Das kann nur einem Zürcher passieren: Als Rolf Zaugg - damals Revisor im Dienst der Schweizer Regionalbanken - einen Überraschungsangriff auf ein Institut vornahm, wählte er einen Montag. Das ist eigentlich geschickt, denn darauf sind die Angestellten kaum gefasst. Sein Pech war nur, dass an diesem Morgen die Basler Fasnacht begann und die Mitarbeiter der Sparkasse Basel fuchsteufelswild wurden. Ab Stund war er in Basel Persona non grata. «Ich wurde auch nie mehr in diese Gegend geschickt», erzählt er lachend.
«Damals habe ich gelernt, zuvor die Festkalender der Gegenden zu studieren, in denen ich unvermittelt auftauchen wollte», sagt er und zählt blitzschnell ein paar eigentümliche Gepflogenheiten wie etwa den Äschli-Mittwoch in Elgg, das Unspunnen-Fest oder das Morgarten-Schiessen auf.
Ein Metzgersohn
Zaugg ist eines der wenigen Beispiele für eine ungewollte Berufswahl, die sich im Nachhinein als Glücksfall entpuppte. Er wollte nämlich partout Pfarrer oder Lehrer werden. Das erstaunt nicht: Er wuchs in einem Hundert-Seelen-Dorf im Emmental auf. Zu jener Zeit hatten diese beiden Persönlichkeiten noch einen hohen Status. Und der Metzgersohn Zaugg schaute zu ihnen auf. «Ich meldete mich später denn auch zur Aufnahmeprüfung ins Lehrerseminar und fiel wegen meiner schlechten Sprachkenntnisse mit Glanz und Gloria durch», entsinnt er sich.
Wieso er nicht die andere Alternative gewählt hat und sich zum Pfarrer ausbilden liess, weiss er heute nicht mehr. Metzger werden wollte er schon gar nicht. «Damals wurden die Tiere noch zu Hause geschlachtet, mir taten sie leid», sagt er und schweigt für ein paar Sekunden. Man nimmt ihm ab, dass ihn das als Kind mitgenommen hat.
Was ihn später aber nicht daran hinderte, sein erstes Sackgeld mit dem Aufstellen von Fallen für Maulwürfe zu verdienen. «Pro totes Exemplar gab es 50 Rp. Wenn ich Glück hatte, konnte ich in den Schulferien bis zu 15 Fr. verdienen, ein kleines Vermögen in der damaligen Zeit.»
Beruf faszinierte ihn zunehmend
Doch irgendwann musste der Ernst des Lebens beginnen, nachdem sich die Pforten des Lehrerseminars geschlossen hatten. «Damals hat sich mein Vater eingeschaltet und einen Freund bei der CS angerufen. Er war bereit, mich als Lehrling aufzunehmen, obwohl ich überhaupt keine Neigung für den Bankdienstleistungs-Sektor empfand», meint Zaugg rückblickend.
Damit waren aber die Weichen für einen Beruf gestellt, der ihn zunehmend faszinierte und heute noch ausfüllt. So sehr, dass er sich nicht vorstellen könnte, etwas anderes zu tun. Zaugg hat alle Stufen bis zum Vorsitz der Geschäftsleitung der grössten Regionalbank im Kanton Zürich gradlinig durchlaufen. Da gibt es keinen Schlenker in seiner Vita, keine Auszeit und kein Sabbatical.
Aber bis zu seinem ungewollten Debüt bei der CS vergingen noch ein paar unbeschwerte Jugendjahre mit Unbilden, wie man sie nur noch in Jugendbüchern à la «Mein Name ist Eugen» findet. Ultimaten waren in der Primarschule auf dem Land noch unbekannte Erziehungsmittel, und im Betragen ab und zu ein «Ungenügend» zu haben, war etwas, womit man bei den Mitschülern punktete.
Zum Glück war seine Mutter Hebamme und kannte sich in der Kunst der Wundheilung aus. «Wir hatten damals etliche Bandenkriege. Es ging um die Eroberung eines Wäldchens. Nur die Sieger durften dort spielen. Dabei floss manchmal auch Blut. Meine Mutter musste jeweilen die Blessuren und Wunden pflegen und mit Vita-Merfen desinfizieren.»
