Vermutlich würde kaum jemand Angela Merkel für ihre überragende Schönheit loben. Im Gegenteil – sie wurde oft genug gehänselt: Ihre Mundwinkel haben eine Tendenz gen Erdboden, ihre Figur kann man bestenfalls als plump bezeichnen und ihr Kleiderstil ist auch nicht unbedingt nachahmenswert. Und jeder weiss, dass ihre Frisur das Kunstwerk des berühmtesten Friseurs Deutschlands ist, Udo Walz.

Darum geht es bei Angela Merkel aber auch nicht. Sie führt – mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 2010 – seit acht Jahren das Forbes-Ranking der mächtigsten Frauen der Welt an. Sie ist seit nunmehr neun Jahren Bundeskanzlerin. Man könnte meinen, dass sie das beste Beispiel dafür ist, dass man als Frau nicht schön sein muss, um Erfolg zu haben.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Früher Deppenpony, strähnige Haare und kein Make-up

Doch das stimmt so auch einfach nicht. Denn im Vergleich dazu, wie Merkel in den 90er-Jahren und Anfang des Jahrtausend aufgetreten ist – Deppenpony, strähnige Haare, keinerlei Make-up – sieht sie heute unheimlich toll aus. Bevor sie für das Bundeskanzleramt kandidieren durfte, musste eine Totalveränderung her. Denn Angela Merkels Beratern war vermutlich damals klar: Attraktive Menschen bekommen mehr Stimmen. Also wurde die fachlich unheimlich kompetente Frau auch äusserlich aufgehübscht.

Dass Attraktivität und Erfolg korrelieren, ist keine Neuheit. Zahlreiche Studien erbringen seit Jahren die Belege: Attraktive Menschen verdienen mehr, sie sind seltener arbeitslos und finden schneller einen Job. Yahoo-Chefin Marissa Mayer gilt heute als Vorzeigebeispiel für die These.

Umwerfend aussehen – und dann auch noch fachlich überzeugen

Bei Frauen wird noch mehr Wert auf das Aussehen gelegt als bei Männern. Von Frauen erwartet man, dass sie sich um ihr Äusseres kümmern, weil Schönheit ja auch so ein Frauen-Ding ist. Und das ist auch nicht falsch: Wie oft stehe ich vor einem wichtigen Termin ratlos vorm Spiegel, schlüpfe in das eine, dann das andere Outfit, nur um mich kurz vorm Verlassen der Wohnung noch mal umzuziehen?

Dann die wichtigen Fragen: Wie viel Make-up? Auffälliger Lippenstift? Absätze, die zu meinen ohnehin überdurchschnittlichen 180 noch einige Zentimeter hinzufügen? Ich weiss aus meinem Umfeld, dass Männer sich über solche Dinge keine Gedanken machen. Von ihnen erwartet aber auch keiner, dass sie umwerfend aussehen – und dann auch noch fachlich überzeugen.

Mehr Mut zur Hässlichkeit?

Und hier kommt die Kehrseite der Medaille ins Spiel: Frauen werden sehr schnell auf ihr attraktives Äusseres reduziert und man traut ihnen nicht so viel zu. So hat eine israelische Studie ergeben, dass attraktive Frauen seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Aus der Welt der Partnervermittlung wissen wir: Je erfolgreicher und attraktiver eine Frau, umso schwieriger ist es für sie, einen Partner zu finden.

Und über Blondinen-Witze müssen wir hier gar nicht reden. Auch aus dem persönlichen Umfeld kann ich einiges berichten: Eine Bekannte von mir trägt im Berufsalltag als Juniorprofessorin an der Universität eine Fensterglas-Brille, weil sie sonst von ihren (männlichen) Kollegen nicht ernst genommen wird. Eine andere Freundin muss unentwegt beweisen, dass sie schön und schlau ist – und dass sie trotz ihrer jugendlichen 26 Jahre Führungsverantwortung übernehmen kann.

Mit Fachwissen überzeugen

Aber was heisst das alles für uns: Sollen wir uns hässlich machen, um erfolgreich sein zu dürfen? Dann laufen wir ja wieder Gefahr, übergangen zu werden, weil wir das Klischee der perfekt gestylten Business-Frau nicht erfüllen.

Ich finde: Nein! Sollen sie doch auf meinen knallrot angemalten Mund glotzen oder in meinen Ausschnitt. Sollen sie doch süffisant lächeln, wenn eine attraktive Frau die Rednerbühne beim Kongress betritt oder im Meeting das Wort ergreift. Denn wenn wir erst loslegen und sie mit unserem Fachwissen in Grund und Boden reden, haben wir die Oberhand. Wichtig ist doch, dass wir uns wohl fühlen – ob mit Lippenstift oder ohne. Denn nur dann strahlen wir Selbstbewusstsein aus. Und das ist eben auch ein wichtiger Faktor für Erfolg und dafür, ernst genommen zu werden. Recht machen können wir es sowieso keinem – ausser uns selbst.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Bizzmiss – das Business-Magazin für Frauen mit den Schwerpunkten Karriere und Work-Life-Balance.