Zwei Top-Manager sind in der Schweiz in den letzten Wochen freiwillig aus dem Leben geschieden. Seitdem rätselt die Öffentlichkeit über deren Gründe. Was ging vor in den Köpfen von Swisscom-Chef Carsten Schloter und Pierre Wauthier, dem Finanzchef des Versicherungskonzerns Zurich?

Spitzenmanager stehen heute unter enorm hohem Druck. Sie arbeiten bis zum Umfallen, sind ständig erreichbar und immer auf Draht. Alle schauen ihnen auf die Finger: Aktionäre, Verwaltungsrat, Medien. Jedes falsche Wort führt zu Kursausschlägen an der Börse, Diskussionen in der Chefetage und bösen Kommentaren in den Zeitungen.

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Dem standzuhalten braucht Kraft. So haben heute bereits Führungskräfte in ihren Fünfzigern keine Lust mehr weiterzumachen und räumen ihre Posten, freiwillig und vorzeitig – wie Joe Hogan bei ABB oder Peter Voser bei Shell. Noch mehr Energie braucht es aber, dem Druck etwas entgegenzusetzen. Dafür braucht es Mut – und den haben viele nicht.  

Bisher liefern sich die Manager den Marktzwängen voll und ganz aus

Manager liefern sich den Marktzwängen bis jetzt widerstandslos aus. Sie steigen wie Hamster ins Laufrad und rennen los – es ist ein Wettkampf gegen die Zeit und immer schnellere und globalere Wettbewerber.

Hamster sind Einzelkämpfer. Die Chefs geben den Konkurrenzdruck aber meist bewusst an die Angestellten weiter. Die Unbarmherzigkeit des Marktes wird ins Unternehmen geholt. Die Beschäftigten gezielt in die Verantwortung einbezogen. Heute zählt einzig der Erfolg. «Management by Objectives» nennt man dies im Fachjargon. Wie viele Folien im Papierkorb landen und wie viele Abende der Einzelne -arbeitet, interessiert niemanden. Nur auf das Ergebnis kommt es an.

So leiden längst nicht nur gut bezahlte Spitzenmanager unter immensem Leistungsdruck. Jeder dritte Erwerbstätige klagt in der Schweiz   über Stress am Arbeitsplatz. Überall muss alles besser heute als morgen fertig sein. Oft fehlt es aber an klaren Arbeitsanweisungen und Anforderungen. Es entsteht Leerlauf – und Frust.

Beinahe jeder dritte Erwerbstätige gibt deshalb in der Stress-Studie des Bundes an, wegen der Arbeit in letzter Zeit Medikamente genommen zu haben. Auch Doping zur Leistungssteigerung im Büro ist bei vielen kein Tabu mehr.  Dies schockiert. Stress ist auch nicht gratis. Das Staatssekretariat für Wirtschaft beziffert den Schaden auf 4,2 Milliarden Franken pro Jahr.

Solange sich die Chefs gegenseitig übertrumpfen, ändert sich nichts

Nach den Suiziden von Carsten Schloter und Pierre Wauthier fragt sich die Schweiz, weshalb die Manager nicht mehr Leben wollten. Die Öffentlichkeit muss auch Antworten suchen, warum in den Firmen bisher keiner die Notbremse gezogen hat. Alarmsignale gibt es genug. Die meisten Betriebe verfügen über Stress-Präventionsprogramme.

Solange sich aber nicht einmal die Manager selbst trauen, aus dem Hamsterrad zu springen und auch mal durchzuatmen, wird sich nichts ändern. Bis die Chefs nicht aufhören, sich gegenseitig zu übertrumpfen, statt um Hilfe zu bitten, besteht kein Grund zur Hoffnung.

Es wäre naiv zu glauben, dass sich die Chefs  globaler Konzerne den Marktkräften völlig entziehen können. Es ist aber auch mutlos, immer nur Sachzwänge für fehlendes Handeln verantwortlich zu machen. Ein Firmenlenker ist nicht nur dem Unternehmen, sondern auch den Mitarbeitern verpflichtet. Dies heisst auch, selbst ein Vorbild zu sein. Wenn Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz die Kommandobrücke seiner Bank für zwei Monate verlässt, um sich eine Auszeit zu gönnen, signalisiert er, wie wichtig auch für ihn Pausen sind. Und er relativiert, wie wichtig er für sein Finanzinstitut ist.

Es braucht Grösse, nicht stets den Langstreckenläufer zu mimen. Mit Innehalten kommt man am Ende aber oft weiter.