Da sitzt er also. Der Jobkiller. Der mit den Spikes an den Ellenbogen, wie ein ehemaliger Weggefährte über ihn urteilt. Oder einfach: «Der Rasenmäher-Mann».

Er, Christoph Brand, trägt eine dunkle Schürze, erzählt aus seinem Leben. Von einer verschleppten Erkältung, die ihn plagt. Der Chef des Telekom-Unternehmens Sunrise unterbricht immer wieder, hustet. Die Angestellten des Coiffeur-Salons in Zürich würden ihm am liebsten einen Ingwer-Tee machen. «Der junge Mann ist so bleich», sagt einer der Haarkürzer, und: «So normal».

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Säure über Glänzendes

Der 38-Jährige kennt keine Chefallüren. Er hasst Spezialbehandlungen. «Wer mir etwas zu sagen hat, soll es mir sagen. Direkt, ungeschminkt.» Aber Vorsicht: «Ich tue dasselbe.» Wer damit nicht umgehen kann, ist fehl am Platz. Ebenso wie jemand, der sich nicht für das Unternehmen engagiert. «Oder der nicht dieselben Werte vertritt, die für die Firma gelten.» Dann müsse man miteinander ehrlich sein, sich in die Augen schauen, die Hand reichen und sagen: «Das wars.»Der Hobby-Fechter und Saxophonist lehnt sich nach vorne. Er trägt keine Krawatte, der oberste Hemdknopf ist offen. Vor ihm eine Flasche Coke Zero. Ausnahmsweise. Er ist kaffeesüchtig. Vielleicht, weil er neben einer Kaffeerösterei aufgewachsen ist. «Das ist doch normal», sagt er. Ruhig. Auf die Frage, weshalb das halbe Managementteam Sunrise seit seinem Antritt verlassen hat: Freiwillig die einen, weniger die anderen. «Ich will eine Kulturveränderung in diesem Unternehmen. Da muss ich Säure über Glänzendes giessen, um zu sehen, ob es Bestand hat.» Wenn nicht, werden die Konsequenzen gezogen.«Ich bin nicht jemand, der zögert. Ich verlange extrem viel. Manchmal zu viel, zu schnell.» Gespräche enden schon mal mit einer Forderung wie: «Das ist gut so. Aber ab jetzt bitte doppelt so schnell und halb so teuer.» Wer eine solche Aufgabe packt, ist bei Brand hoch im Kurs. Für gute Mitarbeiter sei er gerne bereit, mehr zu zahlen. «Was ist das für eine Leistung irgend eines Unternehmens, wenn die Lohnsumme bei gleich hoher Mitarbeiterzahl sinkt? Ist das ein Erfolg? Nein, ein Armutszeugnis.»

Auch ohne Sunrise-«Chäppi»

Der Sohn eines Zoologen teilt aus, auch Lob. «Wir haben eine ausgesprochene Lobgeiz-Kultur im deutschsprachigen Raum. Wir loben viel zu wenig.» Also doch, ein ganz Netter, dieser Brand. «Aber», fügt er an, «es darf auch nicht so wie in anderen Kulturen sein, in denen man jemandem, der nach dem Gang zur Toilette die Hände gewaschen hat, sagt: «Great Job».Um beim neuen starken Mann der Nummer zwei im Schweizer Telekommarkt Anerkennung zu finden, braucht es mehr. Gleiches gilt umgekehrt. Brand ist der sechste Chef in sechs Jahren, den die Sunrise-Angestellten vor die Nase gesetzt bekamen. Und dann noch einer von der anderen Seite. Dem Feindbild par exellence: Swisscom. Dass sich Brand an seinem ersten Tag weigerte, einen Firmen-Pin zu tragen, trug nicht zum Abbau von Vorurteilen bei. «Das kam nicht gut an», gesteht er heute. «Als ich begriff, was ich da gemacht habe, habe ich mich innerlich geschlagen.» Trotzdem sei es rückblickend richtig gewesen. «Ich habe jahrelang für die Konkurrenz gearbeitet, kannte das Unternehmen intern nicht und hatte keinen emotionalen Bezug zur Marke. Wie ehrlich wäre es da gewesen, mit einem Sunrise-Pin an der Brust und einem Sunrise-Chäppi auf und ab zu hüpfen?»Heute würde er einen Sunrise-Pin mit Stolz tragen, sagt er. Obwohl Sunrise stagniert. Und das schon seit Jahren. «Die Firma ist nicht in einer Krise», wehrt sich Brand. «Sunrise ist eine grosse Opportunität.» Ein Spruch, direkt aus einem Managementhandbuch. Er selbst merkt es sofort. Und präzisiert: «Sunrise hat wahnsinnig viel Potenzial. Wir können es schaffen, Bewegung in diesen verknöcherten Markt zu bringen.»

