Vor dem Gespräch ist er noch schnell über die Strasse gerannt, um sich bei Lindt&Sprüngli ein Birchermüesli zu schnappen. «Das gibt es in der Welschschweiz nicht», schwärmt Claude Mumenthaler, welcher seit Anfang Juli CEO von Manpower Schweiz ist. Der 35-jährige Romand arbeitet seit 2002 für Manpower, zuvor war der Ökonom sechs Jahre als Berater für Ernst&Young sowie PricewaterhouseCoopers tätig.
«Die Frage nach der Führung von Manpower stellte sich für mich erst, als ich 2006 Verwaltungsratsdelegierter wurde», sagt Mumenthaler. Aber eigentlich lag diese Frage schon immer in der Luft. Seine Mutter, Maria Mumenthaler, hat Manpower Schweiz 1960 gegründet und bis 1998 geleitet. Heute ist die 75-Jährige Verwaltungsratspräsidentin. Den Entscheid, dass er die Firma führen möchte, habe er 2007 gefällt, als sein Vorgänger, Charles Bélaz, ihm seine Pläne eröffnet habe, dass er noch was anderes machen möchte.
Seine Mutter habe nie erwartet, dass eines ihrer drei Kinder in ihre Fussstapfen treten und die Führung von Manpower Schweiz übernehmen werde. «Es gab keinen Masterplan, wir konnten alle irgendeinen Berufsweg wählen», sagt der Sohn. Dennoch arbeiten heute alle drei Kinder für Manpower – in Genf auf derselben Etage, sagt der Jüngste, der den höchsten Posten einnimmt. Er finde es sehr speziell, in einer Firma in Familienbesitz zu arbeiten.
Allerdings ist dies nur möglich, weil Manpower Schweiz innerhalb des US-Konzerns eine Ausnahme darstellt. Sie ist die einzige Ländergesellschaft, welche nicht im Besitz des Konzerns, sondern eines Mehrheitsaktionärs ist und im Franchiseverhältnis geführt wird. Die Zufriedenheit der Amerikaner hänge sicher auch mit der überdurchschnittlichen Performance der Schweizer Tochter zusammen. Mumenthaler Junior ist deshalb überzeugt, dass sich an den Besitzverhältnissen sobald nichts ändern wird.
Auch auf der operativen Ebene sei keine Revolution zu erwarten Die bisherige Strategie sei zusammen mit Bélaz bestimmt worden. Dennoch habe er bereits ein paar Neuerungen eingeführt. Dazu zähle das Management by Objectives (MBO). Es gehe darum, dass jeder Mitarbeitende genau wisse, was seine Ziele und was seine Prioritäten seien. «Sehr wichtig ist mir, dass die Leute wissen, was ihre eigenen Ziele zu den Zielen der Firma beitragen», betont er. Dies sei essenziell für die Motivation. In diesem Sinne will Mumenthaler auch das Anreizsystem anpassen und mehr Boni an Leistungen und Ziele knüpfen.
Ambitiös und locker
Wer vermutet, dass Mumenthaler die neusten Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre durchpeitschen will, hat sich getäuscht. Im gleichen Atemzug sagt er nämlich: «Vieles im Management muss auf der Beziehungsebene geregelt werden. Ich kann nicht mit allen Angestellten gleich sprechen, jeder hat seine eigenen Bedürfnisse und Ansichten.»
Mumenthaler ist zwar ambitiös, in der Freizeit rennt er Marathons, und er spielt seit 20 Jahren Golf mit Handicap 5. Aber er hat nichts Angestrengtes, Verkrampftes an sich. Vielleicht hat dies auch damit zu tun, dass er in seine heutige Aufgabe hineingewachsen ist. Auf die Vermutung, er sei nur dank seiner Mutter in diesem Job, sagte er: «Das ist nicht zutreffend, ich habe die Fähigkeiten für diesen Job. Natürlich bin ich privilegiert gewesen, wenn ich aber nicht die nötigen Fähigkeiten hätte, wäre ich nicht in diesem Job.»
