Wer vor dem Du zurück- schreckt, sollte besser nicht bei Ikea, Sunrise, Coca-Cola, Microsoft und ganz neu auch nicht bei der Swisscom anheuern. Denn dort kennt das Duzen vom Lagerarbeiter bis zum CEO keine Standesunterschiede mehr. «Es überwindet Hierarchiestufen, unterstützt den Dialog und die Zusammenarbeit und lässt die Menschen spürbarer werden», so Swisscom-Pressesprecher Josef Huber. Doch sei den Swisscom-Leuten das Du nicht einfach so verordnet worden, präzisiert der Sepp, viele hätten diesen Schritt selber angeregt.

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Der Einwurf mancher Du-Verweigerer lautet, dass sich ein gutes Arbeitsklima auch in einer Sie-Kultur entwickeln könne, und kommt immer wieder. Spricht aber ganz und gar nicht gegen das Du-Sagen.Die wohl bekannteste Duzis-Community ist bei Ikea zu finden. Hier begegnen sich der Lagerarbeiter Peter (Meier) zumindest beim Du mit dem CEO Christer (Granstrand), Landeschef Schweiz, auf Augenhöhe. Der sagt, dass es für ihn als Schweden nichts Neues sei, alle Mitarbeitenden mit Du anzusprechen. Das Problem sei viel mehr, dass er auch ausserhalb der Ikea alle Welt duze, ulkt der Nordländer. Bei Ikea duzen sich auch Konzernchef Anders (mit Nachnamen Dalvig) und Ikea-Gründer Ingvar (Kamprad).

Auch alle Microsoft (Schweiz)-Mitarbeitenden sagen Du zueinander und nennen sich beim Vornamen. Das Gleiche tun die 1200 Coca-Cola (Schweiz)-Angestellten ? vom Trainee Ursula bis zu General Manager Rob (Robert Murray). Und auch bei Sunrise ist die Du-Kultur seit der Gründung vor zehn Jahren etabliert und reicht hinauf bis zum CEO Christoph (Brand).

Deutsche mehr auf Distanz

Wikipedia liefert den Internet-Benutzern eine Erklärung, warum im deutschsprachigen Teil der Schweiz das Du generell viel häufiger benutzt wird als in Deutschland: Den Schweizern fehle die Adelstradition, wo Blaublütige schliesslich auf Distanz pochten.

Die vielen Deutschen, die in den letzten Jahren in die Schweiz gekommen sind, sind wirklich noch weitgehend von ihrem Heimatland geprägt. Da ist der Chirurg oder Professor eine Respektsperson, die es sich oft verbittet, geduzt zu werden. Das baut eher Barrieren auf statt ab. In den meisten Schweizer Universitäten sind Professoren mit ihren nächsten Mitarbeitenden zwar per Du. Untereinander bleiben sie allerdings oft «der Kollege».

Karin Stolz, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Deutsche Zentrale für Tourismus in Zürich, findet das praktizierte Du vom Praktikanten bis zum Chef Kai Uwe Leonhard sehr angenehm. Die Deutsche hatte zuvor lange bei Stuttgart Marketing gearbeitet und ihren Chef «selbstredend» gesiezt, und der konnte sich umgekehrt auch kein Du abringen. Stephan Peterhans, der Territory HC Leader Switzerland von PricewaterhouseCoopers, hat mit Niederlassungen in Deutschland die Erfahrung gemacht, dass Kollegen schon jahrelang im gleichen Büro arbeiten und sich trotzdem noch siezen. Dadurch bleiben die Deutschen der europäischen PwC-Familie einsam: In anderen Niederlassungen wie Norwegen, Schweden, Finnland, Belgien und Luxemburg ist längst das Du angesagt. Für Stephan Peterhans ist es wichtig, dass es in einer Firma eine klare Regelung gibt, ob eine Du- oder eine Sie-Kultur gelebt wird. Diese soll beim Einführungsgespräch eines jeden neuen Mitarbeitenden im Zusammenhang mit den Unternehmenswerten vorgestellt werden. Die schlechteste Variante ist ein Weder-Noch, sagt der HR-Chef, weil so die Gefahr besteht, in Fettnäpfchen zu treten.

