Die Schweiz folgt – so deutlich wie nie zuvor – dem internationalen M&A-Trend: 2007 machte das Transaktionsvolumen von Mergers and Acquisitions in der Schweiz bereits 65 Mrd Fr. aus, wie neuste Zahlen der internationalen Fusionsspezialisten Dealogic und Thomson Financial belegen. Ein Jahr zuvor waren es erst knapp 30 Mrd Fr. Auch in Europa und global werden starke Zunahmen verzeichnet.
Ein grosser Teil davon ist auf das Konto von Private-Equity-Übernahmen zurückzuführen – so machte deren Anteil am Gesamtvolumen 2007 bereits einen Fünftel aus. Vor sechs Jahren waren es noch 3%. Prominente Beispiele sind SIG (Rank), Saurer und Unaxis (Victory) oder Sulzer (Everest).
Günter Müller-Stewens, der Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft an der Universität St.Gallen (IfB), hat das Phänomen der starken Zunahme von Übernahmen näher untersucht und mit umfangreichem Zahlenmaterial belegt, dass es eigentliche M&A-Wellen gibt. Sie dauern zwischen sechs und neun Jahren.
Die jüngste Welle begann 2002 und ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht mehr primär einzelne Branchen sind, welche die Entwicklung treiben, sondern der rigorose Umbau einer Vielzahl von Unternehmen in den westlichen Industrieländern sowie die Globalisierung.
Dieser Trend ist ungebrochen. Aufgrund einer gewissen Verunsicherung über die Volatilität der Märkte lässt sich gar ein eigentlicher Rückstau bei den M&A-Aktivitäten feststellen. «Unter der Fuchtel ambitionierter Wachstumsstrategien steigt gleichzeitig auch die Risikobereitschaft», stellt Müller-Stewens fest.
Meist keine Wertsteigerungen
Der grösste Teil der Firmenzusammenschlüsse erfolgt jedoch nach wie vor nicht durch Raider. In den meisten Fällen schliessen sich zwei Konkurrenten zusammen, weil sie sich davon bessere Marktchancen versprechen – oder weil sie die Nachfolgeregelung nicht in den Griff bekommen haben. Oder ein Unternehmer plant, seine Geschäftsbasis zu verbreitern durch Zukauf eines neuen Segmentes.
Doch auch ein freundlicher Zusammenschluss unter «Gleichgesinnten» ist keine Garantie für künftigen Erfolg. Denn gemäss Untersuchungen von M&A-Fachmann Markus Menz vom IfB in St. Gallen führen zwei Drittel dieser Transaktionen zu keiner Wertsteigerung. Er kommt zum Schluss: «Die Zahl der gescheiterten übersteigt jene der erfolgreichen.»
Was also muss beachtet werden, damit Zusammenschlüsse oder Übernahmen von Unternehmen nicht zu einem Flop werden? Markus Menz definiert drei Phasen, in denen sich entscheidet, ob das anvisierte Ziel erreicht wird oder nicht: Die Aktivitäten im Vorfeld, die eigentliche Transaktion und die Integration. Jede ist durch besonders erfolgskritische Faktoren gekennzeichnet.
«Der eigentliche Kaufakt ist der einfachste Teil einer solchen Übung», sagt Kai Lucks, Siemens M&A-Chef, lakonisch. Evaluationen von geeigneten Objekten sind sein tägliches Brot. Bei Siemens wurde ein Vorgehen entwickelt, das sich für verschiedene Branchen bewährt hat.
Ein übergeordnetes Projektmanagement hat die Aufgabe, die Konsistenz des Vorhabens vom Start bis zum Abschluss zu gewährleisten und die Kompatibilität der Teilprojekte untereinander zu überwachen.
Im explorativen Vorfeldprojekt werden all jene Handlungen evaluiert und festgelegt, die dem Vertragsabschluss vorgelagert sind. Dazu gehört auch die Beantwortung der Fragen nach dem für die festgelegte Strategie geeigneten Übernahme- oder Fusionspartner (Unternehmen A, B oder C), nach dem Integrationsmodell (separat marschieren, Organisationen aneinander hängen, fusionieren), nach dem rechtlichen Korsett sowie nach den Führungsstrukturen.
Rolf Magnus Weddigen, bei Bain&Company unter anderem für die Private-Equity-Aktivitäten in der Schweiz zuständig, rät, bereits in dieser sogenannten Pre-Merger-Phase ein Integrationsteam zu ernennen. In der Ursachenforschung gescheiterter M&A-Deals habe sich nämlich herausgestellt, dass 50% der erfolglosen Übernahmen oder Zusammenschlüsse deshalb scheiterten, weil nicht bereits im Vorfeld ein sorgfältiger Integrationsplan ausgearbeitet worden war.Im Dealmaking-Projekt werden schliesslich die Schwerpunkte für die Verhandlungen und die Vertragsgestaltung gesetzt.
Im eigentlichen Integrationsprojekt stehen das Closing und die Detailplanung danach im Mittelpunkt. Dazu gehören etwa die Integration von Prozessen, Arbeitsabläufen und EDV-Systemen sowie die Migration der Datenbestände, der Auftritt am Markt und die Realisierung von Synergien.
Gleichzeitig darf jedoch auch das laufende Tagesgeschäft nicht vernachlässigt werden, wie Rolf Magnus Weddigen speziell betont.
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NACHGEFRAGT
«Strategisch muss es Sinn machen»
Martin Frey, Spezialist für M&A, PricewaterhouseCoopers
Was sind die Hauptursachen, dass so viele Übernahmen scheitern?
Martin Frey: Wichtig für den Erfolg sind in erster Linie eine gut vorbereitete und durchgezogene Umsetzung und die anschliessende Integration des Akquisitionsobjektes.
Was halten Sie davon, wenn – neben der traditionellen Due Diligence – auch noch eine Due Diligence für den sogenannten «peoples factor» eingeführt wird?
Frey: Das wird zu einem grossen Teil bereits gemacht, denn das Management ist bei der Bewertung eines Übernahmekandidaten eine sehr wichtige Komponente. Speziell für Finanzinvestoren spielen Qualität und Eignung des Managements eine entscheidende Rolle in der Entscheidungsfindung bezüglich einer Akquisition und deren Preis.
Es gibt zwei Schulen, wenn es um M&A geht: Die eine besagt, dass Transaktionen entlang der Kernaktivitäten erfolgversprechender seien. Eine andere hält dafür, dass «artfremde» M&A befruchtender sind. Wie denken Sie darüber?
Frey: Ich bin der Meinung, dass Akquisitionen grundsätzlich strategisch Sinn machen sollten. Es kann daher durchaus sein, dass eine vertikale Integration für eine Firma genau sinnvoll ist, für eine andere jedoch eine «artfremde».