Erwartet wird viel, gegeben wird wenig. Hin und wieder einmal ein gutes Wort würde bestimmt nicht schaden!» Eine Bemerkung, die oft zu hören ist in unseren Tagen. Warum? Weil einer-seits leistungsmässig zu viel als selbstverständlich angesehen, anderseits in der Arbeitskraft zu wenig der Mensch gesehen wird. Und der braucht auch emotionale Bestätigung. Die unter Vorgesetzten verbreitete Sicht- und Verhaltensweise «Wenn ich nichts sage, ist es in Ordnung» vernachlässigt dieses Bedürfnis sträflich.
Das gute Wort zur rechten Zeit sollte im beruflichen Alltagsgeschehen also wieder mehr zu hören sein. Lob und Anerkennung in ihrer doppelten Zielrichtung, erstens im Hinblick auf die unmittelbare, erkennbare Leistung und zweitens mit Blick auf die Dauerhaftigkeit dieser Leistung und damit auf konkrete Eigenschaften und Verhaltensweisen, sind ganz erheblich wirksamer als all die zirkulierenden Führungstools.
Seminarmässige Formalismen und deren sture Einhaltung machen aus der lebendigen, situativ eingebetteten und auf Anerkennung beruhenden Führungskultur eine tote Führungsbürokratie mit einem mechanistischen Miteinander. Wie weit dieser ungute Zustand schon vorangeschritten ist, lässt sich leicht insbesondere im Kontakt mit grösseren Betrieben erkennen. Oder in dem unter dem Pseudonym Katharina Weinberger geschriebenen Taschenbuch «Kopfzahlparanoia - Von der Selbstzerstörung der Konzerne» nachlesen.
Auf Kosten der Firmenkultur
Nicht unwesentlich daran beteiligt ist ein Führungstool, das sich heute ganz besonderer Beliebtheit erfreut: Die Zielsetzung mit ihren entsprechenden Vereinbarungen. Für Maja Storch, Inhaberin des Instituts für Selbstmana-gement und Motivation ISMZ, Zürich, eines Spin-off der Universität Zürich, ist das «langfristig kontraproduktiv».
Entsprechend hart geht sie mit dem ausufernden Zielsetzungsunwesen ins Gericht: «Effektivitätssteigerung geht heute auf Kosten der Firmenkultur, der langfristigen Gesundheit und der Kreativität von Unternehmen, insbesondere auf dem Buckel der Mitarbeiter», schreibt sie in dem lesenswerten Kapitel «Locke und Latham - Warum die Effektivitätssteigerung ihren Preis hat» («Die Mañana-Kompetenz»). Locke und Latham sind die beiden Erfinder des Führungsinstruments «Zielsetzung».
Mit Blick auf die emotionalen Bedürfnisse der Mitarbeitenden ist es mithin ratsam, weniger auf formale Führungstechniken und mehr auf situatives, überlegtes Verhalten zu setzen. Vorgesetzte punkten mit ihrem unmittelbaren Verhalten immer mehr als mit all den seminarmässig aufgepfropften Verhaltensweisen. Die zumeist auch noch völlig unverdaut-mechanistisch angewandt werden. Führen nach Rezeptbuch ist, wie Storch im Gespräch vehement betont, «kein Erfolgs-, es ist ein nachweisbares Misserfolgsrezept!
Das ist nicht nur überall in der Wirtschaft zu erkennen, das belegen auch zahlreiche Studien. Unter anderem der Gallup-Engagement-Index. Das gute alte Arbeits- beziehungsweise Betriebsklima ist nicht alles, aber ist es notleidend, ist rasch alles nichts. «Wer schaffen will, muss fröhlich sein», sagte der Dichter Theodor Fontane. Kluge Chefs beherzigen diese lebensweisen Erkenntnisse im Umgang mit der Belegschaft. Der Chef, der Fröhlichkeit ausstrahlt, sorgt für fröhliche Mitarbeitende. Und denen geht, wie jeder von sich selber weiss, alles leichter von der Hand.
Macht der Gefühle unterschätzt
Die Wirtschaft, salopp gesagt, unterschätzt die Macht der Gefühle und damit die Bedeutung der Streicheleinheiten für die Seele dramatisch. Wird diese dominante Seite des Menschen im Arbeitsprozess ausgeblendet, wie es heute weitgehend der Fall ist, schlägt das gnadenlos auf den Leistungswillen durch. Und die Befindlichkeit, die psychische und physische Gesundheit.
Es mag banal klingen, aber wer nicht lobt und Anerkennung ausspricht, wird auch nicht geliebt. Und wo keine Liebe ist, ist auch keine wirkliche Bindung. Geld allein bindet nicht. Ein gezahltes Gehalt ist rasch zu überbieten. Erheblich schwieriger wird es schon, die Qualität umsichtiger Führung zu überbieten.
Intelligenz mobilisieren
Eine Erkenntnis aus der Frühzeit der Managementdiskussion in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts ist heute aktueller und richtungsweisender denn je: Jedes Unternehmen steht heute nicht lediglich in Konkurrenz mit der Güte seiner Produkte. Es konkurriert mit der Leistungskraft seiner Organisation, der erfolgreichen Führung seiner Mitarbeitenden auf allen Stufen und der dadurch bewirkten Mobilisierung der Intelligenz im Unternehmen.