You can say you to me

Bei IBM gibt es keine Du-Verordnung, sagt Media-Relations-Frau Susan Orozco. Doch hat sich beim blauen Riesen in den letzten Jahren einiges verändert: Die meisten Kollegen, mit denen man viel zu tun hat, duzen sich, nachdem man das vorher besprochen hat.

Bei Swiss Re wird ein kollegialer und offener Umgangston gepflegt, das Du unter den Mitarbeitenden aller Hierarchiestufen ist weit verbreitet, verrät Medien-Consultant Brigitte Meier. Ein Grund dafür sei die Unternehmenssprache Englisch, die zwischen Du und Sie nicht unterscheidet.

Die Credit Suisse hat ebenfalls keine Regel aufgestellt. Hier gilt: Die Handhabung ist je nach Geschäftsbereich und geografischem Raum und kulturellen Gepflogenheiten unterschiedlich, heisst es kurz und knapp. Ähnlich sieht es bei der Ciba aus. In einem multikulturellen Konzern könne man das Du nicht verordnen, sagt die Kommunikationsbeauftragte Andrea Richter.

Keine generelle Regelung existiert in der Helsana-Gruppe. Unter Mitarbeitenden und Vorgesetzten wird das Du sehr häufig praktiziert, ganze Abteilungen haben inzwischen die Du-Kultur eingeführt. Dennoch gilt das «Sie» zwischen der obersten und untersten Hierarchiestufte, beispielsweise zwischen Mitgliedern der Konzernleitung oder dem CEO sowie den Sachbearbeitern.

Auch Familien öffnen sich

Bei Victorinox geht es normalerweise recht lässig zu und her. 90% der Mitarbeitenden arbeiten in der Produktion, da heisst es ohnehin «Salü Du». Bei den restlichen 10% im Verwaltungsbereich bzw. der Forschung, Entwicklung und EDV ist man ebenfalls recht schnell beim Du.

Den beiden Senioren Karl und Eduard Elsener zollen die Mitarbeiter mit dem «Sie» allerdings noch immer besonderen Respekt. Juniorchef Karl Elsener dagegen könnte schon mal mit jemandem per Du sein, der mit ihm in die Schule ging oder im Sportklub trainiert hat ? schliesslich kennt man sich ja in Ibach.

 

 

NACHGEFRAGT René Villiger, Group Manager Human Resources Microsoft Switzerland



«Das Du baut Distanz ab und schafft so eine gewisse Nähe»

Kommt den Mitarbeitenden von Microsoft Schweiz das Du schneller über die Lippen, weil im angelsächsischen Sprachgebrauch nicht zwischen Du und Sie unterschieden wird? René Villiger: Bei Microsoft Schweiz verwenden wir das Du und den Vornamen über sämtliche Hierarchiestufen. Die Ansprache mit dem Vornamen ist persönlich und beinhaltet trotzdem eine gewisse Förmlichkeit und Respekt.

Im Umgang mit Ihnen klingt das dann wohl so: Salü René, wie gehts dir? Klingt cool, nicht wahr? Woran liegt es, dass offenbar immer mehr Menschen mit dem Du relativ unbeschwert umgehen?

Villiger: Der grösste Vorteil der Du-Kultur ist der unkomplizierte, freundschaftliche Umgang untereinander und der einfache, direkte Zugang zu den Leuten. Kurz gesagt: «Du» baut Distanz ab und schafft eine gewisse Nähe. Und Nähe ist für die Teamarbeit wichtig.

Kritiker des Du finden, dass diese Anrede geradezu inflationär gebraucht wird und das auch zur Respektlosigkeit führen könnte.

Villiger: Natürlich birgt das Duzen unter Umständen auch eine gewisse Gefahr. Gerade in schwierigen Situationen könnte die Du-Kultur missverstanden werden und zu fehlendem Respekt führen, beispielsweise gegenüber Vorgesetzten. Meines Erachtens besteht diese Gefahr aber nur dann, wenn die Du-Kultur nicht natürlich gewachsen ist und den Hintergrund der Menschen respektive das Geschäftsumfeld nicht mit einbezieht. Wenn dieser «Mindset»-Wechsel aber gut begleitet wird, sehe ich darin grosse Chancen. Ich selber habe schon positive Beispiele dazu erlebt.