Schwellenmärkte sind selten langweilig. Zahlreiche Risiken verlangen konstante Wachsamkeit. Solche Risiken dominieren mitunter die Marktstimmung, so dass die Chancen von Schwellenmarktanlagen leicht überschattet werden können. Einige Regionen im Schwellenmarktuniversum bieten jedoch sowohl Stabilität als auch Diversifikationsvorteile und stellen damit einen relativ sicheren Hafen für Anleger dar. Der Mittlere Osten ist so eine Region. Er verdient mehr Aufmerksamkeit als ihm normalerweise zuteil wird, und vor allem eine höhere Portfolioallokation.
Positiver Anleihemarkt
2018 war ein schwieriges Jahr für Schwellenländer-Anleihen. Dies lag vor allem an den steigenden US-Zinsen sowie länderspezifischen Problemen wie etwa in Argentinien und der Türkei. In diesem Umfeld bildete das Anlagesegment «Middle East Fixed Income» – und hier vor allem die sieben Länder des Golf-Kooperationsrates (GCC) – einen gewissen Ruhepol. Am Unternehmensanleihemarkt erzielte der Mittlere Osten eine Rendite von plus 0,2 Prozent im Vergleich zu -1,2 Prozent für die Benchmark aller Schwellenmarkt-Unternehmensanleihen respektive -1,0 Prozent für den Bloomberg Barclays Global Aggregate Corporates Index.
Gründe für die anhaltend gute Performance des Nahen Ostens
Die globalen Anleihemärkte leiden 2019 weiterhin unter den wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten in aller Welt, allen voran dem US-chinesischen Handelsstreit. In diesem Umfeld können Anleiheinvestoren von einer Übergewichtung der GCC-Märkte profitieren, da diese Länder zumindest teilweise von den globalen Turbulenzen verschont bleiben sollten.
Aus endogener Sicht fällt auf, dass sich die GCC-Staaten politisch stark weiterentwickeln, sowohl punkto Haushaltsreformen als auch bei der wirtschaftlichen Diversifizierung weg vom Energiesektor. Hinzu kommt eine technische Unterstützung, da die GCC-Staaten 2019 in die führenden JP Morgan EMBI-Indizes aufgenommen werden. Dies sollte das Anlegerinteresse an GCC-Anleihen nochmals deutlich steigern und die Nachfrage beflügeln.
Vor-Ort-Research ist essenziell
Um den Mittleren Osten genau zu verstehen und gut informierte Anlageentscheidungen zu treffen, muss man sich vor Ort begeben und mit Firmen, Staatsschulden-Verwaltern und anderen gut informierten Kontakten in der Region sprechen. Solche Aufenthalte sind von unschätzbarem Wert. Sie vertiefen das Verständnis für diese Märkte und ermöglichen somit differenziertere Anlageentscheidungen.
Uns sind vor Ort im Mittleren Osten vor allem drei Punkte aufgefallen: Erstens bieten Unternehmensanleihen der Region reichlich Anlagechancen, wobei einige Sektoren attraktiver erscheinen als andere. Zweitens werden die Regierungen und staatsnahen Institutionen der Region offener und routinierter im Umgang mit Anlegern, und drittens gibt es schon heute ein deutlich breiteres und fundierteres Investoreninteresse an der Region, das weiter zunimmt.
Es bleiben einige Herausforderungen im Mittleren Osten
Trotz all dieser Pluspunkte steht der Mittlere Osten dieses Jahr vor einigen Herausforderungen. Erstens werden 2019 in grossem Umfang Staatsanleihen von Regierungen und staatsnahen Institutionen der Region ausgegeben. Saudi-Arabien und Katar sind schon mit milliardenschweren Emissionen an den Markt gegangen, und der saudische Öl-Gigant Aramco soll in Kürze eine ähnlich hohe Summe platzieren. Ein weiterer Kandidat für eine Anleiheemission ist der Oman.
Zweitens ist die politische Landschaft der Region weiterhin komplex. Es gibt zwar Anzeichen einer Entspannung zwischen Katar und seinen Nachbarn, aber ein beispielloses Niveau an politischem Taktieren bleibt an der Tagesordnung. Drittens ist der Ölpreis weiterhin ein Hauttreiber für die Kreditqualität der Region. Kurzfristig stimmt optimistisch, dass die Opec ihre Produktionsmenge konstant zügelt. Auf längere Sicht könnte aber eine mögliche Ausweitung der US-Schieferölproduktion die Regierungen im Mittleren Osten zu noch mehr Disziplin zwingen.
Chancen überwiegen die Risiken im Nahen Osten
Alles in allem gibt es einige Gründe, warum sich Anleger dieses Jahr mit Anleihen aus der Region auseinandersetzen sollten. Unterstützungsfaktoren sind der feste Ölpreis, ein immer breiteres Spektrum an Emittenten, steigende Investorennachfrage sowie die Tatsache, dass sich die Region zunehmend aus der Schusslinie zwischen Ost und West nimmt. Kurzum: Es gibt viele Pluspunkte, die für den Mittleren Osten sprechen und eine höhere Portfolio-Allokation rechtfertigen.
*Theo Holland, Senior Portfolio Manager bei Fisch Asset Management in Zürich