Die Rolle der Präsidentin habe ich nicht aktiv gesucht und es mir lange überlegt», sagt Irene Kaufmann-Brändli. So ist es für sie kein Problem, dass sie das höchste Amt bei Coop nur rund zwei Jahre lang ausüben wird. Gleichzeitig mit der Ernennung von Irene Kaufmann-Brändli zur Verwaltungsratspräsidentin bei Coop wurde nämlich bekannt gegeben, dass sie frühestens ab 2011 von Hansueli Loosli abgelöst wird und dann wieder in die Rolle der Vizepräsidentin schlüpfen muss. «Ich fühle mich nicht als Lückenbüsserin, die Rolle der Vizepräsidentin passt zu mir.»

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Als Präsidentin müsse sie nun viel mehr öffentlich auftreten - und das behage ihr nicht besonders. «Ich arbeite lieber intern, als die Firma gegen aussen zu repräsentieren.» Die Repräsentationsrolle hält sie aber in der Funktion einer Präsidentin für wichtig.

Die Ballerina

Ihre Zurückhaltung vor repräsentativen Aufgaben ist nicht nachvollziehbar. Sie ist kommunikativ, hat eine gute Ausstrahlung und scheint Wert auf ihr Äusseres zu legen, was sich in modischer Eleganz ausdrückt.

Dass die schlanke Frau in jungen Jahren Ballett tanzte, zeigt sich immer noch in ihrer aufrechten Haltung. Ihrer Liebe zum Spitzentanz frönt sie heute mit dem Besuch von Ballettaufführungen im Opernhaus Zürich. Um sich körperlich fit zu halten, geht sie mindestens einmal wöchentlich ins Konditionstraining für ehemalige Studentinnen der Uni Zürich.

Kaum ist eine Frau an der Spitze eines Konzerns, wird sie schon bald wieder abgesetzt. «Das sehe ich in meinem Fall nicht so», meint sie. Auch Vizepräsidentin bei Coop sei eine Spitzenposition. Eigentlich war vorgesehen, dass Loosli bereits 2009 als CEO zurücktritt und VR-Präsident wird. Doch der Unfall des vorgesehenen Nachfolgers machte einen Strich durch die Rechnung.

Kaufmann-Brändli kam über ein Frauen-Netzwerk zu Coop. Die ehemalige SP-Nationalrätin Liliane Uchtenhagen, Präsidentin der damals selbstständigen Genossenschaft Coop Zürich, suchte für den Verwaltungsrat gezielt Frauen und stiess dabei auf Kaufmann-Brändli. «Ich habe mich schnell mit Liliane Uchtenhagen verstanden und meinen Entschluss für Coop nie bereut.» Nationalrätin Uchtenhagen war als Bundesrätin vorgesehen, wurde dann aber als «emotional nicht belastbar» kritisiert, weil sie öffentlich weinte. Irene Kaufmann-Brändli kann man sich nicht in Tränen aufgelöst vorstellen, auch wenn heute selbst Helden wie Roger Federer in Tränen ausbrechen.

Aufgewachsen ist die neue Coop-Präsidentin in einem SP-Haushalt in einer Genossenschaftswohnung im Zürcher Stadtkreis Wollishofen. Sie selber war nie in einer Partei. «Ich war früher bei Coop Zürich dem bürgerlich liberalen Lager zugeteilt», lacht sie. Ihre Familie kaufte im Coop ein, der damals noch Lebensmittelverein Zürich hiess und SP-orientiert war. Doch das war nicht der Grund, weshalb Familie Brändli im Coop postete. «Der Läbis war einfach der nächste Laden.»

Ihr Vater arbeitet als Kaufmann in der Zürcher Buchhandlung Oprecht und hat dort auch ihre Mutter kennengelernt. Diese Buchhandlung war bekannt für Emigranten-Literatur und ihre Nähe zum Schauspielhaus. «Das ist mein Hintergrund: Bücher und Schauspielhaus.»

Noch heute liest sie gerne. So wie andere den Fernseher einschalten, um sich abzulenken, liest sie ein Buch. Gerade hat sie den Roman «Revolutionary Road» von Richard Yates zu Ende gelesen, der mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio verfilmt wurde. Diesen Kinofilm hat sie aber nicht angeschaut, obwohl sie auch gerne ins Kino geht.

Als Lieblingsautor nennt sie Thomas Mann, aber auch Schweizer Literatur schätzt sie, etwa Krimis von Friedrich Glauser. Engländerinnen wie die Brontë-Schwestern gehören ebenfalls zu ihren Favoriten.