Ein anderes Mal wurde ein «Gegner» vor Schulbeginn an einen Baum gefesselt und ging vergessen. Erst als am Nachmittag dessen Vater auftauchte und sagte, sein Bub sei verschollen, kam den kleinen Helden in den Sinn, wo er zu finden sei. «So etwas wäre heute schlicht undenkbar», sagt Zaugg und erwähnt seinen neunjährigen Sohn. «Der ist - verglichen mit mir - ein wahrer Engel.»
Schiessen als Lebensschule
Etwas allerdings ist ihm seit frühester Jugend geblieben: Die Liebe zum Schiessen. Auf den Grund für diese Passion angesprochen, meint er kurz und bündig: «Ich kann diesen Sport allein oder mit anderen ausüben, bin aber nicht gezwungen, mit jemandem einen Termin zu vereinbaren wie etwa für ein Tennis- oder Golfspiel. Und wenn ich im Schiessstand bin, ist alles um mich herum ausgeblendet, auch allfällige Probleme im Geschäftsleben. Es ist eine Art Lebensschule, wie übrigens bei anderen Sportarten auch: Körperbeherrschung, Ausdauer und Konzentration.»
Wenn Zaugg spricht, lehnt er sich mit seinem kompakt gebauten Körper leicht nach vorn und gibt dem Gegenüber das Gefühl, er habe alle Zeit der Welt, obwohl das natürlich nicht stimmt. Aber man kann sich ihn gut in einer Beiz vorstellen, wo er mit seinen Schützenkollegen über Gott und die Welt diskutiert, schliesslich gehörte er einige Jahre dem Stadtrat von Uster an und war dort zuständig für das Hochbauwesen.
Auch zu jener Lebensphase gibt es einschlägige Anekdoten. «In dieser Funktion war ich auch zuständig für das Stadtbild. Da konnte es schon vorkommen, dass ich morgens um sechs Uhr ein Telefon von Bauer XY bekam, der gerade seine Kühe melkte und dachte, «diesem Zaugg sage ich jetzt einmal Bläss und Schimmel, weil er mir keine Baubewilligung für einen Balkon erteilt hat». Aber alles in allem war es eine spannende Zeit, «und ich habe viel in Sachen Menschenführung gelernt.» Unter Zaugg wurden - unter anderem - die Städtischen Werke privatisiert und wurde das Areal der ehemaligen Baumwollspinnerei Uster überbaut, ein mustergültiges Beispiel eines architektonischen Dialogs zwischen Industriebrache und Moderne.
Ob er wohl ein strenger Chef ist? Da müsse man andere fragen. Aber am besten verlässt man sich auf sein eigenes Urteil: Zaugg wirkt nicht so, als würde er gerne wettern, wenn etwas schiefläuft. Und doch hat er es mit seiner ruhigen, besonnenen Art weit gebracht.
Moderne Universalbank
Zauggs Weg führte vom Lehrling über zahlreiche Zusatzausbildungen - eine der entscheidenden ist wohl jene in Richtung Treuhand- und Revisionswesen - an die Spitze von Clientis. Auf seinen Revisionen lebte er oft in Hotels. Aber auch das war für ihn kein Müssen. «Das gehörte zu meinem Beruf, der mir Spass machte.»
Der Wechsel zur damaligen Sparkasse Zürcher Oberland kam ihm dann trotzdem gelegen. Es sei an der Zeit gewesen, sesshaft zu werden. Als neues Mitglied der Geschäftsleitung war Rolf Zaugg unter anderem auch zuständig für die Organisationsentwicklung der Bank. Im Zürcher Oberland hatten die beiden ortsansässigen Regionalbanken gerade erst fusioniert, an Arbeit mangelte es nicht. Sechs Jahre später übernahm er den Vorsitz der Geschäftsleitung. «Seither hat sich die Regionalbankenbranche weiter verändert, beispielsweise kauften wir letztes Jahr die Clientis Sparkasse Küsnacht, wechselten unseren Namen und im nächsten Jahr sind wir mit einer neuen Filiale in der Stadt Zürich präsent», erzählt Zaugg.
Unter seiner Leitung wandelte sich die Sparkasse zu einer modernen Universalbank. Auch in diese Zeit fällt die Entstehung der Clientis-Gruppe; diesem Vertragskonzern gehören 22 Regionalbanken an. Als deren Verwaltungsratspräsident engagiert sich Rolf Zaugg seit der Gründung vor sieben Jahren für die Weiterentwicklung der Regionalbanken: «Das ist immer noch Herzblut für mich», sagt er.