Warum sollte eine Scheidung traurig und teuer sein, wenn sie auch glücklich und teuer sein kann? Das ist wohl das heimliche Credo von Betreibern von Scheidungshotels, Veranstaltern von Scheidungspartys und Erfindern von Scheidungsritualen.
Sei es die «Divorce Party» unter dem Motto «I survived», sei es die Luxusherberge mit Rundumbetreuung vom Frühstücksbuffett bis zum Scheidungsanwalt, sei es der Scheidungscoach, der mit der Braut die Eheringe einschmilzt: Alle wollen unglücklichen Ehepartnern helfen, eine schwierige Zeit abzuschliessen und mit neuer Energie durchzustarten. Natürlich gegen eine üppige Gebühr. Im Fall des Scheidungshotels etwa 5000 Franken pro Wochenende.
Immer mehr Angebote für Scheidungswillige
Dieser auf den ersten Blick irritierende Umgang mit dem Thema Scheidung breitet sich inzwischen auch in der Schweiz aus. Die Auflösung der Ehe wird von manchen nicht mehr verschämt versteckt, sondern mit Beratungsdienstleistern, Partys und sogar Ferien garniert.
Die Scheidung wird von Lifestyle-Angeboten begleitet, die sonst nur für Hochzeiten aufgeboten werden. Zwar gehen die Scheidungszahlen seit ein paar Jahren leicht zurück, doch gleichzeitig hat sich die Zahl der Angebote für Scheidungswillige vervielfacht. Und im Fokus stehen natürlich Gutverdiener unter den 17'000 Schweizer Paaren, die pro Jahr ihre Ehe beenden.
Urlaub im Scheidungshotel
Der neueste Star der Scheidungsdienstleister ist Brigitte Kaps. Sie hat die wohl erste Beratungsagentur für scheidungswillige Gutverdiener in Europa gegeründet.
Ihre Divorce Club AG mit Sitz in Zürich bietet das ganze Programm: Die Vorbereitung des Trennungsgesprächs, eine Liquiditätsanalyse, kurzfristige Wohnungen, Scheidungsrituale sowie einen Club zur Resozialisierung nach der Scheidung, den sogenannten Divorce Club.
Die Idee kam im privaten Umfeld
Für die Mitgliedschaft im Club der Geschiedenen stellt Kaps etwa 450 Franken pro Monat in Rechnung. Wie teuer der gesamte Scheidungsservice sei, hänge von der Einzelperson ab, so Kaps: «Nicht jeder braucht unbedingt eine Typberatung.»
Auf die Idee zur Gründung des Divorce Club kam Kaps, weil von den rund 30 Hochzeiten, auf denen sie Gast war, die allermeisten unglücklich, also mit Scheidung, endeten. «Ich habe viele Paare in Trennung getröstet und beraten, dann kam ich auf die Idee, meine Beratung zu professionalisieren.»
Erste Scheidungshotels in Holland
In die gleiche Richtung wie Kaps gehen die sogenannten Scheidungshotels, die sich von den Niederlanden aus inzwischen in der ganzen westlichen Welt verbreiten. Dort checken Klienten als Ehepaare ein und als geschiedene Leute aus.
«Der grössere Teil der Scheidungsindustrie profitiert davon, Scheidungen kompliziert zu machen - und teuer», erklärt der Gründer der Scheidungshotelkette Jim Halfens. «Wir erstellen für jedes Paar ein Scheidungsprogramm. Das umfasst Vermittlungsgespräche über die Aufteilung der Güter und Momente der Entspannung. Am Sonntag nach der Abreise ist alles geklärt.» Kostenpunkt: Mindestens 1500 Franken pro Nacht.
Paartherapeut Heer ist kritisch
Wie ist dieser Trend zur Scheidungsberatung und zum Scheidungscoaching zu bewerten? Guy Bodenmann, Professor am Klinischen Institut der Universität Zürich, erklärte nach der Gründung des Divorce Club, dass diese Angebote lobenswert seien, weil sie Geschiedene in einer schwierigen Phase umfassende Unterstützung anböten.