Dass seine Mutter in der Schweizer Wirtschaft eine Ausnahmeerscheinung gewesen ist, sei ihm erst später klar geworden. Seine Kindheit als Sohn einer bekannten Schweizer Businessfrau habe er dannzumal nicht als aussergewöhnlich empfunden. «Ich dachte, das wäre etwas Normales, dass meine Mutter CEO einer Firma war.» Sie habe hart gearbeitet und sei viel weg gewesen, sagt er über seine Jugend, die er hauptsächlich in der Nähe von Nyon verbrachte. Es sei aber nicht so gewesen, dass sein Vater als Hausmann wirkte. Dieser war als Architekt tätig. «Meine Mutter war zu Hause eine wirkliche Mutter, sie bringt es auch heute noch fertig, sehr viele Aufgaben nebeneinander zu erledigen.» Sie hätten ein ziemlich normales Familienleben geführt.
Allerdings habe er sich durch das Naturell seiner Mutter schon früh an die Businesswelt gewöhnt. «Sogar als Kind war ein Gespräch mit ihr sehr businesslike – man musste Ziele und Gründe haben, um etwas zu tun, eine Methode und Vorschläge präsentieren und dann auf Zustimmung hoffen.»
Sehr früh sei er sehr unabhängig gewesen. Eine Anekdote, die seine Mutter gerne erzähle; er sei vom Kindergarten weggelaufen, weil er wie die älteren Geschwister auch schon zur Schule wollte. Deshalb wurde er früher eingeschult.
Heute verwaltet sein Bruder Willy die Assets der Firma, darunter die Pensionskasse. Seine Schwester Anne-Lise, Mutter von zwei Kindern, arbeitet Teilzeit im Qualityoffice. Sein Bruder sei immer im Finanzbereich tätig gewesen. Und da er selber schon länger Managementpositionen inne gehabt habe, sei es klar gewesen, dass er die Führung von Manpower übernehmen würde, sagt Mumenthaler. Die Frage, ob es da keine Eifersucht gebe, besonders da er doch mehr verdienen müsse, verneint er. Wettbewerb und Eifersucht sein während der Kindheit ein grösseres Thema gewesen.
Seine familiären Ursprünge hat Mumenthaler in der Deutschschweiz. Sein Grossvater, ein Bauer, siedelte von Solothurn ins Welschland über. Er werde im Gegensatz zu seinem Vorgänger von Genf aus arbeiten, aber als passionierter Zugpendler viel Zeit in der Deutschschweiz verbringen. Von einem Röschtigraben innerhalb der Firma spüre er nichts. Dennoch sei es so gut wie sicher, dass ihn seine Kollegen nach der Rückkehr aus der Deutschschweiz fragen, wie es in Zürich gewesen sei und ob sich die Deutschschweizer auch ab und zu amüsierten. «Aber ich kann die Stereotypen natürlich nicht bestätigen, und die Deutschschweizer sind sicher nicht ernster, vielleicht ist es nur die Sprache, die ein wenig ernst tönt», sagt er.
Termine mit Sport und Familie
Seine grösste geschäftliche Herausforderung nennt er im Gespräch auf Englisch nicht «War for talents», sondern «Talent shortage» – sein Deutsch ist zwar sehr passabel, auf Englisch rollt das Businessvokabular aber müheloser.
Um der Talenteknappheit besser zu entgegnen, will er bestimmte Quellen besser anzapfen, Frauen, insbesondere junge Mütter, sowie Senioren. Er ist überzeugt, dass es an den Firmen liegt, Jobs zu schaffen, welche für die beiden Zielgruppen interessant sind, und sieht es als Aufgabe von Manpower, die Firmen zu einem Effort zu überzeugen. Ein Grund dafür sei, dass die Auslandrekrutierung immer schwieriger würde, weil die Schweiz nicht mehr als Eldorado für Arbeitnehmer gelte.
Sein neuer Job hat seinen Preis: Da er dieses Jahr sehr beschäftigt sein werde, reiche es nicht für einen richtigen Marathon, dafür für ein paar Halbmarathons. Und auch auf seine Leidenschaft, das Tauchen, werde er nicht verzichten. Geplant ist eine Cruise mit der Freundin, welche bei Young and Rubicam arbeite. Ziel sind die Exumas-Inseln in den Bahamas.
Für ihn sei Arbeit zwar wichtig, aber Familie und Freunde seien ebenso wichtig. Er möchte gerne eine eigene Familie gründen. Zeit dafür werde er genügend haben. Er glaube nämlich, dass man nicht nur Termine setzen müsse im Geschäftsleben, sondern auch mit der Familie, dem Sport etc. Das habe er in einem Zeitmanagementkurs gelernt. Aber eigentlich hat ihm das bereits seine Mutter vorpraktiziert, in den Business-like-Meetings, als er klein war.