Ein Unternehmensberater ist so etwas wie eine eierlegende Wollmilchsau. Er soll in Krisensituationen die richtigen Lösungsvorschläge parat haben. Bei Ideenstau für neue Einfälle in der Chefetage sorgen. Und nebenbei noch Zukunftsvisionen für die zu beratendeFirma entwickeln. Nicht zuletzt ist er derjenige, auf den viele Manager die Verantwortung abschieben, wenn es um Reduzierung des Personalbestands oder um Strukturanpassungen geht.
Bei diesen Herausforderungen sind Unternehmensberater nicht verlegen, Lösungen zu präsentieren. Wie sieht es aber mit Prognosen in eigener Sache aus? Wird die eigene Branche genauso scharf analysiert wie jede andere? Oder schrecken Schweizer Beraterinnen und Berater vor kritischen Aussagen, die sie selbst betreffen, zurück?
Auftragslage scheint sich eingependelt zu haben
Dass die Probleme erkannt werden, zeigt die aktuelle Asco-Beratermarktstudie. Sie ist der jährlich herausgegebene Branchenreport des Verbands Schweizer Unternehmensberater, in dem sich 2200 Schweizer Berater organisieren.
Jener Teil der Studie, der einen Überblick über die Marktgrösse und die Umsatzentwicklung gibt, zeichnet zunächst ein positives Bild: Nach dem Einbruch durch die Finanzkrise scheint sich die Auftragslage eingependelt zu haben: Die etwa 100 Schweizer Beratungsunternehmen, die an der Studie teilnahmen – sie decken etwa 70 Prozent des Markts in der Schweiz ab – konnten ihren Umsatz mehrheitlich steigern. Vor allem die kleinen Unternehmensberatungen verzeichneten einen Auftragszuwachs. Ein Drittel der grösseren Unternehmensberatungen meldeten eine Umsatzsteigerung zwischen 6 und 10 Prozent. Das schlägt sich auch in einem Zuwachs der angebotenen Stellen nieder.
Technologischer Wandel als Herausforderung
Trotz diesen positiven Zahlen weisen die Studienherausgeber auf einige Branchenprobleme hin. «Die Beraterbranche wird in den nächsten Jahren einen grossen Wandel erfahren», sagt Marcel Nickler, Präsident des Beraterverbands Asco. Kunden würden etwa aufgrund des technologischen Wandels ständig neue Lösungen verlangen. Der Nutzen der Beratung, also der sogenannte «Return on Consulting», müsse noch stärker herausgearbeitet werden.
Berater möchten sich, so der Branchenreport, vor allem als Innovationstreiber in Unternehmen sehen und ihre Rolle dahingehend verändern. «Berater sollen die Innovationen unterstützen, indem sie die bestehende Vorgehensweise des Kunden einer kritischen Überprüfung unterziehen», so die Studie. Es gehe nicht mehr nur darum, Expertenwissen von aussen beizusteuern, das werde inzwischen sowieso vorausgesetzt.
Abgrenzung vom Interimsmanager
Der Versuch dieser Profilierung der Berater als Innovationstreiber in Unternehmen könnte mehrere Gründe haben: Ein Erklärungsansatz ist der Druck vonseiten der Interimsmanager, also der Manager auf Zeit, die klassische Managementaufgaben in gewissen Situationen übernehmen und sich grosser Beliebtheit erfreuen. Von diesen Lieferanten einer Art «Management-Grundversorgung», wollen sich die Berater wohl abgrenzen.
Ein anderer Erklärungsansatz ist, dass sich Berater für KMU attraktiver machen wollen, für die Beratungsdienstleistungen oft zu teuer sind und deren Akzeptanz vor allem in Betrieben, die von einem Patron geführt werden, noch niedrig ist. Diese bringen Unternehmensberater immer noch vor allem mit Grosskonzernen in Verbindung.
Ein neues Rollenverständnis von Unternehmensberatern
In diesem Spannungsfeld arbeiten die Unternehmensberater in der Schweiz an einem neuen Rollenverständnis. Sie sollen «Sparringspartner» des Kunden sein und diesem auf Augenhöhe begegnen. Sogar der Projektauftrag soll hinterfragt werden. «Die bestehende Vorgangsweise von Kunden soll einer kritischen Überprüfung unterzogen werden», so das Fazit der Studie.
«Die inhaltliche oder technische Expertise der Beraterinnen und Berater ist die Basis jeder guten externen Beratung und wird auch unersetzlich bleiben», erklärt Studienautor Holger Greif. «Der Mehrwert der externenBeratung zeigt sich im Einbringen themen- und branchenübergreifender Kenntnisse und in der kritischen Betrachtung des Projektauftrags.» Das Mandat solle nicht starr gemäss Auftragsbeschreibung ausgeführt werden.
Was bringen Berater überhaupt?
Wichtiges Element der Studie ist auch eine andere Kernfrage: Nämlich jene, was Berater überhaupt bringen. Wie kann man also den Mehrwert, den ein Unternehmensberater bringt, der mehrere Monate für eine Firma arbeitet, messen? Das Problem ist, dass eine direkte Messung nur bei einzelnen Projekttypen wie Einkaufsmandaten oder Restrukturierungsaufgaben möglich ist. Die in der Studie befragten Kunden forderten, dass der Mehrwert der Beratung transparenter sein und besser kommuniziert werden müsse. Die Berater sollen «beim Wort genommen werden können».
«Zu einer erfolgreichen Beratunggehören branchenübergreifende und mutige Ansätze sowie der Wille zu einer Diskussion auf Augenhöhe – das ist ein bisher häufig zu wenig ausgeschöpftes Potenzial der Beraterinnen und Berater», so Studienautor Greif.
«Schwarm-Beratung»
Eine Möglichkeit für Kunden, flexibler auf die Leistung des Beraters zu reagieren, sind natürlich erfolgsabhängige Honorare. Eine Variante, die vermehrt genutzt wird, sich aber noch bei Weitem nicht durchgesetzt hat. Auch eine andere Honorarform, das sogenannte Consulting for Equity, also Beratung. die durch Anteile honoriert wird, hat sich noch kaum durchgesetzt.
Nicht zu vergessen ist auch, dass sich Beratungsunternehmen in der Schweiz in zwei sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle aufgespaltet haben: Einerseits den «One-Stop Shop», also eine Unternehmensberatung, die alle Themen aus einer Hand bietet und den Kunden weltweit beraten kann. Das zweite Modell ist eher mit einer «Boutique» vergleichbar. Das heisst, ein Berater fokussiert sich auf wenige Themen und profiliert sich durch Spezialisierung.
Technologiegetriebene Veränderung
Ob sich diese Geschäftsmodelle in Zukunft verändern, ist offen. Peter Dauwalder von KPMG sieht vor allem eine technologiegetriebene Veränderung. Technologie ermögliche bald zeitlich und geografisch unabhängig, Projekte ausverschiedenen Bereichen schnell zu bewältigen. «Vielleicht wird man ein solches Geschäftsmodell ‹Schwarm-Consulting› nennen», so Dauwalder. «Damit würden lose Netzwerke von Beratungsboutiquen und Einzelberater zu globalen One-Stop Shops.
Das könnte ein dritter Weg sein», glaubt der KPMG-Mann. Die Widerstände bei der Etablierung des Beraters in einer neuen Rolle als kritischer Sparringspartner des Kunden und die Adaption neuer digitaler Geschäftsmodelle, die nichts mehr mit den alten Lösungsansätzen zu tun haben, dürften dabei der Beraterzunft die grösste Arbeit bereiten.