Ja, der Jobmarkt kann ungerecht sein. Wenn eine promovierte Naturwissenschaftlerin beim Vorstellungsgespräch weniger nach ihren Fähigkeiten gefragt wird, sondern danach, wer denn eigentlich ihre Kinder versorge, während sie arbeite. Unüberhörbar war der stumme Vorwurf in der Frage, von der mir eine promovierte Naturwissenschaftlerin erzählte. Sie kassierte eine Ablehnung, ein Mann wurde ihr vorgezogen – trotz ihrer wirklich erstklassigen Qualifikation.
Aber immerhin: Sie wurde eingeladen. Das passiert nicht jedem Bewerber – und vor allem nicht jeder Bewerberin. Woran das liegt? Unter Umständen am Bewerbungsfoto. Auch wenn es längst nicht mehr verlangt werden darf, ist es doch ein wichtiger Bestandteil der Bewerbung. Frauen tappen hier viel zu oft in eine Falle: Die Niedlichkeitsfalle.
Die Frau, das scheue Reh
Viele Frauen lassen sich nämlich so ablichten, wie es dem überkommenen Rollenbild entspricht: als zurückhaltendes, hübsches und leicht verkrampftes weibliches Wesen. Der Effekt: Die alten Rollenmuster bestehen weiter – die Frau ist schön, wirkt aber nicht durchsetzungsfähig. Das ist die Botschaft, die im Unterbewusstsein eines Personalers ankommt.
Dabei hat es jede Frau selbst in der Hand, wie selbstsicher und fachlich fähig sie wahrgenommen wird. Den persönlichen Charme und die eigene ansprechende Optik auszuspielen, kann eine erfolgreiche Strategie sein. Dahinter steht meistens die Absicht, aus den äusseren Vorzügen einen Vorteil zu ziehen. Doch das nützt nichts, wenn die Prioritäten nicht richtig gesetzt werden. Wer auf einem Bewerbungsfoto posiert wie ein naives Dummchen, muss sich nicht wundern, wenn längst überholte Klischees von der Rolle der Frau wieder aufleben.
Dabei gilt es doch gerade im Beruf, diese antiquierten Muster zu durchbrechen. Bewerberinnen, die auf ihre weiblichen Reize setzen, um ihre Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen, tun sich damit keinen Gefallen. Sie tragen vielmehr dazu bei, das tradierte Rollenbild zu untermauern anstatt es niederzureissen.
Ungeschickte Selbstvermarktung
Ich spreche aus langjähriger Erfahrung, die ich bei den Shootings für Bewerbungsfotos jüngerer und älterer Frauen sammeln konnte. Mir erscheint es beinahe verhängnisvoll, wenn sich intelligente Frauen so ungeschickt selbst vermarkten. Mut beweist jedoch, wer sich als selbstsichere und kompetente Frau vorstellt.
Oft laufen die Shootings sehr ähnlich ab: Die Frauen posieren vor der Kamera, als wollten sie möglichst nicht wahrgenommen werden – sie machen sich sogar kleiner. Viele zeigen dabei unbewusst einen Gesichtsausdruck wie ein kleines Mädchen, das mit erstauntem Augenaufschlag und niedlichem Lächeln in die Kamera schaut. Dabei neigen sie leicht den Kopf und sehen den potenziellen Betrachter schelmisch von unten an. So eine Bewerberin wird in keiner Personalabteilung ernst genommen.
Sympathisch ist gut, selbstbewusst ist besser
Natürlich soll das Bewerbungsfoto Freundlichkeit ausstrahlen, aber nicht auf Kosten eines kompetenten Eindrucks, den ein Arbeitgeber erwartet. Sympathisch zu wirken ist kein Fehler. Es ist aber keinesfalls die von einer leistungsstarken, erfolgsorientierten Mitarbeiterin geforderte Kernkompetenz. Womit ihr punkten könnt: mit Attributen, die Männern zugeschrieben werden. Da können die Personaler noch so überzeugt davon sein, geschlechtsunabhängig zu entscheiden.
Deshalb solltet ihr auch bei Bewerbungsfotos selbstkritisch sein. Wichtig ist, Kompetenz und Selbstbewusstsein auszustrahlen – beides rangiert weit vor den Sympathiepunkten. Erst wenn ein Personaler von der Fachkompetenz und den Soft Skills überzeugt ist, prüft er, wie sympathisch der jeweilige Bewerber wirkt.
Schade, dass immer noch so viele Frauen in der verkehrten Reihenfolge denken. Cleverer ist es, wenn das Bewerbungsfoto die sympathischen Aspekte ihrer Persönlichkeit eher beiläufig vermittelt, während das Hauptaugenmerk auf die erwähnten Eigenschaften gelenkt wird.
Das sind die Tipps vom Profi:
- Vermeidet es, den Eindruck zu vermitteln, «die Nette» zu sein. Das ist nicht, was euch für den Job eignet! Ihr startet mit besseren Karrierechancen an den neuen Arbeitsplatz, wenn ihr die Stelle aufgrund einer kompetenten Ausstrahlung bekommt.
- Lieber mit den Augen lächeln statt mit geöffneten Lippen, um nicht von eurer Kompetenz abzulenken.
- Wählt ein Outfit, das zu der gewünschten Stelle passt. Es sollte korrekt und nicht verführerisch wirken.
Alexander Vejnovic ist Fotograf mit Herz und Seele und spezialisiert auf Fotos mit Menschen. In seinem Düsseldorfer Fotostudio hat er den Anspruch, seine Kunden nicht nur optimal zu fotografieren, sondern ihnen auch viele nützliche Tipps für ihre Körpersprache und Außenwirkung zu vermitteln. Dabei hilft ihm auch seine Ausbildung als „Lehrer für Autogenes Training“. Auf Google+ sammelt er interessante Fundstücke aus dem Internet.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Bizzmiss – das Business-Magazin für Frauen mit den Schwerpunkten Karriere und Work-Life-Balance. Der Text ist von einem Gastautor verfasst. Es sind keine Honorare geflossen und die BizzMiss-Redaktion hatte die redaktionelle Hoheit.