bag oder den nächsten Uhren-Trend zu destilieren – und mit seinen «Maisons» auf den Markt zu bringen.

Besonders wertvoll für Richemont ist dabei, dass YNAP solche Marktdaten nicht nur zu Richemonts eigenen Labels sammeln kann, sondern eben auch zu vielen Marken der Konkurrenz von Kering – der Mutter von Gucci – und LVMH. Das ist ein unschätzbarer Konkurrenzvorteil.

Mode-Schwäche kaschieren

Zu guter letzt kann Richemont über die Voll-Integration von YNAP eine der eigenen Schwächen im Portfolio zumindest reduzieren. Richemont ist stark bei so genannter Hard Luxury: Uhren, Schmuck. Aber schwach im Soft-Luxury-Bereich, also bei Mode und Accessiores. Die eigenen Marken in diesem Segment – wie Chloé, Alaia oder Dunhill – sind weniger namhaft und begehrt wie die Labels der Konkurrenz – wie Louis Vuitton, Gucci oder Dior. Bei YNAP dagegen sind auch die Labels der Rivalen erhältlich. So kann Richemont zumindest mitprofitieren.