Der Psychologe und Autor Klaus Heer sieht die Angebote eher kritisch: «Sowohl der flotte chirurgische Schnitt als auch die fidele Scheidungsgala dienen der Anästhesie. Man will möglichst nichts mitbekommen vom schwierigen emotionalen Mix am Ende der eigenen Liebesgeschichte.»
Beliebte Scheidungsliteratur
Zu glauben, man könne die Scheidung durch solche Angebote enttabuisieren, sei naiv. Die neuen Scheidungsberater nehmen für sich in Anspruch, Scheidungen in Wirklichkeit billiger zu machen, weil sie durch ihr Coaching langwierige Auseinandersetzungen vermeiden würden.
Ein weiterer Indikator für das Bedürfnis potenzieller Kunden sind die Unmengen an Scheidungsliteratur, die jede Woche über Schweizer Buchladentische gehen. Keine Saison kommt ohne neue Scheidungsbooklets aus.
Kritik an «Scheidungsschmarotzern»
Der deutlichste Ausdruck des neuen Umgangs mit dem Thema Scheidung ist aber die sogenannte Divorce Party, die inzwischen auch von vielen Schweizer Partyveranstaltern angeboten wird. Zwar sind die Angebote hierzulande deutlich zurückhaltender als etwa die amerikanischen, wo unter dem Motto «Barely survived» oder «I got it all» das Brautkleid mit einer Pistole zerschossen oder der Ehering mit einem Hammer zertrümmert wird.
«Potenzielle Interessenten gibt es leider genug, Tendenz steigend», sagt dazu Clemens Hunziker vom «Kaufleuten» in Zürich. Eine Scheidungsparty kostet bei diversen Veranstaltern je nach Aufwand des Arrangements zwischen 1000 und 4800 Franken.
Startschuss zum Neuanfang
«Wenn eine Scheidungsparty nicht als Rachefeldzug, sondern als Startschuss aus Freude über einen Neuanfang konzipiert ist, erfüllt sie sicherlich ihren Zweck. Rituale werden immer als hilfreich in der Verarbeitung von Trennungen empfunden», erläutert die diplomierte Paar- und Familienberaterin Sabine Schifferdecker:
«Die zunehmende Kommerzialisierung des Themas Scheidung hat positive wie auch bedenkliche Auswirkungen. Auf jeden Fall muss geprüft werden, wie seriös die Angebote sind, vor allem weil es sich um Menschen in Notsituationen handelt.»
Wichtige Hilfestellung
Paartherapeut Hans-Peter Dür erklärt, dass solche Angebote wichtig seien: «Viele verlieren den Boden unter den Füssen. Da in den verschiedensten Bereichen Hilfestellungen zu geben, ist sinnvoll.»
Das Scheidungsbusiness verästelt sich aber nicht nur in die Richtung von aufwendigen Scheidungspartys, sondern auch in Richtung «Turbo-Scheidung»: So bereitet der Westschweizer Anwalt Douglas Hornung mit seiner Seite «Onlinescheidung. ch» den Sprung in die Deutschschweiz vor.
Online-Blitzscheidung
Das Konzept von Hornung: Die Online-Blitzscheidung. Für 560 Franken können sich Scheidungswillige ohne jeden Aufwand online scheiden lassen. «Wir haben zwei bis drei Scheidungen pro Tag», erklärt der Anwalt. «Eine Scheidung ist emotional kompliziert, aber technisch ist sie sehr einfach.»
Und der allergrösste Teil der Scheidungen laufe ohne jeden Streit ab, behauptet er. «Unsere Präsenz in der Deutschschweiz wollen wir in den nächsten Monaten deutlich ausbauen.»
Kritik ficht die wachsende Zahl der Scheidungsdienstleister nicht an. Jenen, die sie abfällig als «Scheidungsschmarotzer» titulieren, entgegnen sie, dass sie Scheidungen in Wirklichkeit besser machen: Durch weniger Streit, mehr Hilfe und natürlich: mehr Party.