Er schrieb auf seine Facebook-Pinnwand: «Ich bin Teil des Clubs der Unglückseligen.» Darauf antwortete sein Kollege: «Willkommen im Club» - nun sind beide ihren Job bei der Ingenieurfirma los, und erst noch zu Recht. Denn ein Gericht entschied, die Entlassung der beiden Mitarbeitenden aufgrund ihrer Facebook-Kommentare sei rechtens. Zwar waren ihre Bemerkungen nicht allgemein gehalten, aber einsehbar für «Freunde von Freunden» und damit auch andere Mitarbeitende des Unternehmens. Dieses warf den beiden nichts Geringeres als «Verunglimpfung» und «Anstachelung zur Rebellion» vor.
Der Fall aus Frankreich zeigt eine neue Problematik auf: Rufschädigung via Internet. Auch die Schweizer Justiz zieht beim Cybermobbing die Zügel an. Kürzlich wurde eine junge Frau verurteilt, weil sie jemanden auf Facebook beschimpft hatte. Ein Urteil mit Signalwirkung auch für Unternehmen und Angestellte. Kein Wunder, warnte der französische Anwalt Facebook-Nutzer vor Einträgen über ihre Firma - selbst wenn sie ironisch gemeint sind.
Überreaktion
Erachten nun Schweizer Unternehmen die sozialen Netzwerke als Gefahr, da ihre Mitarbeitenden dort vertrauliche Daten oder gar Verunglimpfungen verbreiten könnten? Diese Frage stellte die Schweizerische Kaderorganisation (SKO) in Zürich ihren Mitgliedern. Von den 145 Umfrageteilnehmern erklärten 82, sie sähen in Facebook und Co. eine Bedrohung für ihren Ruf, 53 fürchten keine Gefahr, 10 wussten es nicht. Die Fälle von Entlassung wegen Rufschädigung im Netz lassen sich europaweit an einer Hand abzählen: 2008 entliess Virgin Atlantic 13 Kabinenbesatzungsmitglieder, die ihren Unmut über ihren Arbeitgeber auf Facebook kundgetan hatten. Im Februar 2009 wurde eine 16-Jährige in Grossbritannien entlassen, weil sie auf ihrer Facebook-Seite ihre Arbeit als langweilig bezeichnete - ohne ihren Arbeitgeber namentlich zu erwähnen.
Die Angst vor digitaler Rufschädigung scheint grösser als die reale Gefahr. In einer internationalen Umfrage des Genfer Personalvermittlers Manpower erklärten nur gerade 4 Prozent der Arbeitgeber, dass ihre Mitarbeitenden den Ruf der Firma schon einmal über soziale Netzwerke geschädigt hätten. «Obwohl Einzelfälle immer wieder für Wirbel sorgen, könnte das Rufschädigungspotenzial für Unternehmen kleiner sein als oft angenommen», sagt Urs Schüpbach, Generaldirektor von Manpower Schweiz. Auch in der Umfrage der Kaderorganisation SKO gaben 100 von 145 Personen an, keine schlechten Erfahrungen gemacht zu haben, 35 hatten schon mit Rufschädigung in sozialen Medien zu tun.
Die Gefahr müsse relativiert werden, findet auch Regula Fecker, Partnerin der Zürcher Werbeagentur rod und Expertin für Social Media. «Hier wird ziemlich überreagiert, denn wenn ein Ex-Mitarbeiter sich in einer Gruppe mit wenigen Mitgliedern oder auf einer Seite mit einer Handvoll Freunden negativ äussert, dann hat das auf einer grossen Skala keine Auswirkungen. Dies sagt eigentlich mehr aus über die Person, die sich äussert.» Tatsächlich gibt es zu denken, dass Firmen ihren ehemaligen, aktuellen oder potenziellen Angestellten online hinterherschnüffeln, wo sie doch beim Lamentieren am Stammtisch bisher nie intervenierten.
«Ideale Grundlage für Rufmord»
Doch die Angst der Unternehmen ist nicht aus der Luft gegriffen, denn die Worte von Unzufriedenen können zerstörerisch wirken. Auf das digitale Ansehen fällt leicht Schatten: «Die neuen Medien mit ihren Foren, Blogs und Chats sind die ideale Grundlage für Rufmord», sagt Wolfgang Seger, juristischer Mitarbeiter bei Martin Rechtsanwälte in Winterthur. «Sogenannte Hassseiten zerstören wirtschaftliche und private Existenzen.»
