Roel De Meester ist ein sportlicher Mensch. Er fährt Mountainbike und Ski, joggt und wandert. Doch was er in der Fabrikationsstätte von Toyota sah, hat ihn schwer beeindruckt. Nein, nicht nur die optimale Verbindung von Massenproduktion mit hochwertiger Werkstattfertigung. Erschüttert hat ihn ein Detail, das seiner Meinung nach die japanische Arbeitskultur perfekt zum Ausdruck bringt: In einem langen Gang passieren die Mitarbeitenden einen Geschwindigkeitsmesser, der aufzeigt, wie rasch eine Person von A nach B traversiert. 8 km/h sind allemal drin.

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«In der Schweiz, ja in Europa wäre diese Geschwindigkeitskontrolle undenkbar», ist der 44-jährige Belgier überzeugt. Eine Parallele zwischen Cilag und Toyota sieht der General Manager hingegen in der möglichst geringen Verschwendung von Ressourcen und einer umweltverträglichen Produktion. Im vergangenen Jahrhundert roch es im Schaffhauser Hochstrasse-Quartier ätzend nach Chemie. Heute gelingt es den Besuchern kaum, Spuren chemisch-pharmazeutischer Prozesse zu erschnüffeln. «Diese Geruchlosigkeit ist uns sehr wichtig», betont De Meester. «Denn unsere Anlage liegt Zaun an Zaun mit den Privathäusern der Einwohner.»

Botschafter für den Standort

Dass die Nachbarschaft glücklich sein soll mit Cilag, gehört zu Roel De Meesters Lokalpolitik. Stadt und Kanton Schaffhausen haben in ihm nicht nur den grössten privaten Arbeitsgeber am Verhandlungstisch, nein: Der Pharmachef ist zugleich einer der besten Botschafter des Standorts Schaffhausen. Da die Familie De Meester schon seit über acht Jahren in einer Schaffhauser Gemeinde wohnt, kommt der Patron ins Schwärmen und ist kaum zu bremsen: «Diese Kleinstadt und ihre Umgebung bieten einer Familie den perfekten Ort für Aktivität und Ruhe, für Multikulturalität und Lokalpatriotismus. Ich kann mir sogar vorstellen, hier alt zu werden.»

Roel De Meester freut sich, dass seine Kinder in der Internationalen Schule und in der Kernfamilie bereits so viele Sprachen sprechen wie er und dank der Vielfalt der Schweiz eine nicht zu überbietende kulturelle und geografische Diversität erleben. «Ich habe dort studiert, wo ich geboren wurde. Für mich wäre es undenkbar gewesen, mit fünf Jahren schon Skifahren zu lernen wie mein Sohn.»

Mühe hatte der Belgier einzig mit der Formalität der Schweizer: «Als wir 2001 in die Schweiz übersiedelten, war ich es gewohnt, dass man einander mit dem Vornamen und mit Du anspricht. Dieses Herr Soundso war eine ganz grosse Herausforderung für mich.»

Kultur der offenen Tür

Seitdem der frühere Qualitätsmanager der Cilag auch der oberste Chef ist, wurde der Umgangston lockerer. Roel lässt sich von allen Mitarbeitenden, mit denen er persönlich zu tun hat, duzen. Und seine Bürotür steht immer allen offen. Wer einen Rat braucht, geht einfach ins Büro hinein. «Diese Offenheit klappt bestens», erzählt Roel De Meester. «Es ist nicht einfach, ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitenden und einem Ausländeranteil von 30% zu führen. Aber mit unserer Methode der flachen Hierarchie fällt es leichter.»

Und wohin geht der Chef, wenn er Rat benötigt? «Je nach Thema rede ich mit meinen Mitarbeitenden oder meiner Frau. Ich bin kein Einsiedler, der im stillen Kämmerlein brütet. Ich spiele als Coach mit meinem Team so lange mit Argumenten herum, bis sich die Lösung herauskristallisiert.»

