Wer von Wirtschaftsprüfern spricht, der denkt an nüchterne Kontrolleure, die in Hinterzimmern einsam über Zahlen brüten. Dem landläufigen Bild eines solchen Revisors, der an Generalversammlungen aufsteht, um die korrekte Erstellung des Jahresabschlusses zu bestätigen, entspricht Bruno Chiomento ganz und gar nicht.

Dabei hat er bei Ernst & Young, die zu den vier grössten Wirtschaftsprüfungsunternehmen weltweit zählt, dieses Metier von der Pike auf gelernt und ist Anfang Jahr zum Chef der Schweizer Ländergesellschaft aufgestiegen. Einzig sein schlichtes Büro am Zürcher Sitz, wo sich einige Dossiers auf dem Schreibtisch stapeln, das aber ansonsten fein säuberlich aufgeräumt ist, verströmt etwas von dieser buchhalterischen Nüchternheit. Der gebürtige Basler jedoch hat viele Facetten, ist weit gereist und kosmopolitisch.

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In die Branche ist er nach Abschluss des Ökonomiestudiums an der Universität Basel eher zufällig geraten. «Ich erhoffte mir eine gute Ausbildung und den vertieften Einblick in verschiedene Wirtschaftszweige», sagt Bruno Chiomento. Sein Traumberuf war damals bereits in weite Ferne gerückt. Zu Gymnasialzeiten hatte er noch mit einer Karriere als Fussballprofi geliebäugelt, doch bei seinem Stammklub Old Boys Basel schaffte es der Mittelfeldregisseur nicht weiter als in die 1. Liga.

Basel bis jetzt treu geblieben

Der Stadt am Rheinknie, wo sich seine Eltern aus dem Veltlin kurz nach dem Zweiten Weltkrieg niederliessen, ist er bis heute treu geblieben. Bruno Chiomento lebt mit seiner Frau und den zwei Kindern in Basel und hat dort bei Ernst & Young auch ein zweites Büro, damit die Arbeitswege vorab an den Wochenenden kürzer sind.

Früh schon hat es ihn aber in die Welt hinausgezogen. Er absolvierte nach dem Studium in Südafrika ein Auslandpraktikum auf einer Bank, das prägende Eindrücke hinterliess. Die Rassendiskriminierung unter dem damaligen Apartheidregime passte nicht in das Weltbild, wie es von seinem Elternhaus vermittelt wurde. Dort hatte der Secondo aus Italien gelernt, alle Menschen gleich zu behandeln.

Karriereschlüssel Sprachen

Für den Bilingue waren die Sprachen ein Schlüssel zur Karriere. Bruno Chiomento stand ein Jahr vor dem Abschluss zum Wirtschaftsprüfer, als sich dem knapp 30-Jährigen die Chance für einen Job bei der Branchenorganisation International Federation of Accountants (IFAC) in New York eröffnete.

Gesucht war ein Spezialist aus Kontinentaleuropa. Mit seinen drei Jahren Berufserfahrung konnte er sich wenig Hoffnung machen. Beim Gespräch mit dem IFAC-Chef in einem Genfer Hotel, verblüffte der junge Schweizer den Amerikaner aber mit seiner perfekten Ausdrucksweise in Deutsch, Italienisch, Französisch und Englisch. Diese Fähigkeit sollte ihm schliesslich die Stelle beim internationalen Standardsetzer in Prüfungs- und Buchhaltungsfragen eintragen. Vier lehrreiche Jahre in der amerikanischen Metropole folgten. «Zurückgekehrt bin ich mit Frau und Kindern», fügt der Familienvater lachend an.

Im Schmelztigel New York kam der junge Accountant in Kontakt mit Vertretern der Weltbank und der Uno. Und natürlich gab es nebst vielen Reisen, Entwicklungsarbeit und Sitzungen bei der IFAC auch noch die «long hours» am lokalen Sitz von Ernst & Young, wo er seine Kollegen hatte.

In diesem Umfeld lernte er seine spätere Ehefrau, eine Asiatin kennen, die ebenfalls als Wirtschaftsprüferin wirkt und erst jüngst vom einstigen Arbeitgeber zu Roche gewechselt hat.