Auf Anraten ihrer Lehrer besuchte sie das Wirtschaftsgymnasium. Dort entdeckte sie ihre Liebe zu Buchhaltung und Rechnungswesen und studierte an der Universität Zürich Ökonomie. Sie schloss mit der höchsten Auszeichnung Summa cum laude ab. Verschiedene ihrer ehemaligen Kollegen waren bei Migros tätig. Und Migros-Chef Herbert Bolliger war ein Studienkollege von ihr. «Ich fand ihn immer einen guten Typ und habe auch heute eine hohe Meinung von ihm.» Sie hatte schon immer eine Affinität zum Detailhandel, so auch zu Migros, aber heute fühlt sie sich ganz als Coop-Frau.

Den wöchentlichen Einkauf erledigt sie auch heute noch bei Coop. Sie kauft wenn immer möglich Bio-Produkte: «Ich bin eine konsequente Knospen-Käuferin.» Der Preis ist für sie nicht das vordergründige Kaufkriterium. «Ich kaufe schnell und zielorientiert ein.» Aus professionellen Gründen besucht sie auch Lidl oder Migros.

Zusammen mit ihren beiden erwachsenen Söhnen und ihrem Mann wohnt sie in Zürich in einer Fünf-Zimmer-Wohnung. Ihr Gatte führt eine Arztpraxis. Irene Kaufmann war immer berufstätig und konnte dabei auf die Unterstützung ihrer Mutter zählen. «Für meine Karriere und meinen Lebenslauf war es wichtig, dass ich zuerst studierte und ins Berufsleben eintrat, bevor ich Kinder kriegte. Zuerst wollte ich mich im Job etablieren.»

Gerade nach dem Studium stieg sie bei der Nabholz Beratung ein. Neben ihrer Arbeit als Präsidentin, die sie zu 75% ausfüllt, arbeitet sie auch heute noch für die Nabholz Beratung. «Häufig bin ich in der ganzen Schweiz unterwegs, auch wenn sich mein Coop-Büro in Basel befindet.» Mit Loosli trifft sie sich regelmässig. «Wir kennen uns schon seit Jahrzehnten und sind ein eingespieltes Team.»

Und was will sie noch erreichen? «Ich möchte die Rolle von Coop als Vorreiterin in der Nachhaltigkeit weiter ausbauen. Nachhaltigkeit in Bezug auf die Entwicklung ökologischer Produkte oder Energie- und Abfallbewirtschaftung.»

Kaum eine Frau als CEO bei Coop

«Eine meiner Hauptaufgabe ist es, einen Nachfolger für Hansueli Loosli zu finden.» Zudem will sie mit dem VR die strategische Führung verändern und die operativen Einheiten der Coop-Gruppe zu zwei strategischen Geschäftsfeldern zusammenfassen: Einerseits Detailhandel und Eigenproduktion in der Schweiz, anderseits das Geschäftsfeld Beteiligungen im Bereich des Grosshandels im In- und Ausland.

Die Nachfolgeregelung von Loosli wird 2010 angegangen. Irene Kaufmann hätte gerne mehr Frauen in Führungspositionen. «Es ist noch nichts bestimmt.» Allerdings wird kaum eine Frau zur Coop-Chefin gekrönt: «Ich mache mir keine Illusion, dass wir eine Frau finden. Klar, das wäre schön.» Frauen fehlen oft in Spitzenpositionen, weil sie nicht gerne Macht ausüben. «Ich habe ein unverkrampftes Verhältnis zur Macht. Es passt mir, an einem Ort zu arbeiten, wo ich eine gewisse Macht ausüben kann. Macht muss man kontrolliert ausüben.» Sie selbst strahlt etwas Kontrolliertes aus.

Theo Jost, mit dem sie jahrelang zusammengearbeitet hat und der am 1. Juli als Leiter der Verkaufsregion Zentralschweiz Zürich bei Coop pensioniert wurde, schildert sie als sehr zuverlässig. «Sie ist eine intelligente Frau, die sich bei Coop für klare Führungsstrukturen eingesetzt hat.» Sie habe viele Läden besucht, um zu spüren, was an der Front läuft. «Dabei hat sie den Geschäftsführern jeweils gut zugehört.» Einziger Kritikpunkt: «Sie ist ausserhalb von Coop wenig bekannt und vielleicht auch noch zu wenig vernetzt.» Das hat wohl auch damit zu tun, dass sie nicht gerne öffentlich auftritt. Und schon bald wieder hinter den Coop-Kulissen verschwinden wird.