Während 16 Monaten hat sich Christoph S. ununterbrochen für einen Marketingjob beworben. Ohne Erfolg. Doch ebenso hart wie die Arbeitslosigkeit traf ihn etwas anderes: «Ich habe rund 400 Bewerbungen geschrieben, aber nur auf jede Dritte eine Bestätigung oder Absage erhalten», klagt er. Dies, obwohl er bei rund der Hälfte der ausgeschriebenen Stellen die Anforderungen erfüllt habe. Sein «Fehler»: Christoph S. hat praktisch jede Bewerbung per Mail verschickt.

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Obwohl Internetbewerbungen das Prozedere für alle Beteiligten erleichtern sollten, schaffen sie zunehmend neue Probleme. «Das Frustpotenzial bei den Stellensuchenden ist recht gross. Die Internettechnik ist oftmals weiter, als es deren Benutzer sind», bestätigt Sabine Biland-Weckherlin von der Personalberatungsfirma Da in Zürich. Sie ist überzeugt, dass ein Unternehmen bei einer grossen Zahl eingehender Online-Bewerbungen schnell einmal den Überblick verliert. Die Expertin stellt fest, dass die Unverbindlichkeit zwischen den Firmen und Stellensuchenden zunimmt. «Manche Firmen versprechen, sich innerhalb kürzester Zeit zurückzumelden. Oft geschieht aber gar nichts. Ob nun diese Tendenz mit fehlendem Anstand, ungenügendem Respekt oder mangelnder Professionalität erklärt wird – das Resultat bleibt stets unerfreulich», bedauert Biland-Weckherlin.

Die Stellensuchenden sind allerdings mitschuldig am Problem. Auf Ausschreibungen für Architekten oder Hochbauzeichner etwa melden sich oft zahlreiche gänzlich fachfremde Leute. So hat ein leitender Architekt einer mittelgrossen Unternehmung an der Goldküste kürzlich Inserate in drei verschiedenen Zeitungen und im Internet geschaltet. Nun erhält er täglich Bewerbungen von ungeeigneten Stellensuchenden. Und das aus allerlei Branchen. Seine Empörung ist gross: «Ich habe sogar eine Bewerbung von einem Orgelbauer erhalten. Auf eine solche Bewerbung reagiere ich gar nicht mehr.»
 

Problemfall RAV

Kandidaten seien nach der Krise wieder flexibler in Bezug auf neue Jobs, sagt Michel Ganouchi, Sprecher beim Personalvermittler Monster Switzerland. Daher meldeten sich wieder mehr Interessierte auf offene Stellen. Das beschere den Personalabteilungen zusätzliche Arbeit am Computer. Er beobachtet wie Unternehmensberaterin Biland-Weckherlin, dass gewisse Personalabteilungen ihre Bewerbungsprozesse nicht standardisiert haben und daher oft den Überblick verlieren.

Zusätzliches Konfliktpotenzial birgt der Bewerbungszwang der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren. Nachdem Christoph S. 16 Monate lang arbeitslos war, wurde er angehalten, jeden Monat zehn Bewerbungen zu schreiben. Der Marketingspezialist musste sich daraufhin auch auf Stellen bewerben, deren Profil er überhaupt nicht entsprach.

Dass die Personalverantwortlichen neuerdings immer weniger bereit sind, derart unpassende Bewerbungen zu beantworten, kann Monster-Manager Ganouchi bestätigen: «Natürlich gibt es Konfliktsituationen. Ich verstehe hier beide Seiten.»
 

2500 Dossiers auf Papier, 10 000 Mails

Mittlerweile werden Mailbewerbungen dennoch von den meisten Arbeitgebern begrüsst. «Wir bevorzugen generell Bewerbungen auf elektronischem Weg», sagt beispielsweise Jean-Claude Donzel, Mediensprecher der Swiss. Nur für Kabinenpersonal und Piloten sei das zurzeit noch nicht möglich. Die Fluggesellschaft erhält deshalb pro Jahr nur noch 2500 Dossiers, die auf Papier eingereicht werden. 10 000 Bewerbungen kommen auf dem elektronischen Weg herein. Künftig soll die elektronische Bewerber-Plattform den «Papierprozess» ganz ablösen, weil sie die Auswahl beschleunigt und so auch schneller zu einer Antwort führen soll.

Wie schnell es gehen kann, zeigt das Beispiel des Migros-GenossenschaftsBundes: Nur mit durchschnittlich 54 Kalendertagen rechnet der orange Riese vom Inserat bis zur Einstellung. Obere Kaderstellen inklusive Assessments nehmen mehr Zeit in Anspruch. Verzögerungen gebe es nur, wenn Linienvorgesetzte Ferien haben, während Feiertagen oder auf Grund einer Änderung des Stellenprofils, sagt Mediensprecherin Monika Weibel.

Doch dazu müssen die Rekrutierungssysteme der Firmen auf Vordermann sein. Dies ist jedoch noch lange nicht überall der Fall. Bewerber klagen, dass sie viele Stunden vor dem Bildschirm verbringen, um ihre Unterlagen hochzuladen. Oft seien die Bewerbungsmasken nicht benutzerfreundlich oder stürzten nach Eingabe der gesamten Bewerbung ab.

Christoph S. hat es am Ende doch noch geschafft. Er wird nun eine neue Stelle im Juni antreten. Ein junger Personalberater in Wohlen vermittelte ihm den Job. Empfehlenswert sind für ihn kleinere, seriöse Personalvermittlungsbüros, die sich auf persönliche Weise um Stellensuchende bemühen. Schlechte Erfahrungen machte er mit grösseren Personalvermittlern, die in den Bewerbern eher ein lukratives Vermittlungsprodukt sehen als eine Fachkraft auf Stellensuche.

Trotz Enttäuschung über fragwürdige Umgangsformen auf dem Arbeitsmarkt erinnert sich Christoph S. auch an ein positives Beispiel, die freundlichste Absage, die er je erhalten hat: «Ricola legte dem Brief gleich ein Paar Bonbons bei.»

Bewerbung

Tipps für eine saubere Bewerbung auf elektronischem Weg:

  • Kurz gehaltener Text in der E-Mail.
  • Anschreiben als PDF angefügt.
  • Aussagekräftiger Lebenslauf als PDF angefügt.
  • Je nach Wunsch des Arbeitgebers: Ein PDF-File mit allen Zeugnissen und Diplomen.
  • Nicht zu viel Anhänge einzeln.
  • Seriosität beweisen: Neutrale E-Mail-Adresse, am besten vorname.nachname@internetanbieter.
  • Nur PDF-Dateien schicken, damit das Dokument nicht «zerschossen» wird.
  • 3 MB nicht überschreiten.
  • Frühestens nach einer Woche anrufen.
  • Am Telefon auffallende Fragen stellen, kein Standard.
     

Quelle: HR-Abteilung von Monster