Trotz gleicher beruflicher Herkunft: An einer «déformation professionelle» leiden die Chiomentos nicht. Am Familientisch jedenfalls wird nicht übers Geschäft gesprochen, und statt in ein Fachgespräch verwickelt der Vater seinen 13-jährigen Sohn schon eher in Gespräch über Fussball.

Weiterbildung fördern

Als Bruno Chiomento Ende der 80er-Jahre bei der damaligen Atag Arthur Young startete, stand die Internationalisierung in der Wirtschaftsprüferbranche erst am Anfang. Er nutzte seinen Aufenthalt, um in Übersee auch gleich das Examen zum Certified Public Accountant (CPA) mit New Yorker Lizenz abzulegen. Ganz so einfach war das für den Schweizer mit Universitätsdiplom und fortgeschrittener Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer allerdings nicht. «Zunächst galt es an einer Universität in Downtown Manhattan die Prüfungen in den Fächern US Business Law und Federal Taxation zu bestehen», erinnert er sich. Entsprechend aufgeschlossen zeigt sich der Chef von Ernst & Young Schweiz, wenn es um die Karriereförderung der Mitarbeitenden geht. Jährlich werden rund 10% des Umsatzes in die Aus- und Weiterbildung der eigenen Leute in-vestiert.

Die laufende Verschiebung von Accounting-Spezialisten über die Landesgrenzen hinweg gehört heute zum betrieblichen Alltag. Innerhalb der «big four» unter den Wirtschaftsprüfern haben sich mittlerweile drei regionale Clusters mit Nordamerika, Europa, Naher Osten und Afrika sowie Asien herausgebildet. «Unsere Kunden sind ebenfalls nach diesem Muster aufgestellt», weiss Bruno Chiomento. Die Revisionsgesellschaften würden nachvollziehen, wie sich die Unternehmertätigkeit mit der Globalisierung verändere.

Als CEO hat er den Blick ganz speziell nach aussen, auf die eigene Kundschaft gerichtet. Das war in der vorherigen Rolle als Chief Operating Officer (COO) etwas anders. Damals galt seine Aufmerksamkeit vor allem den internen Abläufen, von der Personalpolitik über die Informationstechnologie bis zu den Supportfunktionen. Mit der Internationalisierung werden nun die rückwärtigen Dienste vermehrt in den Regionen konzentriert.Gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten muss der Steuermann bei Ernst & Young auch klare Position beziehen und harte Entscheidungen treffen. Im internationalen Gebilde gebe es, je nach Land, unterschiedliche Gesichtspunkte, sagt er. «Da muss ich den Standpunkt und die Interessen der Schweiz manchmal resolut verteidigen.»

Kein Zwang zu Rendite

Die höheren Weihen zum Chef der Ländergesellschaft erhielt Bruno Chiomento von den rund 140 Partnerinnen und Partnern. Das Partnerschaftsmodell sieht der CEO als Vorteil. Im Vergleich zu einer Aktiengesellschaft seien sie nicht gezwungen, eine oft unrealistisch hohe Rendite auszuweisen. Effizienz im Betrieb sei natürlich notwendig. «Es kann vorübergehend aber auch abwärtsgehen, und wir nehmen dies in Kauf, weil wir von einem baldigen Aufschwung ausgehen», sagt er.

In einem People-Business ist das wichtig, weil sich die guten Leute ohne eine «Hire and Fire»-Mentalität besser halten lassen. Bereits als COO hat sich Bruno Chiomento um fexiblere Arbeitszeitmodelle bemüht, um damit speziell auch den weiblichen Arbeitskräften bessere Karrieremöglichkeiten zu bieten: «Wir müssen die Frauen bis in die obersten Positionen behalten.»

In der spärlichen Freizeit reicht es dem einst eifrigen Hobbysportler nicht mehr zum regelmässigen Fussballspiel. Dafür besitzt er als Fan des FC Basel ein Jahresabonnement, und möchte 2010 nach Südafrika, seiner ersten Berufsstation, zur Fussball-Weltmeisterschaft reisen. Mit etwas Jogging und dem gelegentlichen Schwingen des Golfschlägers in der Driving Range hält er sich fit. Zum Ausgleich hört er gerne Jazz, eine Leidenschaft, die er in langen New Yorker Sessions verinnerlicht hat.