Gemessen an seiner bisherigen Laufbahn hatte man ihm alles zugetraut: Gestartet war Philipp Hildebrand als «Kofferträger» am World Economic Forum in Davos, dann studierte er International Relations und scheffelte bei einem Hegde Fund Millionen, bevor er es mit gerade einmal 40 Jahren an die Schalthebel der Schweizerischen Nationalbank (SNB) schaffte. In den letzten Wochen wurde er gar als «Kronfavorit der Bahnhofstrasse» für die offenbar unvermeidliche Ablösung von UBS-Präsident Marcel Ospel gehandelt. Bis er sich Mitte Monat via «Wall Street Journal» aus dem Spiel nahm.

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Der Jobwechsel zur grössten Privatbank war von vornherein ein No-Go. Denn es hätte leicht als Zeichen der Schwäche der UBS verstanden werden können, wenn nun sogar die Notenbank der kriselnden Grossbank personell hätte beistehen müssen. Zudem hätten sich Interessenkonflikte zuhauf aufgetan. Die SNB steht täglich in regem Geschäftskontakt mit der UBS, über den Wertpapier- und Devisenhandel, übers Kreditgeschäft, über die Geldmengensteuerung.

Wahr ist aber auch: Hildebrand hat mit Ospel seit vielen Jahren in vielfältiger Weise zu tun. Kennen gelernt haben sich die beiden über den Hedge Fund Moore Capital Management (MCM), bei dem Hildebrand zwischen 1995 und 2000 arbeitete und der damals im Handelsgeschäft ein wichtiger Kunde des Schweizerischen Bankvereins war. Im Rahmen institutionalisierter Gesprächsrunden zwischen dem SNB-Direktorium und dem Topmanagement der Grossbank trifft der Notenbanker nicht nur Ospel, sondern auch den CEO der Bank, Marcel Rohner, mindestens zwei-, dreimal pro Jahr. Zudem tauscht sich Hildebrand regelmässig mit dem UBS-Konzernleitungsmitglied Peter Kurer aus, der als General Counsel Einblick in fast alle Interna hat.

Zu den UBS-Verwaltungsräten Sergio Marchionne, Ernesto Bertarelli und Peter Spuhler pflegt Hildebrand keine speziellen Kontakte, kennt dafür den Vertreter der künftig bedeutendsten UBS-Aktionärsgruppe. Mit dem Direktor des Staatsfonds GIC aus Singapur, Ng Kok Song, sitzt der Notenbanker im Expertengremium Agence France Trésor, das die französische Regierung in Anlagefragen berät.

Exzellente Kontakte unterhält Hildebrand zur Schweizer Regierung: Die Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf kennt er aus ihrer Zeit als Vizepräsidentin des Bankrats, und mit Finanzminister Hans-Rudolf Merz steht der «Bankier des Bundes» ohnehin in regelmässigem Kontakt. Als Vorsteher des II. Departements der SNB, dem die Abstimmung mit der Bundestresorerie obliegt, arbeitet Hildebrand besonders eng mit dem Chef der Finanzverwaltung, Peter Siegenthaler, zusammen. Im Aufsichtsorgan der SNB, dem Bankrat, hat der Währungshüter sein Heu vor allem mit dem Präsidenten der Luzerner Kantonalbank, Fritz Studer, und mit Konrad Hummler, Teilhaber der St. Galler Privatbank Wegelin, auf derselben Bühne. Ebenfalls sehr gut versteht er sich mit Pierre Mirabaud, dem Präsidenten der Bankiervereinigung. Freundschaftlich zugetan ist Hildebrand den Genfer Privatbankiers Edgar de Picciotto und Pierre Darier. Zu seinen Vertrauten gehören des Weiteren sein Vorgänger bei der SNB, Roche-Vize Bruno Gehrig, und Raymond Bär.

Ein Wechsel in die Privatwirtschaft hätte Hildebrands Einkommen wohl vervierzigfacht. Doch finanzielle Anreize können ihn, den Multimillionär, kaum locken. Immerhin winkt ein anderer Preis: SNB-Präsident Jean-Pierre Roth geht im Frühjahr 2011 in Pension – als Nachfolger ist Hildebrand gesetzt.

Währungshüter unter sich

Keiner sonst im dreiköpfigen SNB-Direktorium ist international annähernd so hochkarätig vernetzt wie Philipp Hildebrand. Die Liste seiner Kontakte zu Notenbank-Gouverneuren, Regulatoren und führenden Ökonomen liest sich wie ein Who’s who des Weltwährungs-Establishments. Mit dem Chairman des amerikanischen Federal Reserve System, Ben Bernanke, wie auch mit dessen Stellvertreter, Donald Kohn, pflegt Hildebrand beste Beziehungen. Ein offenes Ohr für seine Anliegen hat stets auch Timothy Geithner, Präsident der Notenbank von New York und stellvertretender Vorsitzender des Federal Open Market Committee. Auf Hildebrands Zeit bei Moore Capital geht die Bekanntschaft mit dem Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, zurück. Seit damals verkehrt er auch mit dem früheren Goldman-Sachs-Investmentstrategen Mario Draghi, der mittlerweile die italienische Zentralbank leitet und als Chairman des gegenwärtig besonders geforderten Financial Stability Forum amtiert. Mit Larry Summers, dem Finanzminister von Ex-Präsident Bill Clinton und jetzigen Harvard-Professor, tauscht sich Hildebrand ebenfalls periodisch aus. Zu den ökonomischen Vordenkern, auf deren Einschätzungen er etwas gibt, zählt im Übrigen der vormalige Chefökonom von JP Morgan, John Lipsky, der heute beim Internationalen Währungsfonds in Washington als First Deputy Managing Director die Fäden zieht.

Seine Sportsfreunde

Philipp Hildebrand ist kein Partygänger und kreuzt sehr selten an Celebrity-Anlässen auf. Die wenige Freizeit, die ihm neben seinen Pflichten als Geldpolitiker bleibt, verbringt er im engsten Familienkreis – oder mit sportlichen Aktivitäten. Der ehemalige Spitzenschwimmer und mehrfache Schweizer Meister in der 4-mal-100-Meter-Staffel hält sich heute mit ausgedehnten Bergwanderungen, Velotouren und alpinem Skifahren fit. Zu seinen bevorzugten Sportkameraden gehört der Hedge-Fund-Spezialist Rainer-Marc Frey. Wenn die beiden die Pisten unsicher machen, um beispielsweise gemeinsam das Parsenn-Derby zu absolvieren, so geschieht dies fast immer in einem kompetitiven Geist. Auch mit Daniel Zuberbühler, dem Direktor der Eidgenössischen Bankenkommission, begibt sich Hildebrand gern auf die Bretter, oder man trifft sich im Sommer zum Trekking.

Sein Privatleben

Zum engsten Freundeskreis des Notenbankers gehört der kanadische Zentralbankgouverneur Mark Carney, mit dem er seinerzeit in Oxford studierte und der bei Hildebrands Hochzeit als Trauzeuge fungiert hat. Gattin Kashya Hildebrand, geborene Mahmood, betätigt sich als Kunsthändlerin und betreibt im Zürcher Bankenviertel eine Galerie. Die Amerikanerin war früher als Börsenhändlerin tätig.