Loben Sie Ihre Mitarbeiter öfter!» Dieser Rat ist in vielen Managementbüchern zu lesen. Lob steigere die Motivation, so das Argument. Doch eine neue Studie der Universität Tilburg in den Niederlanden zeigt genau das Gegenteil – nämlich, dass öffentliches Lob nur Neid und Missgunst erzeugt. Dazu machten die niederländischen Forscher ein Experiment. Sie baten Probanden, sich vorzustellen, dass sie in einem Kleidergeschäft stehen und zufällig mithören, wie der Verkäufer einem Kunden Komplimente für sein Aussehen macht. «Was denken Sie in diesem Moment?», lautete die Frage. Die spontanen Reaktionen der Probanden waren durchwegs negativ. Sie beneideten die gelobte Person und hassten den Verteiler des Kompliments. Was als Lob geplant war, vergiftete völlig die Atmosphäre. Dieser Effekt wurde übrigens noch stärker, wenn der Gelobte ein Bekannter war.
Das ist ein Schlag gegen die bekannten Managementregeln, schliesslich versuchen Führungskräfte von jeher, durch Lob die Motivation ihrer Mitarbeiter zu stärken. Da werden «Mitarbeitende des Monats» gekürt, Kollegen im Firmenmagazin lobend hervorgehoben oder bei der Weihnachtsfeier vom Chef auf die Bühne geholt – für eine Runde Applaus. Wenn die Studie recht hat, wäre all das Gift für das Betriebsklima. Sollten Manager mit guten Worten doch lieber geizen? Ist das beste Lob womöglich gar kein Lob?
Experten überrascht das Ergebnis der Holländer jedenfalls nicht. Dass längst nicht jede Form des Beifalls bei der Belegschaft ankommt, ist bekannt. «Etwa wenn der Chef durch die Hallen geht, seine Hand auf diese oder jene Schulter legt und sagt ‹gut gemacht›», so Julia Kalenberg. Die Unternehmensberaterin und Trainerin aus Zimmerwald BE kennt das Innenleben der Betriebe gut. Sie berät Unternehmen unter anderem dabei, ihr Arbeitsklima zu verbessern. Kalenbergs Beobachtung: Oft wird den Chefs gesagt, dass sie mehr loben sollen, worauf sie dann jeden und alles überschwänglich und oberflächlich preisen. «Viele Führungskräfte beherrschen die Klaviatur der Wertschätzung nur schlecht», resümiert Kalenberg. Lob an sich sei nicht schlecht, doch die Art, wie gelobt werde, leider häufig schon.
Lobende Worte sind rar
Dabei lechzen die Mitarbeiter nach Anerkennung. 46 Prozent der Angestellten hierzulande beklagen, sich am Arbeitsplatz zu wenig wertgeschätzt zu fühlen, ergab eine Umfrage des Stellenvermittlers Kelly Services in Neuenburg. Ein lobendes Wort fällt in Schweizer Unternehmen anscheinend eher selten. Vielerorts herrscht noch die Meinung vor, dass eine gute Leistung mit einem guten Gehalt abgegolten ist. Doch der ständige Lob-Entzug produziert Unzufriedenheit. Nur jeder zweite Mitarbeitende würde den Arbeitgeber seinen Freunden empfehlen, ergab die Umfrage von Kelly Services. Und Experten warnen, dass die Motivationslage sich künftig noch verschlechtern könnte, schliesslich drängen mit der Generation Facebook junge Mitarbeiter in die Betriebe, die geradezu süchtig nach Bestätigung sind. Einem Chef, der ihre Leistung partout nicht «liked», werden sie schnell den Rücken kehren.
Aber wenn die niederländische Studie recht hat und öffentliches Lob nicht funktioniert – was dann? «Es reicht nicht, wenn der Chef aktiv wird», betont Trainerin Kalenberg, «man braucht ein allgemeines Klima der Wertschätzung.» Es müsse regelmässig auf das Positive geschaut werden, auf Dinge, die funktionieren. Wie das geht, zeigt etwa die Firma Gottlieber Spezialitäten. Die Geschäftsleitung der Süsswarenfirma in Gottlieben TG beginnt jede ihrer wöchentlichen Sitzungen mit einem Ritual – jeder Teilnehmer muss etwas Positives über einen Kollegen zu Protokoll geben.
Einige kurze Sätze reichen, zum Beispiel «Ich fand toll, dass Sie das noch für mich gemacht haben, obwohl Sie schon Feierabend hatten.» Diese kurze Lobrunde, im letzten Jahr eingeführt, entfaltet einige positive Wirkungen. «Zum einen muss man die Leute erst mal dabei erwischen, dass sie etwas Gutes tun», lacht Geschäftsführer Dieter Bachmann. Sprich: Das Management ist gezwungen, mit offenen Augen durch den Betrieb zu gehen. Darüber hinaus schwört der Chef auf die Motivationswirkung. «Das tut allen gut und bringt positive Schwingungen.»
Anerkennung senke zudem das Risiko von Burnouts. Aber wird so Loben nicht irgendwann zu einer lästigen Pflicht? Bachmann: «Natürlich kommt es vor, dass man beim Hinsetzen bemerkt: ‹Oh, ich brauche ja noch jemanden zum Loben.›» Deshalb sei es wichtig, das Lobritual immer wieder zu thematisieren und nicht zur Alibiübung verkommen zu lassen.
Preis für Selbstlosigkeit
Die zweite Grundregel beim Loben lautet: Es sollte nicht immer das Gleiche positiv hervorgehoben werden, sondern Anerkennung für möglichst viele Dinge geben. So könnte etwa in einer Firma nicht nur der Verkäufer mit den höchsten Umsätzen gelobt werden, sondern auch der mit den meisten Neukunden. «Wenn verschiedene Leute auf der Bühne stehen, fällt der Neidfaktor weg», sagt Kalenberg. Beim Kosmetikkonzern Mary Kay etwa wird einmal pro Jahr eine «Miss Go-Give» prämiert. Ausgezeichnet wird eine Mitarbeitende, die ihren Kollegen besonders selbstlos weiterhilft, Wissen weitergibt und einen positiven Einfluss auf ihr Team hat. Einmal diese Auszeichnung zu bekommen, ist für viele Mitarbeitende der Höhepunkt ihrer Karriere – und weitaus wichtiger, als Umsatzchampion zu sein.