Schlafen geht vor Arbeit

Das bedeutet Arbeit. Viel Arbeit. Auf die Bemerkung, 50 Stunden im Büro seien genug, lacht er schallend. «So etwas ist reine Illusion. Das schafft kein CEO, der seinen Job ernst nimmt.» Vor allem nicht bei einem Unternehmen, das von Grund auf umgekrempelt wird. Im Tower in Oerlikon wohnt Brand aber nicht. «Bei einer Firma, bei der der Chef dauernd 80 Stunden pro Woche ackert, ist etwas faul.» Das würde er nie tun. «Dafür schlafe ich zu gerne», scherzt er.Seine Frau, seine Familie, seine Freunde und der Sport sind ihm wichtig. «Das ist Leben. Ohne ist man höchstens ein halber Mensch und entsprechend auch nur ein halber Chef.» Deshalb nimmt der Jungmanager auch seine fünf Wochen Ferien im Jahr. Immer. Häufig zieht es ihn in die Berge. «Um durchzuschnaufen, abzuschalten.» Gleiches gilt für das Wochenende. Dann gibt es den Berufsmenschen Brand höchstens mal für ein paar Stunden. «Wenn es nötig ist.» Dafür sei er schliesslich bezahlt.

Variante: Schafe züchten

Am Mittag steht der Rastlose oft an der Sunrise-Sandwichbar. Bestellt einen Salat und einen Tagessaft. Setzt sich an einen der Tische und isst. Wie alle anderen auch. «Ich bin kein Übermensch.» Längst nicht alle Entscheide fallen ihm leicht. «Der härteste Moment war der Stellenabbau vor einem Jahr.» Er habe das zwar «weiss Gott nicht zum ersten Mal getan». Aber es sei immer wieder so schlimm wie beim ersten Mal. «In dem Moment, in dem mir ein Stellenabbau egal ist, werde ich aufhören. Dann mache ich etwas anderes, gehe Schafe züchten.»Rational könne man einen Stellenabbau nachvollziehen. Auf der Kopfebene. Doch emotional sei es hart. «Nach so einem Tag geht man heim und fühlt sich schrecklich.» Dieses Gefühl könne einem keiner abnehmen. «Am Schluss muss ich als Verantwortlicher hinstehen. Mir deckt niemand den Rücken.»Niemand ausser Jens Alder. Der ehemalige Swisscom-Chef ist heute CEO von TDC, der Mutterfirma von Sunrise mit Sitz in Kopenhagen. Alder ist auch Präsident des Verwaltungsrates des Schweizer Ablegers und steht in regelmässigem Kontakt mit Brand. Alders Ziehsohn wird er deshalb in den Medien genannt. Etwas, das ihn stört. «Wir kennen uns gut und arbeiten professionell zusammen. Mehr nicht.»

«Er ist unglaublich ehrgeizig»

Brand will nicht als jemand an der Leine gesehen werden. «Wir können in der Schweiz unternehmerisch tätig sein. Unabhängig von Dänemark.»Ehemalige Arbeitskollegen glauben ihm. Er sei keine Marionette. Im Gegenteil: «Christoph will die Fäden immer in der Hand haben. Er ist unglaublich ehrgeizig, ein Kämpfer.» Einer, der an allen Fronten gleichzeitig stehe. Und das kann auch im Callcenter sein. Schon über ein halbes Dutzend Mal sass er mit Headset vor dem Computer, nahm Reklamationen entgegen und versuchte, Kundinnen von einem Sunrise-Produkt zu überzeugen. Auch in den Verkaufsfilialen ist er anzutreffen. Als Handyverkäufer, Berater. «Es ist grossartig, Kunden in freier Natur zu erleben.» Er strahlt. «Ich erwarte von allen Führungskräften, dass sie das tun. Da ist die Realität.» Die kann mitunter hart werden. Vor allem für Sunrise-Mitarbeiter. «Negatives Kunden-Feedback gebe ich intern an unsere Verantwortlichen weiter. Ohne es dreimal weichzuspülen und herunterzutemperieren.»Diese direkte Art führt nicht selten zu Irritation. Und bei den Empfängern zu Frust-Äusserungen wie eben «der Brand ist einer mit Spikes an den Ellenbogen». Damit kann er leben. «Sind solche Äusserungen nun Kritik oder Lob?» fragt er.