Kochlabor als Passion

Dieses Laborieren erinnert an den studierten Pharmazeuten, aber auch an den Hobbykoch: An den Wochenenden steht De Meester oft lange in der Küche, um ein leckeres Mahl zuzubereiten. «Dabei finde ich Ruhe.» Seine Kochbücher nutzt er nur als Animation vor dem Einkaufen. Danach verlässt er sich auf seine Intuition und kreiert Menus, die es genau so vielleicht nie wieder geben wird. Wenn er die Teller serviert, ist die Küche bereits wieder blank geputzt und aufgeräumt, fast so wie ein Labor.

Auch beim Reisen zieht er Improvisation der Routine vor und setzt alles daran, langweilige Strandtage zu vermeiden. «Ich entspanne mich am besten, wenn ich in Interaktion bin mit Menschen aus mir fremden Kulturen. Der Austausch mit ihnen bereichert mich ungemein.»

Wer so gebildet und interessiert ist wie Roel De Meester, ist sich sicher auch der wirtschaftlichen Bedeutung von Frauen auf der Führungsetage bewusst, oder? Nach dieser Frage verstummt der General Manager kurz, um dann verschämt zu gestehen, es gebe keine Frau im Board. «Das tut mir selber leid, denn das Zusammenspiel der Geschlechter wäre bestimmt interessant.»

Hingegen setze die Cilag alles daran, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. «Diversität der Lebensgestaltung gehört zu den Themen, die wir unseren Mitarbeitenden ermöglichen wollen. Es ist unser Ziel, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.»

Von Kindern lernen

Gibt es Menschen aus früherer oder heutiger Zeit, welche ihn, der als Kind Fussballer werden wollte, faszinieren? Während andere Manager verstorbene Kriegsherren ins Feld führen oder aktuelle politische Führer nennen, weist der Unternehmer eine solche Verbindung von sich. «Ich will keine andere Persönlichkeit kopieren, auch wenn mich zum Beispiel Obamas Antrittsrede tief beeindruckt hat.»

Als wärs eine Ansammlung von Farbtupfern anstelle eines Ölgemäldes lernt De Meester am meisten von seinen Nächsten. «Gerade Kinder sind absolut bewundernswert. Wie sie mit grosser Leidenschaft ungebremst auf ein Ziel hin arbeiten, finde ich grossartig.»

Wenig materielle Wünsche

Was für Träume hat der General Manager privat? Wie würde er einen privaten Lottogewinn verwenden? Roel De Meester staunt über die Frage, dann antwortet er trocken: «Mich hinsetzen, ein Glas Wein trinken und mit meiner Frau darüber reden. Abgesehen von einem Sportwagen zusätzlich zum heutigen Familienkombi würde ich sicher weiterhin das machen, was ich heute tue, und zwar gleich wie heute.»

Und was tut er denn genau? Roel De Meester sieht sich als Kapitän, allerdings als ein unhierarchischer: «Ein Käpten ist ohne seine Crew nichts wert. Ich bin nur dazu da, der Mannschaft den Weg zu weisen und das Schiff geschickt durch Sturm und Flaute zu steuern.»

Die ständige Veränderung des Geschäftsumfelds sei typisch für seinen Job: «Veränderungen sind ganz normale Herausforderungen. Sie bergen auch grosse Chancen in sich», betont De Meester, der es gar nicht mag, wenn Arbeitgeber wie Arbeitnehmer ständig über die Wirtschaftskrise klagen. «Ein Industriebetrieb sollte sich ständig verändern und Innovationen hervorbringen, sonst driftet er rückwärts.» Und rückwärts zu fahren gäbe dann ein ganz schlechtes Bild ab, gibt der Hobbyfotograf zu bedenken.

Sein Job sei es, dem Mutterhaus täglich zu beweisen, wie wichtig der Produktionsstandort Schaffhausen sei. «Wir müssen uns als Teil eines Grosskonzerns laufend bewähren.» Johnson & Johnson, muss abgelaufene Patentrechte, welche umgehend von Generika konkurrenziert werden, kontinuierlich durch Innovationen ersetzen. «Unsere Produkte sind lebenswichtig», freut sich Roel De Meester. «Wenn ein schizophrener Mensch, der bisher isoliert war, dank unseren Tabletten am sozialen und beruflichen Leben wieder teilnehmen kann, lohnt es sich für uns, am Morgen aufzustehen und weiterzuarbeiten!»