Gudrun Sander, Ökonomin an der Uni St. Gallen, hat ein ehrgeiziges Ziel: Sie will jene 22000 Schweizer Akademikerinnen, die derzeit nicht erwerbstätig sind, zurückholen ins Berufsleben. Dabei helfen soll der neue Managementlehrgang «Women back to Business». Ziel: Gut ausgebildete Frauen fit machen für den Arbeitsmarkt.

Das Weiterbildungsprogramm stösst nicht nur bei Wiedereinsteigerinnen auf Interesse, denn der erste Lehrgang ist bereits ausgebucht. Die St. Galler Kantonalbank, die Post, Swiss Re, Helvetia und die Müller-Möhl-Group finanzieren das Programm mit ? und bieten gleich die passenden Jobs an. Die nächsten Lehrgänge werden bereits vorbereitet, weitere Sponsoren sind mit von der Partie.

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Potenzial nicht mehr ignorierbar

Dass auch Unternehmen wie Credit Suisse und UBS Interesse an Familienfrauen zeigen und deren Wiedereinstieg fördern, liegt auf der Hand: Es fehlen gute Fach- und Führungskräfte. Allmählich wird erkannt, dass die Wirtschaft das Potenzial qualifizierter Wiedereinsteigerinnen nicht länger ignorieren darf. Und dass es Vorteile hat, auf zurückkehrende Frauen zu setzen. Diese haben das Thema Familie gründen und Kinder grossziehen abgehakt und suchen für den nächsten Lebensabschnitt einen Job, der sie herausfordert und ausfüllt. «Hinzu kommt, dass Wiedereinsteigerinnen in der Regel nicht den schnellen Wechsel suchen und einem Arbeitgeber verbunden bleiben», sagt Regina Rutishauser vom Verein Weiterbildungen für den Arbeitsmarkt, Wefa. Und das heisst: Den Unternehmen bleibt das Know-how erhalten.

Optimale Bedingungen für den Wiedereinsteig finden Frauen aber nicht überall, oft beissen Bewerberinnen auf Granit. Einer der Gründe: Es fehlen Teilzeitjobs, die wenigsten Wiedereinsteigerinnen suchen Vollzeitstellen. Hinzu kommt, dass viele Personalverantwortliche die Familienzeit als Abwesenheit von der Berufswelt werten ? und nicht als Zeit, in der sich die Frauen Schlüsselqualifikationen wie Kommunikations- oder Konfliktfähigkeit erworben sowie organisieren und delegieren gelernt haben. «Auch ehrenamtliches Engagement hat in vielen Berufszweigen wenig Relevanz», sagt Laufbahnberaterin Claire Barmettler vom S&B-Institut in Bülach.

Sie hat zudem beobachtet, dass es bei Wiedereinsteigerinnen schnell heisse, sie könnten nicht mehr mithalten mit dem Arbeitstempo, seien fachlich nicht auf dem aktuellen Stand und zu unflexibel, was die Arbeitszeit betrifft. Und zum Teil stimme das sogar.

Ob der Wiedereinstieg gelingt, liege deshalb auch an den Frauen selbst. Jene, deren Computerkenntnisse aus dem vorigen Jahrtausend stammen oder die schon beim Bewerbungsgespräch zu verstehen geben, dass sie nur am Dienstagnachmittag und am Donnerstagvormittag einsatzbereit sind, legen sich Steine in den Weg. Barmettler: «Häufig geht es eben nicht, nur ein bisschen einzusteigen.» Frauen sollten sich über die Konsequenzen des Wiedereinstiegs im Klaren sein ? «zögerliches Verhalten wird nicht belohnt».

Frage des Selbstbewusstseins

Barmettlers Rat: Auch während der Familienzeit der Arbeitswelt nie ganz den Rücken kehren ? das sei schon fürs Selbstverständnis wichtig (siehe Kasten). Frauen, die sich lange komplett ausklinken, kennen sich in ihrem Fachgebiet schnell nicht mehr aus und können laut Rutishauser den Wert ihrer Fähigkeit nicht realistisch einschätzen. Die Folge:Sie trauen sich immer weniger zu. Mangelndes Selbstbewusstsein und eine falsche Einschätzung der Fachkompetenz seien bei der Bewerbung zwei der grössten Hindernisse.



NACHGEFRAGT



«Lieber Teilzeit als gar nicht arbeiten»

Bettina S. Wiese ist Oberassistentin Studienberatung/Praktikumsfragen am Psychologischen Institut der Universität Zürich. Sie wurde vor einigen Jahren mit dem Georg-Sieber-Preis für Angewandte Psychologie ausgezeichnet.

Ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt gut für einen Wiedereinstieg?

Bettina S. Wiese: Grundsätzlich haben Arbeitssuchende gute Chancen; insbesondere für Fachkräfte gibt es viele Angebote. Wenn Frauen jedoch ein Minimalpensum von 20% suchen, wird das auch bei hervorragender Qualifikation problematisch. Mein Tipp: Schon während der Schwangerschaft das Gespräch mit Vorgesetzten suchen und mit ihnen individuelle Lösungen ausloten, etwa ein geringes Teilzeitpensum, das später kontinuierlich gesteigert werden kann.

Begegnet man Wiedereinsteigerinnen eher mit Skepsis?

Wiese: Man begegnet ihnen nicht vorbehaltslos, vor allem jenen, die sehr lange ausgesetzt haben. Studien zeigen, dass Frauen, die länger als ein Jahr ausgestiegen sind, als beruflich weniger interessiert wahrgenommen werden.

Je länger der Ausstieg, desto schwieriger der Einstieg?

Wiese: Das kann tatsächlich zutreffen. Je länger die Auszeit, desto grösser die Gefahr, fachlich nicht mehr fit zu sein und den Zugang zum beruflichen Beziehungsnetz zu verlieren.

Können es sich Frauen mit Karriereambitionen überhaupt leisten, eine Familienzeit oder ein Timeout einzulegen?

Wiese: Aus beruflicher Sicht wäre eine kontinuierliche Erwerbstätigkeit für diese Frauen sicher sinnvoll. Die Auszeit möglichst kurz zu halten und lieber Teilzeit als gar nicht zu arbeiten, gehören zu den häufigsten Ratschlägen der von uns befragten Personalfachleute.