Rechtlich bewegen sich Arbeitgeber auf dünnem Eis, wenn sie bei digitalen Unmutsäusserungen Kündigungen aussprechen, denn die wenigsten Arbeitsverträge nehmen Bezug auf digitale Profile. Dazu Seger: «Facebook ist eine juristische Hydra, da Social Network juristisch eine Vielzahl sein kann: Eine Datenbank, ein Marktplatz für Kleinanzeigen, eine Kontaktbörse.» Bei Blogs müsse der Betreiber Negativeinträge löschen. Er könne allenfalls gar verklagt werden, was aber schwierig sei. Denn Interneteinträge könne man mittels Way-Back-Maschinen dem Zugriff der IT-Cracks nie mehr ganz entziehen.
Das deutsche Unternehmen «deinguterruf.de» hat sich zur Aufgabe gemacht, beleidigende Inhalte im Netz zu löschen. Vor drei Jahren gründete Martin Lux in Düsseldorf den ersten europäischen Anbieter für Online-Reputations-Management. Zunächst richtete er sich an Private, die ab 30 Euro eine Negativaussage aus dem Netz entfernen lassen können. Seit einiger Zeit nimmt der Anteil an gewerblichen Kunden zu. «Die Möglichkeiten der Verleumdung sind so vielfältig wie das Web», sagt Pressesprecher Christian Keppel. Die Palette reiche von Unwahrheiten über sehr subjektiv dargestellte Interna bis hin zum Identitätsdiebstahl. «Für Unternehmen ist es ungleich schwerer, negative Inhalte loszuwerden und positive Aussagen ausserhalb der eigenen Plattformen durchzusetzen», räumt Keppel ein. «Denn jede virtuelle Äusserung im Netz wird konserviert und bedeutet eine nachhaltige Beeinflussung der Reputation.»
Was rät er Führungskräften? Sie müssten akzeptieren, dass der Ruf ihres Unternehmens nicht mehr allein durch PR und klassisches Marketing gesteuert werden könne. Vielmehr bilde sich das Ansehen in Blogs, Foren und Social Media, wo unzählige User unkontrolliert Unwahrheiten verbreiten, Verleumdungen platzieren und damit Print- und TV-Kampagnen leicht konterkarieren könnten. Die Internetgemeinschaft bevorzuge eine offene Kommunikation, «daher nähert sich die Zeit der ?zugeknöpften? Unternehmen in den nächsten Jahren dem Ende», ist Keppel überzeugt. Statt bloss passiv ihre Angestellten zu observieren, müssten Firmen in sozialen Medien authentisch auftreten, neue Inhalte schaffen und diese kontinuierlich pflegen.
«Eine Charta für den Umgang mit Facebook»
Urs Schüpbach, Generaldirektor Manpower Schweiz
Wie gehen Firmen mit der Gefahr der Rufschädigung in sozialen Netzwerken um?
Urs Schüpbach: Laut der Umfrage haben 75 Prozent der Arbeitgeber weltweit kein Reglement zur Benutzung sozialer Netzwerke im Unternehmen. Jene mit klaren Richtlinien sind eher restriktiv. Wenn man die sozialen Netzwerke in die Unternehmenspolitik einbezieht, sollte man einen Rahmen für ihre Benutzung schaffen. Es muss auf die Risiken eines Missbrauchs hingewiesen werden, besonders was den Ruf des Unternehmens anbelangt.
Nehmen diese Missbräuche zu?
Schüpbach: Unseres Wissens gibt es keinen Anstieg von Imageproblemen aufgrund sozialer Netzwerke. Wenn ein Unternehmen diese neue Technologie einführt, muss es bereit sein, Zeit zu investieren, in Echtzeit mit seinen Gesprächspartnern zu kommunizieren, schnell zu reagieren und unter allen Umständen Red und Antwort zu stehen. Versucht ein Unternehmen, negative Kommentare mit Schweigen abzutun, könnte dies negative Folgen haben.
Wie restriktiv soll man betriebsintern den Umgang mit sozialen Medien regeln?
Schüpbach: Wir versuchen mit sozialen Netzwerken den Erfahrungsaustausch zu fördern und das Verantwortungsbewusstsein der Nutzer zu wecken. Wir haben mit unseren Mitarbeitenden eine Charta erarbeitet; diese definiert Best Practices, gibt Empfehlungen zur Benutzung des Markennamens und warnt vor den Risiken einer unvorteilhaften Kommunikation.
Wie können Firmen soziale Netzwerke gewinnbringend einsetzen?
Schüpbach: Mitarbeitende müssen informiert, geschult und sensibilisiert werden. Richtig genutzt, können soziale Netzwerke ein revolutionäres Kommunikationsmittel darstellen und Mitarbeitende motivieren. Aber die Netzwerkseiten müssen regelmässig bewirtschaftet werden - ein grosser Aufwand.